Die Erstausstrahlung war am 20.08.2020.
Mit Großtante Marion auf dem Sofa
33:57 Minuten
Friedrich Dönhoffs Krimis spielen in Hamburg, seine Sachbücher führen ihn um die halbe Welt. Mit seiner Großtante Marion Gräfin Dönhoff traf er sich regelmäßig zum „Kaminabend". Später schrieb er eine Biografie der früheren „Zeit“-Herausgeberin.
Die Verwandtschaft und enge Freundschaft mit Marion Gräfin Dönhoff hatte für Friedrich Dönhoff einen großen Vorteil, aber auch einen ganz entscheidenden Haken.
Große Teile seines Geschichts- und Politikstudiums fanden praktisch auf dem heimischen Sofa statt, die Dozentin war seine Großtante höchstpersönlich. Mit der Publizistin blätterte Friedrich Dönhoff regelmäßig durch Zeitungen und Politikmagazine, gemeinsam schauten sie die "Tagesschau". Danach wurde diskutiert.
Die Gräfin war zu nervös für das Kino
Sehr genau las sie auch seine Seminararbeiten. "Da saßen wir zusammen auf dem Sofa", erinnert er sich. "Füße auf dem Sofatisch, ein Blatt Papier vor uns, und sie ging mit dem Bleistift durch meinen Text, Wort für Wort."
Und der Haken? Viele Filme aus den 1990er-Jahren kennt Friedrich Dönhoff bis heute nur zu Hälfte. Warum?
Der Großneffe und die 60 Jahre ältere Großtante gingen regelmäßig ins Kino. Allerdings blieben sie meist nicht bis zum Ende. "Sie war irgendwie zu nervös, um das alles durchzugucken. Und sie stand dann vor dem Kino und sagte: 'Ich glaube, da passiert auch nichts mehr.' Ich habe mich dann daran gewöhnt."
Ein Kommissar zieht nicht um
Zehn Jahre nach ihrem Tod veröffentlichte Friedrich Dönhoff eine Biografie über die langjährige "Zeit"-Herausgeberin. Heute schreibt der 53-Jährige vor allem Krimis. Diese spielen in Hamburg, Hauptfigur ist Kommissar Sebastian Fink.
Diesen Kommissar hat er versucht, sich zu "bauen", wie Friedrich Dönhoff das bei allen Figuren machen würde. Aber "dann entwickeln sie sich anders als man das wollte und gedacht hat. Und ich habe das Gefühl, das ist ein bisschen so wie mit Kindern. Da möchte man auch, dass das eigene Kind sich so und so entwickelt. Teilweise macht es das, und teilweise nicht."
Kommissar Fink wird sich vielleicht in eine Richtung entwickeln, die sein geistiger Vater so nie geplant hatte. Klar ist wohl, dass der Ermittler Hamburg niemals verlassen wird, zum Beispiel nach München. "Man hört immer wieder von den Verlagen und Leuten, die sich da auskennen, dass das in der Regel nicht funktioniert. Man kann eine Figur, die der Leser mit einem bestimmten Ort verbindet, nicht so leicht woandershin versetzten. Das mögen die Leser nicht", so Dönhoff.
Ein frühes Gespür für Rassismus
Friedrich Dönhoff ist dagegen viel in der Welt herumgekommen. Für Recherchen zu seinen Büchern, natürlich auch mit Marion Gräfin Dönhoff, aber auch durch den Beruf seines Vaters. Der arbeitete im Tourismusbereich, so verbrachte Friedrich fast neun Jahre seiner Kindheit und Jugend in Kenia.
Der einzige Weiße zu sein, war für ihn völlig normal: "Das fiel mir nicht groß auf. Erst als wir dann nach Deutschland zogen, es umgekehrt war. Plötzlich waren alle weiß. Und wenn mal jemand auftauchte, der schwarz war, dann war damals noch eine gewisse Aufregung. Da habe ich mich über diese Aufregung gewundert. Das war eigentlich lehrreich: sehr früh zu begreifen, dass Menschen unterschiedlich sind."
Dadurch habe er auch "sehr früh das Gespür für Rassismus bekommen. Ich habe das immer schon überall gesehen, auch bei einem selbst". Gerade die Entwicklung in den USA verfolgt der Autor besonders interessiert: "Weil ich das Gefühl habe, wir haben da bald eine schwarze Frau als Präsidentin."
Bis Kamala Harris, die Vizepräsidentschaftskandidatin der Demokraten, tatsächlich im Weißen Haus übernimmt, wird es wohl noch ein wenig dauern. Bis dahin schreibt Friedrich Dönhoff an seinem fünften Krimi. Und das am ehemaligen Schreibtisch seiner Großtante Marion Gräfin Dönhoff. "Manchmal habe ich das Gefühl, dass da eine besondere Energie ist."
(ful)