"Pegida-Demonstrationen stehen für Entpolitisierung"
Schriftsteller Ingo Schulze hat sich am Montagabend von der Pegida-Demonstration in seiner Geburtsstadt Dresden einen eigenen Eindruck verschafft. Im Prinzip wisse er gar nicht, "worum es denen geht", stellte er am Ende fest.
"Ich wollte es mit eigenen Augen sehen, weil man dann ja doch etwas besser differenzieren kann", sagte Ingo Schulze. Ihm sei schon vorher klar gewesen, dass dies keine Demonstration sein würde, an der er sich beteiligen wollte. "Aber mir waren doch einige Einschätzungen zu einfach."
Fehlender Sprachwitz auf Pegida-Plakaten
Schulze begrüßte, dass so viele Leute auf die Straße gingen und ihrem Willen Ausdruck gäben. Dennoch habe er die Pegida-Demonstration als "Entpolitisierung" empfunden, da in deren Erklärung von sozialen und ökonomischen Begriffen nicht die Rede sei. Es scheine eine große Hilflosigkeit zu geben. Ihn habe erstaunt, dass dort von "Volk" die Rede gewesen sei, nicht aber von "Gesellschaft."
Als einige Jugendliche sich dem Demonstrationszug entgegensetzen und die Teilnehmer an ihnen vorbeigingen, habe er beobachtet, dass sich einige Aggressionen Bahn brachen und es zu extremen Beschimpfungen kam. Auffallend fand der Autor, dass die Pegida-Plakate wenig Einfallsreichtum oder Witz zeigten. "Da gib es keine Sprachspiele, nicht, was sich wirklich einprägen würde." Die Gegendemonstration seien ihm viel humorvoller und freier erschienen. Er würde es begrüßen, wenn die Gegenproteste sich nicht nur gegen Pegida richteten, sondern soziale und politische Forderungen aufgriffen.
Frust der Menschen ernst nehmen
Der Autor sagte, er teile ein gewisses Unbehagen gegenüber der sozialen Polarisierung der Gesellschaft, habe aber Zweifel an der Weise, wie es sich bei Pegida ausdrücke. "Man muss den Frust der Menschen, glaube ich, wirklich ernst nehmen, aber muss sich schon klar distanzieren, wenn da von Überfremdung und solchen Dingen gesprochen wird." Es sei aber wichtig, die Themen in der Gesellschaft offen zu diskutieren und nicht unter den Teppich zu kehren - auch in der Ausländerpolitik. "Unser Volk wird überfremdet", sei der Grundton der Pegida-Demonstration gewesen, sagte Schulze. "Im Prinzip weiß ich aber gar nicht, worum es denen geht."
Dresden als Sammelpunkt
Der Schriftsteller nannte Dresden einen "Sammelpunkt" der Bewegung. "Das liegt einerseits an dem Konservatismus von Dresden", sagte er und verwies darauf, dass die Ost-CDU dort immer gerne ihre Parteitage abgehalten habe und lange die Mehrheit gehabt habe. Es gebe außerdem das weite Hinterland von Dresden, das noch konservativer sei als die sächsische Hauptstadt.