Schriftsteller J.R.R. Tolkien

"Ich hatte keine Ahnung, was ein Hobbit war"

Der britische Schriftsteller J. R. R. Tolkien (undatierte Aufnahme).
Der britische Schriftsteller J. R. R. Tolkien (undatierte Aufnahme). © picture alliance / dpa / epa afp
Von Simonetta Dibbern |
Bei den Fans von Fantasy-Geschichten genießt der britische Sprachmagier J.R.R. Tolkien Kultstatus. Der Professor für altenglische Philologie in Oxford schrieb mit "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe" weltweite Bestseller. Vor 125 Jahren wurde er geboren.
"In a hole in the ground there lived a hobbit.”
Ein Satz, von einem Altphilologen aus Langeweile hingekritzelt, beim Korrigieren einer Klausur: In einer Höhle in der Erde lebte ein Hobbit.
"Ich hatte keine Ahnung, was ein Hobbit war. Allenfalls vielleicht hatte ich das Gefühl, dass es irgendetwas Kleines war. Jedenfalls hatte ich das Wort nie zuvor gehört oder gebraucht. Dann sagte ich mir, das ist der Anfang eines guten Buches für meine Kinder."
Oxford, zu Beginn der 1930er Jahre. Die Kinder sind zwischen vier und 14, der Vater an die 40 und Professor für Altenglische Sprache und Literatur: John Ronald Reuel Tolkien.
"Die Universitätsbehörden könnten ja wohl eine Verwirrung darin sehen, wenn ein älterer Philologie-Professor Märchen und Abenteuergeschichten schreibt und veröffentlicht und es als Hobby bezeichnet. Aber es ist kein Hobby. Für mich ist es jedenfalls weitgehend ein Versuch über Sprachästhetik, wie ich manchmal zu Leuten sage, die mich fragen, um was es geht."
Und es fragen viele, einige Jahrzehnte später, als er ein erfolgreicher Autor ist von Geschichten und Erzählungen: "Der kleine Hobbit", das "Legendarium", das Epos "Simarillion" und natürlich "Der Herr der Ringe". Tolkien beantwortet jeden Leserbrief ausführlich:
"Ich hatte das schon immer: Die Empfindlichkeit für Sprachgefüge, die mich emotional beeindrucken wie Farbe oder Musik; und das tiefe Ansprechen auf Sagen, die, wie ich es nennen würde, das Temperament und die Temperatur des Nordwestens haben."

Ein Erfinder fantastischer Wörter

Dass er am 3. Januar 1892 im südafrikanischen Bloemfontain geboren wird, ist dem Job seines Vaters zu verdanken. Doch schon drei Jahre später zieht die Mutter mit den Kindern zurück nach England, hier wächst Tolkien auf, in dem Örtchen Sarehole bei Birmingham. Fasziniert schaut der Junge den Zügen Richtung Wales nach, die magische walisische Ortsnamen tragen: Senghenydd. Nantyglo. Caerphilly.
Und beginnt bald, selbst solche fantastischen Wörter zu erfinden. In der Schule sind es die alten englischen Sprachen, die ihn fesseln, mit 13 liest er alt- und mittelenglische Texte am liebsten im Original. Er lernt Finnisch und Walisisch, probiert sich im Gotischen und erfindet Kunstsprachen, in denen er sich mit Freunden unterhalten kann: Animalic, Nevbosh oder Naffarin.
"Sagen wir, man sucht ein Wort für Himmel. Nun, man kann Jibbberjabber oder sonstwie dazu sagen, wie es einem in den Sinn kommt. Aber das ist Code-Bildung, keine Sprachschöpfung. Etwas ganz anderes ist es, eine Beziehung, Sprache plus Sinn, zu finden, die einen zufriedenstellt und die danach von Dauer ist."
Es ist die Linguistik, die ihn fasziniert. Als Kind und später als Lehrer, Forscher, Fabulierer. Er bekommt eine Stelle beim Oxford English Dictionary und schließlich den Lehrstuhl für Angelsächsisch an der Oxford University. Neben dem Studium alter, vor allem nordischer, Sprachen und Legenden, kreiert er seine eigenen Sprachwelten. Elbisch etwa - ein Oberbegriff für so unterschiedliche Sprachen und Dialekte wie Quenya und Sindarin, die in Tolkiens fiktiver Fantasiewelt Mittelerde gesprochen werden:
"Ai! laurië lantar lassi súrinen
yéni únótimë ve rámar aldaron!
Yéni ve lintë yuldar avánier
mi oromardi lissë-miruvóreva
Andúnë pella, Vardo tellumar
nu luini yassen tintilar i eleni
ómarya airetári-lírinen."

Schreiben von "Herr der Ringe" dauerte zwölf Jahre

"Der Herr der Ringe" wird Tolkiens berühmtestes Werk. Eine Abenteuergeschichte um einen Zauberring, in der die Guten in Gestalt von Trollen, Zwergen und Zauberern gegen die bösen Mächte kämpfen und sie schließlich besiegen, als sie den Ring zurückerobert und vernichtet haben.
"Niemand glaubt mir, wenn ich sage, dass mein langes Buch ein Versuch ist, eine Welt zu schaffen, in der meine Form der Sprache real wirken könnte."
Der britische Schauspieler Christopher Lee verkörperte in dem 2001 veröffentlichten Fantasy-Kinoabenteuer "Der Herr der Ringe - Die Gefährten" den finsteren Zauberer Saruman (Szenenfoto).
Der britische Schauspieler Christopher Lee verkörperte in dem 2001 veröffentlichten Fantasy-Kinofilm "Der Herr der Ringe - Die Gefährten" den finsteren Zauberer Saruman.© picture alliance / dpa / Enterpress NLC
Es ist aber weniger die Sprache als die märchenhafte Geschichte, die weltweit die Menschen fasziniert. Zwölf Jahre lang hat J.R.R. Tolkien an diesem einzigen Roman geschrieben, erstmals gedruckt erschienen die weit über 1000 Seiten 1954 – nacheinander in drei Bänden, um die Leser nicht zu überfordern.
Die erste Erfolgswelle hat Tolkien noch miterlebt, bevor er 1973 starb. Den großen Tolkien-Rausch dann nicht mehr: "Der Herr der Ringe" wurde mehr als 150 Millionen Mal verkauft, die Geschehnisse in Mittelerde haben Spielzeughersteller, Heavy-Metal-Bands und Regisseure inspiriert und reich gemacht. Und waren die Geburtsstunde eines neuen Genres: der Fantasy-Literatur. Sprachkenntnisse in Elbisch jedoch blieben Spezialisten vorbehalten.
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