Auch Busfahren kann ein schräger Sport sein: Lesen und hören Sie hier unsere Reportage von der Europameisterschaft der Busfahrer.
Bei der Koch-WM in Luxemburg
Trainingslager, Physiotherapeuten und hunderte Fans – bei der Koch-WM in Luxemburg wird Kochen zum Leistungssport. 4.000 Teilnehmer kochen um den Sieg. Um auf Nummer sicher zu gehen, brachten die Dänen einmal sogar 7,5 Tonnen Lebensmittel mit.
Sie kochen im mentalen Tunnel, die etwa viertausend Teilnehmer an den Wettbewerben des Culinary World Cup in Luxemburg, salopp "Köche- WM" genannt. Kaum einen Blick haben sie übrig für diejenigen, die ihnen in die Töpfe und auf die Finger schauen und auch nicht für den Aufwand, den Frank Rippinger vom Veranstalter LuxExpo aufzeigt.
"Unsere Hallen, das sind an sich nur Messehallen: vier Wände, ein Dach und einen Boden. Sonst haben wir nicht viel zu bieten. Das heißt, wir mussten hier einige Kilometer Starkstrom anbringen. Wir haben einige Stromaggregate zusätzlich anliefern müssen. Wir haben zwei Restaurants, einmal mit neunhundert Sitzplätzen und einmal mit vierhundert, wo Essen auf höchstem Niveau serviert wird. Das soll schon dann auch in einem Restaurant- Ambiente sich abhalten."
Kochen als Leistungssport
75 Nationen nehmen an der Weltmeisterschaft teil, die 1972 zum ersten Mal stattfand. Die Betreuung der Köche ist vergleichbar mit der von Leistungssportlern. Sogar Physiotherapeuten und Mentaltrainer leisten sich manche Mannschaften. Uwe Micheel, deutscher Teamchef der Vereinigten Arabischen Emirate, fing vor zwei Jahren mit der Planung an:
"Wenn man die guten Bedingungen haben will, dann muss man auch wie beim Fußball oder was auch immer, früh genug da sein. Man muss das Hotel buchen, man muss den Transport buchen. Man muss sehen, dass wir die Produkte, die wir brauchen, haben. Beim Fußball hat man ein paar Bälle. Wir brauchen schon ein bisschen mehr: also die ganzen Lebensmittel. Damit wir das alles, was wir brauchen, kriegen, muss das schon geplant werden."
Nationalmannschaft der Köche
Dann geht es an die Zusammenstellung der Mannschaft, hier sichtete er auf kleineren Wettbewerben im asiatischen Raum:
"Das Team, also die A-Nationalmannschaft sozusagen, zusammenzubauen, das dauert schon ein bisschen, dass das perfekt geht, dass die zusammen arbeiten. Da stecken zwei Jahre harte Arbeit dahinter. Ein bisschen Glück gehört immer dazu, aber ich sage mal: Man muss hart arbeiten. Nur mit Glück kann man keine Goldmedaille gewinnen."
Kleine Kunstwerke entstehen in den zwölf identisch aufgebauten Küchen mit ihren zwei Fensterfronten und einer Wand für Geräte und Wasseranschlüsse. Die vierte Wand fehlt, dahinter steht zum Beispiel bei den Luxemburgern Teamleiterin Jennifer und achtet auf Material, Laufwege und die Zeit.
"Ich guck zum Beispiel, dass um vierzehn Uhr alles am Kochen ist. Das habe ich im Blick: Wann was allerspätestens gemacht werden muss."
Das Publikum isst mit
Abends werden die Menüs für einen kleinen Preis dem Publikum angeboten. Zuvor haben die Juroren das Wort wie Uwe Micheel, der natürlich sein eigenes Team nicht bewerten darf.
"Es geht darum nicht, ob ich das mag. Ich gebe Goldmedaillen für Produkte, die ich persönlich nicht essen würde. Bei den Pralinen muss jede eine andere Form, eine andere Farbe, eine andere Füllung haben. Es muss was Weiches dabei sein, es muss was Knuspriges dabei sein, es muss Frucht dabei sein, Kuchen muss dabei sein und natürlich muss alles auch zusammen passen. Also es sind sehr viele Sachen. Deswegen machen wir als Jury auch regelmäßig Kurse, dass wir wirklich alle auf dem gleichen Level sind."
Kochen und Netzwerken
Dass es den meisten Teams nicht nur um das Dabeisein geht, versteht sich von selbst. Alain Hostert organisiert die WM zum dritten Mal und beobachtet, dass Sponsoren immer wichtiger werden und der Sieg über dem Knüpfen neuer Kontakte steht.
"Dies ist nicht nur Sport, es ist Leistungssport! Ehrgeiz ist sicher da. Man sieht die Jungs und Mädels, die sind angespannt, die zittern. Wir haben welche, die sind sogar nach dem Wettbewerb zusammengebrochen. Größtenteils sind die Teams zum Gewinnen hier. Aber gewinnen tut man auch, indem man Leute kennenlernt, herumlaufen, neue Produkte, neue Tendenzen kennenlernen. Was macht das andere Land? Was machen sie auf einem anderen Kontinent? Zum Beispiel haben wir sehr viele Koreaner, Taiwanesen, die kommen nach Europa rüber und die sehen, was die Europäer machen und nehmen das mit rüber."
Kochen als Wirtschaftsfaktor
Natürlich ist die Expogast mit der Köche- WM auch ein Wirtschaftsfaktor:
"Wir haben aber auch zum Beispiel Skandinavier, da kamen dann siebeneinhalb Tonnen Lebensmittel aus Dänemark mit rüber. Die wollten einfach nur zu hundert Prozent sicher sein, dass sie die Waren haben, die sie wollen. Aber sonst ist es natürlich für Luxemburg sehr interessant, weil es ein sehr großer Absatz ist: Hier bekommen fast jeden Tag vier- bis fünftausend Leute was zu Essen. Das auf fünf Tage genommen, sind wir bei zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend Essen. Das macht schon ein bisschen Umsatz und auch einen großen Teil an Lebensmitteln."
Viertausend Teilnehmer, manche Länder bringen einige hundert Fans mit, dazu Trainingslager und die Leute, die gleich für ein paar Tage in Luxemburg bleiben – touristisch bringt die WM dem Land mehr als eine halbjährige EU- Ratspräsidentschaft. Etwa 1,2 Millionen Euro werden in den Hotels umgesetzt.
Das aber geschieht jenseits der Herdplatten, auf die die Leistungsköche fokussiert sind. Uwe Micheel hat seine Mannschaft zu zwei Dutzend Goldmedaillen motiviert.
"Wenn wir irgendwo hingehen, dann stelle ich drei Fragen: Hast du was dazugelernt? Hat's Dir Spaß gemacht? Hast du neue Freunde gemacht? Und wenn die drei Fragen mit Ja beantwortet sind, dann ist eigentlich schon das Wichtigste erreicht. Dass man dann gewinnt, das kommt dann von ganz alleine. Aber erstmal muss man den Druck raus nehmen, das unbedingte Gewinnen , weil dann vergessen die Leute beim Kochen das Salz!"
Was macht eigentlich richtigen Sport aus? Darüber sprachen wir mit dem Sportwissenschaftler Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Kochen - ein Sport? Froböse zeigt sich skeptisch: "Ich kann mir natürlich vorstellen, dass am Kochtopf Höchstleistungen erbracht werden, dass sie Planung, Technik, Taktik benötigen. Aber das grundsätzlich als sportliche Aktivität zu bezeichnen, das greift mir doch ein wenig zu weit." Hören Sie hier das Gespräch in voller Länge: