Schriftsteller Geert Mak

"In meiner Familie herrschte angenehme Anarchie"

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Der niederländische Schriftsteller und Publizist Geert Mak
Schreiben vergleicht Geert Mak mit der Arbeit eines Tischlers: "Man muss sehr präzise sein." © Randomhouse / Fjodor C. Buis / fjodor.com
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Als Sohn eines Pfarrers kennt er die Macht des Wortes: Geert Mak verbindet wie kein anderer Sachbuchautor Weltläufigkeit und Heimatverbundenheit, versöhnt politischen Tiefgang mit Leichtigkeit im Stil. Europas Zukunft liegt ihm besonders am Herzen.
Schreiben, das vergleicht Geert Mak gern mit der Arbeit eines Tischlers. "Man muss sehr präzise sein. Das ist auch Erfahrung. Ich kann ganz stolz sein auf einen gewissen Satz. Oft bin ich auch stolz auf die Struktur des Buches. Das sieht niemand. Aber ich weiß, das ist gut."
Und der Autor, um im Bild zu bleiben, hat zuletzt viel gehobelt, gefeilt und gebohrt. Entstanden ist dabei sein neues Buch: "Große Erwartungen. Auf den Spuren des europäischen Traums. 1999-2019."

"Europa muss durch diese Kinderkrankheiten"

Vor 20 Jahren war der Niederländer schon einmal unterwegs, für sein erstes Europabuch. Natürlich stellt sich die Frage, wie Geert Mak den Kontinent nach dieser Zeit erlebt hat. Ein Bild hat er dafür gefunden. Europa sehe ein bisschen so aus, als stände man an einer Gracht in Amsterdam, die gerade leer gepumpt wurde. Es braucht wohl nur wenig Fantasie um sich reichlich Müll und üble Gerüche vorzustellen. Aber, das ist Geert Mak wichtig, so einen Säuberungsprozess brauche es, um die Kanäle sauber zu halten. Und auf Europa übertragen bedeute dies: "Das ist ein normaler Prozess. Die Amerikaner haben das auch mitgemacht. Ich glaube, Amerika war wirklich erst eine Union so nach 150 Jahren. Und wir müssen auch durch all diese Kinderkrankheiten."
Auf seiner Reise quer durch Europa hat Geert Mak die unterschiedlichsten Menschen getroffen. Manche, wie eine polnische Dissidentin, oder eine Familie aus Ostdeutschland, hatte er schon vor 20 Jahren kennengelernt. Trotz aller Krisen, seine Europareise hat Geert Mak auch Hoffnung gemacht. "Drei Viertel der europäischen Bürger wollen noch immer das europäische Projekt mitmachen. Wir leben wirklich zusammen. Wir arbeiten wirklich zusammen. Und jeder Bauer, jeder mit einem Geschäft kann das bestätigen. Was sich wirklich verändert hat, ist der Idealismus aus den 50er- und 60er-Jahren. Es ist heute mehr als ein Friedensprojekt, es ist jetzt ein Überlebensprojekt."

Geert Mak als Glöckner in Friesland

Geert Mak spricht häufig in Bildern, schlägt gern den historischen Bogen. Und wenn er an Friesland denkt, an die Kirchenglocke seines Heimatortes, dann ist der Vergleich mit Corona und der Pest im Mittelalter schnell gezogen. Natürlich muss dabei erwähnt werden, dass der 73-Jährige sich auch selbst als Glöckner betätigt. "Die Glocke ist von 1359. Und ich dachte: 'Du hast alles mitgemacht.' Und sie hat auch immer überlebt. 1359 war auch das Jahr der großen Pandemie in Florenz, Boccaccio hatte darüber in 'Decamerone' geschrieben. Ich war für einige Sekunden mit all diesen Zeiten und Leuten verbunden."

"Nach außen anständige Bürger"

Geert Mak wurde 1946 in einen Pfarrershaushalt geboren. Vor seiner Geburt lebte die Familie auf Indonesien. Nach der japanischen Besetzung, während des Zweiten Weltkriegs, wurden Eltern und Geschwister in ein Konzentrationslager gesperrt, erzählt der Autor. "Die Familie hat das überlebt. Ich bin in eine Familie geboren, die viel mitgemacht hat. Sie hatten alle Respekt vor Autoritäten verloren. Nach außen waren meine Eltern anständige Bürger, aufrecht, religiös. Aber hinter der Tür herrschte eine angenehme Anarchie. Das hat mir später sehr geholfen."
Die "angenehme Anarchie" führt zunächst jedoch in ein Studium der Rechtswissenschaften. Später arbeitete Geert Mak als Journalist, wurde Herausgeber einer Wochenzeitung. Nach zehn Jahren der nächste Schritt, weg vom Journalismus. "Ich hatte gelernt, was ich nicht mehr wollte."
Also schrieb er fortan vor allem Bücher, reiste dafür viel. Oft hat Geert Mak seine Frau mitgenommen. "Meine Frau sah andere Details. Da habe ich sehr viel von ihr gelernt. Ohne meine Frau hätte ich auch geschrieben, aber anders. Und ich wäre nicht so glücklich."
(ful)