Orban hat die Dimensionen der Syrien-Krise unterschätzt
Der ungarische Schriftsteller und Historiker György Dalos kritisiert die Flüchtlingspolitik der Regierung Viktor Orbans scharf und warnt: Trotz drastischer Maßnahmen sei die Kontrolle völlig verloren gegangen.
Ungarn ist in den vergangenen Wochen zum Brennpunkt der europäischen Flüchtlingskrise geworden, auch weil die Regierung Orban mit drastischen Maßnahmen gegen die Flüchtlinge vorgeht.
Trotzdem sei die Kontrolle völlig verloren gegangen, kritisiert der Schriftsteller György Dalos. "Die ungarische Regierung weiß seit Januar/Februar, dass der Flüchtlingsstrom losgegangen ist. Und obwohl einiges geschah, zum Beispiel eine völlig sinnlose Plakatkampagne in ungarischer Sprache gegen Flüchtlinge und dann der Bau dieses Zauns, praktisch waren die ungarischen Behörden – und sind es bis heute – völlig unvorbereitet."
Orban habe zudem unterschätzt, dass die Krise in Syrien derartige Dimensionen annehmen würde. "Da ist er leider nicht allein", sagte Dalos mit Blick auf andere europäische Politiker.
Orban denkt bereits jetzt an die Wahl 2018
Dalos vermutet bei Orban außerdem viel innenpolitisches Kalkül. "Er will schon jetzt die Wahlen von 2018 gewinnen, und sein Hauptgegner ist nicht die demokratische Opposition, sondern die rechtsradikale Jobbik."
Allerdings sieht er Orban unter großem Handlungsdruck, da Ungarn die Flüchtlinge eigentlich nur nach Serbien zurückschicken könne. Serbien könne und wolle jedoch nicht alle Flüchtlinge wieder aufnehmen.
György Dalos ist einer der renommiertesten Schriftsteller und Historiker Ungarns. Zu seinen bekanntesten Werken gehört "Der Vorhang geht auf" aus dem Jahr 2009. Darin beschreibt er den Untergang der kommunistischen Regime in den osteuropäischen Staaten. Dalos äußert sich regelmäßig auch zu tagespolitischen Themen. So kritisierte er 2011 das umstrittene Mediengesetz von Regierungschef Viktor Orbán.