Schriftsteller Jürgen Teipel

Aufs Tier gekommen

Der Schriftsteller Jürgen Teipel
"Ich als Mensch bin eigentlich auch nur ein Tier", sagt Jürgen Teipel. Sein Buch ist durchwirkt vom Respekt Tieren gegenüber © Jakob Feigl
Von Georg Gruber |
Kühe im Kuh-Altersheim, ein Ozelot als Haustier, ein Glattwalbaby, das mit einem Tierfilmer spielt: Jürgen Teipel erzählt in seinem neuen Buch "Unsere unbekannte Familie" vom besonderen Verhältnis zwischen Mensch und Tier.
"Ich freu' mich und meine Freundin freut sich auch immer, wenn sie da ist."
Jürgen Teipel hat selbst keine Tiere, dafür kommt täglich die Nachbarskatze Sissi zu Besuch.
"Sie kann ja nicht selber hier herkommen, wir müssen sie also entweder abholen oder wie meistens, wie heute auch, meine Freundin ist zur Arbeit gegangen und sie ist - husch - rein."
Die Katze will dabei sein. Passt, es geht ja schließlich um Tiere. Um Geschichten, die Jürgen Teipel gesammelt hat für sein Buch: "Unsere unbekannte Familie". Es kommen vor: Elefanten, die sich um einen sterbenden Artgenossen sorgen, ein Berglöwe, Kühe im Kuh-Altersheim, ein Ozelot als Haustier, ein Glattwalbaby, das mit einem Tierfilmer spielt, Hunde, Schafe, Katzen und eine Amsel.
Der Schriftsteller Jürgen Teipel (hier mit Nachbarskatze Sissi)
Der Schriftsteller Jürgen Teipel (hier mit Nachbarskatze Sissi)© Deutschlandradio / Georg Gruber
Jede Geschichte steht für sich, ohne verbindende Rahmenhandlung, erzählt von ganz unterschiedlichen Menschen, von einer Reittherapeutin etwa oder einer Schreibwarenladenbesitzerin. Jürgen Teipel hat sie besucht, ihnen zugehört und die Essenz ihrer Geschichten aufgeschrieben.
"Es ist noch mal was ganz anderes, mit den Leuten auf die Kuhweide zu gehen, als das nur am Telefon zu hören."

Gespräche führen, zuhören, dokumentieren - auf diese Weise entstand auch schon "Verschwende Deine Jugend", sein Buch über die deutsche Punkszene. Das war vor Jahren.
"Für mich war Punk, um das noch mal auf den Punkt zu bringen, ganz wichtig, um überhaupt mal in die Nähe von einer persönlichen Kreativität, von Ausleben persönlicher Kreativität zu kommen."
Punk ist eng mit seiner Biografie verbunden: Immerhin war er der erste in Regensburg - und lange der einzige.
"Ich habe dann halt angefangen zu schreiben, und vorher dachte ich - wie viele Punks auch - ich kann nichts, ich bin eigentlich zu blöd, ich bin unkreativ, ich kann nicht mal ein Instrument spielen, ich kann eigentlich nur in den öffentlichen Dienst gehen, damit ich da behütet bis ans Ende meiner Tage kafkaesk irgendwo sitze.
Und hab dann durch Punk gemerkt: Oh, da geht total viel, also bei mir war das eine richtige Explosion, ich habe auf einmal meine Klamotten selber gemacht, ich hab' meine Geschichten, die ich lesen wollte, selber geschrieben, ich hab meine eigene kleine Punk-Zeitschrift gemacht und bin rumgefahren, hab die interessantesten Leute getroffen, die interessantesten Frauen auch, ja, war ganz ganz wichtig."

Punk-Buch als "Bürde"

Vor seinem Punk-Buch, das 2001 erschien, hatte er als Journalist gearbeitet. Das Buch wurde ein unerwarteter Erfolg - und für ihn eine große Bürde.

"Ja, das war eine totale Bürde, ich wusste es von vornherein, dass ich nicht so der Punkpapst werden will und war es dann für dermaßen viele Leute so schnell, dass ich da gar nicht mehr gegensteuern konnte und teilweise auch gar nicht mehr wollte, weil ich es selber gar nicht so realisiert habe. Es hat mich weggefegt und teilweise sind da auch sehr gute Sachen entstanden und teilweise habe ich mich erst Jahre später wieder gefunden, als ob mich da so ein Strudel wieder ausgespuckt hätte, und ich: Was war denn das jetzt? Jetzt wäre ich da fast ertrunken."
Er hatte Schwierigkeiten, danach mit anderen Themen wahrgenommen zu werden. Nach dem Motto: Darf der Punkpapst etwas über Techno schreiben? Oder über Tiere? Heute sieht der 56-Jährige nicht mehr aus wie ein Punk, sondern eher wie ein tibetischer Mönch, schlank mit raspelkurzen Haaren. Seine Platten hat er alle weggegeben.
"Für mich ging es eher in Richtung Selbsterkenntnis und deswegen auch Meditation, Psychologie, Yoga auch, ganz viel mit Körper."
Die Idee, Tiere in den Mittelpunkt zu stellen, kam ihm schon vor Jahren in München, wo er regelmäßig ein Meditationszentrum besuchte.

"Es ist ja doch nur ein Tier"

"Damals hatte ich dann zuerst die Idee so ein Tiergeschichtenbuch von spirituellen Lehrern zu machen, das war so meine Ur-Idee. Und dann habe ich gemerkt, wieso soll ich das eigentlich beschränken und bin dann so auf die Suche gegangen und musste gar nicht lang suchen, meine beste Freundin hat mir dann zum Beispiel gesagt, hey, mein Lieblingsmaler, Du wirst nicht drauf kommen, wer der ist zurzeit? Ich hab dann so ein paar übliche Namen geraten und sie meint, nee, ein Orang-Utan. Und der Orang-Utan ist jetzt im Buch drin."
Im Kern geht es in Teipels Geschichten meist um die besondere Verbindung zwischen Mensch und Tier, um Freundschaft, Mitgefühl und ganz schlicht die Achtung vor allen Lebewesen auf diesem Planeten.
"Ohne diesen Vorbehalt: Es ist ja doch nur ein Tier. Also ich relativier da eher mich selber, in dem ich sage: Ich als Mensch bin eigentlich auch nur ein Tier und wieso soll ich das Tier dann nicht ernst nehmen."
Jürgen Teipel, der Sammler, hat bereits Geschichten für eine Fortsetzung. Und er arbeitet an einem neuen Stoff, an einer Selbsterkundung auf den Spuren C. G. Jungs. Ausgehend von den eigenen Träumen:
"Es ist unbewusstes Schreiben, das einfach so aus mir rausfließt, das ist gerade etwas interessantes, so entdecken, in irgendwelchen unbewussten Schubladen in meinem Geist, die dann plötzlich aufgehen und ich denke: was ist das, wo kommt das her, wo führt mich das hin."
Irgendwann wird das dann hoffentlich zu lesen sein: Geschichten aus dem unbekannten Inneren.

Jürgen Teipel, Unsere unbekannte Familie. Wahre Geschichten von Tieren und Menschen
Suhrkamp-Verlag 2018
286 Seiten; 18,00 Euro

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