Schriftsteller Ralf Rothmann

"Der Maulwurf ist mein Wappentier"

Der Schriftsteller Ralf Rothmann
Der Schriftsteller Ralf Rothmann © Deutschlandradio / Manfred Hilling
Moderation: Klaus Pokatzky |
Als er mit seinem Roman "Im Frühling sterben" für den Deutschen Buchpreis nominiert werden sollte, lehnte Ralf Rothmann ab. Er wolle nicht Teil der Marketingmaschine Literaturbetrieb werden. Einen Bestseller landete er trotzdem.
Ralf Rothmann ist vor allem bekannt für seine Romane aus dem Ruhrpott. Dort wuchs er in einer Zechensiedlung auf. Obwohl er und sein Bruder von der Mutter nicht gerade zimperlich erzogen und häufig verprügelt wurden, erinnert er seine Kindheit als glücklich.
"Wir hatten alle Freiheiten damals in diesen Zechensiedlungen. Es war so, die Pädagogik bestand darin, dass die Eltern sagten, wenn die Glocken läuten - es war eine streng katholische Gegend - zwölf Uhr, wenn die Glocken läuten, kommst du zum Mittagessen nach Hause. Wenn die Laternen angehen, kommst Du zum Abendessen und zum Schlafen gehen nach Hause. Der Rest der Zeit war, sofern keine Schule war, absolut frei und jeder konnte machen was er wollte und das war natürlich göttlich für ein Kind."

Berlin war prägend für Rothmann

Mit 14 Jahren machte er eine Maurerlehre und erprobte sich später in vielen anderen Berufen, bevor er Schriftsteller wurde. Schon als Kind hatte er viel gelesen und früh seine Faszination für Sprache entdeckt.
Als er mit Anfang 20 nach Berlin zog, begegnete er zum ersten Mal Autoren, die ihm zum Vorbild wurden. Für seine Romane bietet ihm sein Leben einen unerschöpflichen Fundus. Und auch wenn sein Elternhaus keineswegs akademisch war, so haben Mutter und Vater seine Leselust unterstützt und sein Schreiben auf ihre Weise geprägt.

Freiheitswille von der Mutter geerbt

Über seine Mutter sagte er "Im Gespräch".
"Dieser unbändige Freiheitswille den sie hatte den habe ich ganz sicher geerbt und vor allen Dingen dieses Gefühl für Rhythmus, für Musik. Meine Mutter hat immer nur gepfiffen, gesungen und ist sogar während der Hausarbeit mit Stöckelschuhen in der Wohnung rumgelaufen. Sie war eine Rhythmusnatur. Und das hat sich mir bis hin in mein sprachliches Empfinden hinein vererbt, denke ich."

"Er ließ keine Nähe zu"

Seinen Vater wiederum, der als Bergmann sehr harte Arbeit unter Tage verrichtete, habe er als sehr schweigsam erlebt.
"Mein Vater hatte eben aus diesen Kriegsjahren eine unglaubliche Melancholie mitgebracht – nehme ich mal an, ich habe ihn vorher nicht gekannt – und diese Melancholie die hat bei mir oftmals so regelrechte Mitleidsanfälle erzeugt. Ich wollte mich immer an ihn schmiegen und wollte ihn trösten. Ich wusste nicht wofür. Vielleicht nur für sein trauriges Gesicht aber er ließ das nicht zu. Er ließ keine Nähe zu."
Wenn der Vater nach getaner Arbeit nach Hause kam, zog er sich gerne mit Jerry Cotton-Heften zurück, die bei Ralf Rothmann nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.

Wunderbare Sprache

"Aber was interessant war für ein Kind: Auf der letzten Seite dieser Jerry Cotton Hefte gab es immer so winzige Anzeigen die warben für ganz obskure Dinge, zum Beispiel spanische Fliege gegen sexuelle Ermattung. Oder Röntgenbrille, mit der man angeblich durch die Kleider der Frauen sehen konnte. Und da wurde auch geworben – ich erinnere mich deutlich – für ein Schlankheitsmittel, das Wunder vollbringen sollte. Die warben mit einem Spruch, den ich heute noch genial fand: "Das ist das Schicksal aller Dicken, sie fallen um beim Blumen pflücken". Und als ich das las, war ich so verzaubert, dass ich dachte, wenn man so was wunderbares mit Sprache machen kann, dann will ich irgendwie schreiben."

Der Maulwurf

Ralf Rothmann, der nach vielen Jahren in Berlin-Kreuzberg längst in einem der Randbezirke Berlins wohnt, lebt heute eher zurück gezogen.
"Ich habe eine seltsame Vorliebe für Maulwürfe. Also die Tiere, die sich vergraben und ich habe mal in Brehms Tierleben den ersten Satz überhaupt, wenn man Maulwurf aufschlägt steht da "unversöhnlicher Einzelgänger". Ich dachte, das trifft doch. Der Maulwurf ist mein Wappentier."
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