Schönes und schmerzhaftes Leben in der Schreib-Manufaktur
Ist es Last oder Lust, wenn bei einem Paar beide Schriftsteller sind? Monika Helfer und Michael Köhlmeier leben und schreiben unter einem Dach und können es sich nicht anders vorstellen. Sie sind gegenseitig die ersten Leser - was manchmal auch schmerzhaft ist.
Sie liebt Anton Tschechow, er Bob Dylan. "Es ist der Künstler, der mir am meisten Freude bereitet hat in meinem Leben. Viele Songs halte ich für so große Lyrik, dass man ohne rot zu werden sagen kann: Ja. Bob Dylan hat den Literaturnobelpreis verdient", sagt der Schriftsteller Michael Köhlmeier, der Romane wie "Abendland" oder "Die Abenteuer des Joel Spazierer" schrieb und auch Lyrik verfasste.
Seit 37 Jahren leben er und seine Frau Monika Helfer, ebenfalls Autorin von Romanen, Erzählungen und Kinderbüchern, im österreichischen Vorarlberg. Dort wurden beide geboren und zogen selbst vier Kinder groß. "Sie ist die schönste Frau, die mir in meinem Leben begegnet ist", sagt Michael Köhlmeier. "Wenn die Monika lächelt, durchzuckt es mich noch immer." Ihretwegen kehrte er seinerzeit aus Deutschland nach Vorarlberg zurück. Dort leben sie in Michael Köhlmeiers Elternhaus in Hohenems.
Tod der Tochter verarbeiten
Hohenems ist auch ein Schicksalsort für das Schriftstellerpaar. Vor 15 Jahren verunglückte dort ihre Tochter Paula bei einer Wanderung tödlich. "Wir denken ständig an die Paula", sagte Monika Helfer. Die Eltern versuchten, den Tod der 21-Jährigen, die selbst literarisches Talent hatte, in ihrem Schreiben zu verarbeiten. "Sie war so allgegenwärtig, es ließ sich nicht verhindern. Ich wollte auch nicht, dass es sich verhindern lässt", so Michael Köhlmeier. "Das Schreiben nimmt einem den Schmerz nicht ab. Aber der Schmerz wird so etwas wie ein dunkler Freund."
Rivalität, Freundschaft oder Bewunderung – wenn zwei Schriftsteller zusammenleben, ist das oft spannungsreich. George Sand beispielsweise betrog ihren Geliebten Alfred de Musset auf einer gemeinsamen Italienreise: Er erkrankte, sie bändelte mit seinem Arzt an.
Der schärfste Kritiker des jeweils anderen
Undenkbar für Michael Köhlmeier und Monika Helfer. Die beiden können sich nichts Schöneres vorstellen, als zusammen zu leben und zu arbeiten. In ihrer "Schreib-Manufaktur", wie Michael Köhlmeier ihr gemeinsames Arbeiten nennt, reden sie über Literatur und die eigenen Texte. Jeder ist der erste Leser des anderen - und auch der schärfste Kritiker. "Ja, er kann schon manchmal heftig sein", findet Monika Helfer. "Ich denke, oh, das ist doch so gut und wieso muss ich das ändern. Wenn ich dann überlege, denke ich, er hat vielleicht doch recht. Aber ich kann schon gekränkt sein."
Zwei Bücher - ein Kinder- und Jugendbuch über ein jüdisches Mädchen sowie eine Sammlung menschlicher Charakterstudien - schrieb das Paar auch gemeinsam. "Ich war sozusagen das Gerüst, und Michael ist dann mit großer Geste noch einmal darüber gegangen und hat so richtig Fleisch dazu gegeben. Er ist ja wirklich ein Meister der epischen Form", so Monika Helfer und weist auf das neue Buch ihres Mannes hin, das in wenigen Wochen erscheinen wird: "Bruder und Schwester Lenobel". "Es ist so intensiv über Beziehungen zwischen Frauen geschrieben, das finde ich unglaublich interessant. Er hat die Gabe, in die Personen hineinzukriechen und man glaubt ihm, was er erzählt."