Die offene Gesellschaft als Antwort auf Sicherheitsstufe vier
Der Brüsseler Stadtteil Molenbeek ist nach den Anschlägen von Paris als Keimzelle für Terrorismus gebrandmarkt worden. Der Schriftsteller Stefan Hertmans hat einen völlig anderen Blick darauf: Brüssel sei das Labor für die Zukunft Europas.
Stefan Hertmans ist Flame, im vergangenen Jahr wurde er mit dem Roman "Der Himmel meines Großvater" international bekannt. Zurzeit ist Hertmans Gastautor am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der FU Berlin. Die deutsche Sprache lernte er auf unorthodoxe Weise: Er übersetzte Franz Kafka. Das sei anfangs sehr anstrengend gewesen, sagte er in unserer Sendung "Im Gespräch".
Weitere Themen des Interviews: der Konflikt zwischen Flamen und Wallonen, der katholische Glaube, seine kommunistische Zeit an der Universität, sein Großvater, der ihn inspiriert hat. Und natürlich Stefan Hertmans Heimatstadt Brüssel. Den Stadtteil Molenbeek kennt er gut.
Die Belgier haben das Terrorproblem unterschätzt
Molenbeek als Brutstätte islamistischen Terrors? "Das ist stark übertrieben", betont Hertmans. Die Belgier hätten das Problem aber unterschätzt. Die Terroristen hätten Brüssel als Ort gewählt, weil sie dort "unter dem Radar" der Sicherheitsbehörden hätten bleiben können. Auch die Frage der Integration habe man in Belgien vernachlässigt, sagte der Schriftsteller.
Brüssel sieht er dennoch nicht als gescheiterte Stadt. Ganz im Gegenteil: Es sei ein Labor für die Zukunft Europas: mit allen Problemen, dem Chaos, den Streitereien, armen Einwanderern, mit dem europäischen Parlament, der NATO, mit der Einwanderung der reichen Pariser: "Es gibt 176 Sprachengemeinschaften in Brüssel." Diese Stadt sei schon wie Babylon.
Seine Antwort auf Terror und Sicherheitsstufe vier: "Ganz gewöhnlich fortfahren mit was wir tun." Weitermachen mit der offenen Gesellschaft. Mit Kultur, Theater, Literatur. "Natürlich, ich liebe Brüssel, ganz klar", sagt Hertmans.