Ein Meister der Atmosphäre
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Juan Marsé wurde oft als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt, nun ist er im Alter von 87 Jahren gestorben. Eine besondere Beobachtungsgabe und hohes Sprachbewusstsein zeichneten den Katalanen aus, sagt der Romanist Albrecht Buschmann.
Am 18. Juli ist der Schriftsteller Juan Marsé im Alter von 87 Jahren gestorben. Der Katalane war eine "Schlüsselfigur der spanischen Literatur", wie Ministerpräsident Pedro Sánchez twitterte. "Ein Mann fester Überzeugungen", der schon zu Francos Zeiten schrieb und nach dem Krieg große Erfolge als Romancier feierte. Immer wieder wurde Marsé als Außenseiterkandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt. Viele seiner Werke wurden auch verfilmt: "Letzte Tage mit Teresa" zum Beispiel, das Buch, mit dem er 1965 groß rauskam.
Obwohl er sich nie parteipolitisch habe vereinnahmen lassen, sei Marsé "immer ein politischer Autor" gewesen, "weil er von unten geschrieben hat", sagt der Romanist und Marsé-Kenner Albrecht Buschmann. Der Katalane stehe in der Tradition der Pícaro-Romane, der spanischen Schelmenromane.
In seinen Werken gehe es meistens um die kleinen Leute, "die sich irgendwie durchschlagen – mit Witz, mit Humor, mit Gewalt aber auch, und die versuchen zu überleben oder gar nach oben zu kommen" und ein Stückchen vom Kuchen abzubekommen. "Auf diesem Weg reiben die sich immer an denen da oben und das ist natürlich auch ein politisches Thema", sagt Buschmann.
Witz und Wille, Charme und Chuzpe
Marsés Stärke sei das Schaffen von Atmosphäre gewesen, erklärt der Literaturwissenschaftler. "Dafür wird er von allen gepriesen, dass er das wie kaum ein anderer konnte in den 60er- bis 90er-Jahren."
Buschmann erklärt sich das vor allem mit Marsés Biografie: Mit 13 sei das Waisenkind ohne Abschluss von der Schule abgegangen und habe dann eine harte Ausbildung als Goldschmied absolviert. Seine Beobachtungsgabe und präzise Arbeitsweise habe er hier gelernt, so Buschmann. Außerdem habe Marsé sich die Welt über Sprache aneignen wollen, woraus sein hohes Sprachbewusstsein resultiere.
Das Lesen seiner Werke lohne sich auch heute noch, sagt Buschmann. Diese Mischung aus Witz und Wille, aus Charme und Chuzpe bei seinen Figuren und die sprachliche Umsetzung dieses Wegs nach oben komme bei jungen Leserinnen und Lesern sehr gut an – und das, obwohl so ein Roman wie "Letzte Tage mit Teresa" bald 60 Jahre alt werde, sagt Buschmann.
(ckr)