Schreiben in Haus Kreienhoop

Wie ein abgeschiedener Ort Helene Bukowskis Debütroman rettete

04:23 Minuten
Helene Bukowski hockt am Boden auf einem Waldweg.
Die Autorin Helene Bukowski, geboren 1993 in Berlin, hat 2019 ihren ersten Roman "Milchzähne" veröffentlicht. © Rabea Edel
Von Anne Kohlick |
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Helene Bukowskis dystopischer Roman “Milchzähne” handelt von Frauen, die in einem Haus abgeschottet im Wald leben. Und auch ihr Buch ist an einem abgelegenen Ort entstanden: Haus Kreienhoop am Rande eines Dorfes.
Das Haus Kreienhoop bei Bremen hat Helene Bukowskis Debütroman "Milchzähne" gerettet: "Ich weiß gar nicht, ob ich’s geschafft hätte, wenn ich diesen Ort nicht gehabt hätte. Ich brauchte, glaube ich, so einen Ort, wo ich mich wirklich reingraben kann, wo es keine anderen Dinge gibt, die mich ablenken und wo ich wirklich nur schreiben kann", sagt Bukowski.
Bevor sie in das Haus kam, das sich der Schriftsteller Walter Kempowski in den 70er-Jahren bauen ließ, steckte die Autorin in einer Schreibkrise...
"…wo ich dachte: Okay, entweder ich schreibe jetzt diesen Roman, oder ich haue ihn halt wirklich in die Tonne. Und dann habe ich mir gesagt: Ich habe jetzt einen Monat Zeit. Ich hab mir auch so frei genommen, das Studium auch erstmal für diesen Monat ausgesetzt und ich hab gesagt: Ich fahre jetzt dahin und werde diesen Roman überarbeiten."

Schon immer wurde in Kreienhoop geschrieben

Von einer Kommilitonin aus dem Studiengang Literarisches Schreiben an der Universität Hildesheim hat Helene Bukowski von Haus Kreienhoop erfahren.
Helene Bukowski packt ihre Sachen und verbringt im Frühjahr 2018 einen intensiven Monat im Haus Kreienhoop. In dieser Zeit überarbeitet sie ihre bisherigen Textfragmente und hat am Ende des Aufenthalts eine erste Version ihres Romans fertig. Das habe sie auch der besonderen Atmosphäre im Haus zu verdanken, sagt sie.
Der Tisch des Schriftstellers Walter Kempowski in seinem Haus in Nartum im Kreis Rotenburg: 1974 zog der Autor mit seiner Familie in das Haus Kreienhoop, das er selbst geplant hatte und immer weiter ausbaute.
Der Schreibtisch von Walter Kempowski, der früher im Haus Kreienhoop lebte.© picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen
"Das Haus wurde ja von Walter Kempowski selbst gebaut und konzipiert. Und das ist ganz spannend, weil er selbst Schriftsteller gewesen ist und deshalb dieses Haus auch so aufgebaut hat. Es gibt zum Beispiel einen ganz langen Büchergang, wo eine große Bibliothek ist – ich glaub, die ist so elf Meter lang. Und dann gibt es so ganz verschiedene Schreiborte. Es gibt so einen, wo ich richtig gerne saß, wo es so ein ganz schmales Fenster gibt, wo man auf ein Feld blickt. Oder das Büro und in jedem Zimmer ist natürlich auch ein Schreibtisch. Und dieser ganze Ort ist darauf ausgelegt, dass man dort schreibt."

Kontakt zu Außenwelt per Brief

Keine Ablenkung, keine Anrufe: Bis auf die gemeinsamen Mahlzeiten mit Hildegard Kempowski verordnet sich Helene Bukowski im Haus Kreienhoop Einsamkeit. Freunde und Familie sollen ihr Briefe schicken. Wenn sie gerade nicht schreibt, erkundet sie alleine oder mit Hildegards Hund die Umgebung.
"Das ist ja Niedersachsen, so zwischen Bremen und Hamburg, also sehr flaches Land, Moorlandschaft. Das Haus liegt so ganz am Ende des Dorfes, also auch so ein bisschen abgeschieden und dahinter beginnen eigentlich auch schon die Felder. Und wenn man dann so ein bisschen durch die Felder läuft, kommt halt so ein Moor, was teilweise noch erhalten ist. Da wird aber auch noch Torf abgebaut, was halt so eine braune Ebene ist. Da wächst halt nichts mehr. Das hat so eine ganz eigene Ästhetik."
Zwar findet sich kein Moor in Helene Bukowskis Roman "Milchzähne", aber die Abgeschiedenheit und die Rauheit der Landschaft spiegeln sich in der dystopischen Szenerie ihres Debüts. Außerdem spielt ein einsam gelegenes Haus eine wichtige Rolle, in dem die Ich-Erzählerin aufwächst. Zu seiner Beschreibung hat sich Helene Bukowski von einem Roman von Walter Kempowski inspirieren lassen: "Tadellöser und Wolff" von 1971 hat sie im Haus Kreienhoop gelesen.

Inspiriert von Walter Kempowski

"Die erste Woche in diesem Haus hatte ich so meine ganzen Notizen zusammengesammelt und wusste noch gar nicht, wie ich jetzt eigentlich weiterarbeite. Und dann habe ich diesen Roman gelesen und der fängt auch mit einer Beschreibung von einem Haus an. Das habe ich so beiseitegelegt und mich dann wieder ans Schreiben gesetzt und plötzlich habe ich auch angefangen, dieses Haus zu beschreiben. Das war wie so ein Auslöser und dann bin ich so richtig eigentlich erst ins Schreiben gekommen."
Dann fließt es aus Helene Bukowski heraus. Sie schreibt fast so schnell, wie sie sonst liest, in diesem Monat im Haus Kreienhoop. Die Gespräche mit Hildegard Kempowski, die vielen Bücher überall in den Regalen, die historischen Möbel machen das Haus für sie zum perfekten Schreibort. Für ihr nächstes Buchprojekt will sie hierher zurückkehren:
"Manche mögen ja so ein ganz steriles Zimmer, aber das ist gar nicht so spannend für mich, sondern halt so einen Ort zu haben, der selber auch eine Geschichte hat, dass man so das Gefühl hatte: Der ist so voll von Literatur, dass man auch davon angeregt wird, selber zu schreiben. Das sitzt so in den Wänden, hat man das Gefühl."
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