Schriftsteller: Schwarzenberg ist "ein großer Europäer"
Der tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudis tendiert bei der Präsidentenwahl in Tschechien zum derzeitigen Außenminister Karel Schwarzenberg. Dieser sei "ein großer Europäer" und habe als einziger der neun Kandidaten Sinn für Selbstironie.
Susanne Führer: Heute beginnt in Tschechien der erste Wahlgang zur ersten direkten Präsidentschaftswahl. Neun Kandidaten sind angetreten, das Spektrum ist breit - nicht nur politisch, auch optisch, schließlich findet sich auch ein Ganzkörpertätowierter unter den Kandidaten, genau so wie der stets tadellos gekleidete Außenminister Karel Schwarzenberg.
Im Studio ist nun der tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudis, in Deutschland bekannt geworden mit seinen Romanen wie "Der Himmel unter Berlin" oder auch "Grand Hotel". Herzlich willkommen, Herr Rubis!
Jaroslav Rudis: Guten Morgen!
Führer: Ja, die Tschechen mögen sich zwar uneins sein, wer der nächste Präsident wird, aber in einem scheint mir, wenn ich so die Medienberichterstattung verfolge, sind sich alle einig: Es ist gut, dass Václav Klaus geht. In Europa hat er sich ja nun vor allen Dingen als EU-Gegner einen Namen gemacht, das hat er schon, muss man sagen. Warum? Was stört denn die Tschechen an ihm?
Rudis: Tja, das sind vielleicht schon eine Menge Sachen. Václav Havel hat sich mit einem Theaterstück verabschiedet, "Odcházení - der Abgang". Und eigentlich auch, Václav Klaus wurde mit einem Theaterstück verabschiedet, das nicht er selber geschrieben hat, aber vielleicht doch irgendwie mitgeschrieben hat, von einem (…) Theaterfeste. Das Stück heißt "Beerdigung – (…)", und da wird wirklich so eine Beerdigung von Václav Klaus inszeniert, und das war ein unglaublich großer Skandal letztes Jahr in Tschechien, dieses kleine Theater versus die Prager Burg versus Václav Klaus und seine Anhänger. Und natürlich, Václav Klaus ist – insgesamt kommt mir diese ganze Wahl, diese alle Kandidaten wirklich wie ein Theaterstück vor, das sind neun sehr unterschiedliche Kandidaten, und dieser Václav Klaus, der nach zehn Jahren jetzt seinen Abgang nimmt. Und er hat sich zum Beispiel wirklich das Letzte, was wirklich viele Tschechen empört hat, war einfach diese Amnestie, die nicht nur irgendwelche kleinen Diebe begnadigt hat, aber auch viele richtig korrupte, nicht nur ...
Führer: ... große Wirtschaftskriminelle ...
Rudis: ... Wirtschaftskriminelle, genau. Und eigentlich hat er so seine Ära so ein bisschen begnadigt. Dann natürlich - ich fand eigentlich, er ist überhaupt nicht ... er ist sehr humorlos, aber trotzdem hat er für viele Witze auch ...
Führer: ... gesorgt - Unfreiwillige aber.
Rudis: Genau, sehr unfreiwillige Witze, so mit der Erderwärmung, und dann auch mit seiner antieuropäischen Politik – also man kann sich wirklich Tschechien nicht wie eine Festung vorstellen, es geht ja nicht ohne Europa. Also es kann nur lustig sein, wenn ein wirklich tschechischer Politiker sagt, wir wollen nicht mitmachen, wir wollen alleine hier stehen, also auf einer kleinen Insel, auf einer kleinen Festung namens Prager Burg.
Führer: Gibt es denn jetzt so etwas wie eine Aufbruchstimmung in Tschechien, jetzt, wo der Klaus geht? Ich meine, Sie haben gerade gesagt, das ist alles so ein bisschen wie ein Theaterstück, das klingt nicht so.
Rudis: Ja, also auf jeden Fall sind alle jetzt gespannt, wie das jetzt ausgeht. Hier haben sich viele – ich war auch da drunter – sehr gewünscht, dass man, dass wir selber Wähler den tschechischen Präsidenten wählen dürfen. Bis jetzt war das so, dass das die Parteien, da mussten sich Parteien einstimmen, und das war ab und zu wirklich mit vielen Skandalen auch verbunden.
Aber offenbar ist das jetzt auch für uns nicht so leicht, sich richtig zu entscheiden, und hinter vielen dieser Kandidaten wissen wir auch nicht so richtig, wer dahinter steckt, wer die eigentlich unterstützt. Das ist zum Beispiel der Fall von Miloš Zeman, der wirklich sehr hohe Chancen jetzt hat, ein Präsident von Tschechien jetzt zu sein.
Führer: Miloš Zeman ist, also war mal ein Premierminister, war mal Sozialdemokrat und hat jetzt die meisten in den Umfragen, ich glaube, 25 Prozent ungefähr, danach kommt dann Jan Fischer, parteilos, der war auch mal Premierminister – das sind sozusagen die Bekanntesten, die vielleicht auch Erfahrensten. Würde sich denn etwas ändern in Tschechien, wenn es jetzt einer von den beiden werden würde?
Rudis: Das wäre natürlich spannend, wenn das wirklich der Miloš Zeman sein sollte, oder Miloš Zeman wäre, weil Miloš Zeman und Václav Klaus, die waren zwar politisch Feinde, also der Konservative Václav Klaus versus der Sozialdemokrat, der Miloš Zeman, aber die haben sich wirklich in den späten Neunzigern richtig geeinigt, und die haben sich wirklich das Land auch geteilt. Wir nennen das in Tschechien (…), der Oppositionsvertrag, 1989. Und da haben sich diese beiden Politiker wirklich das Land geteilt und die Geschäfte geteilt, und viele sagen, das ist der Anfang von vielen dieser Korruptionsskandale von der tschechischen Gegenwart.
Und übrigens, es ist dann auch kein Zufall, dass vielleicht Václav Klaus jetzt auch sagt, für ihn ist der Miloš Zeman der einzige mögliche politische Kandidat für das Amt des tschechischen Präsidenten. Dann leider würde sich wahrscheinlich nicht so viel ändern. Also ich meine, in jeder tschechischen Kneipe, wenn Sie reingehen, an dem Tisch von den Stammgästen gibt es immer eine Figur, der reißt die Witze, das ist dieser Witzbold.
Und das ist in diesem Fall vielleicht so ein bisschen der Miloš Zeman, der erzählt ständig irgendwelche Bonmots, Witze, ist sehr unterhaltsam, irgendwie auch sehr charismatisch, aber trotzdem steckt nicht so viel dahinter. Er ist einfach auch ein großer Populist und sucht einfach nur wirklich sehr oft nur die sehr einfachen Lösungen und Wahrheiten. Also da würde sich wahrscheinlich so viel nicht ändern. Interessant ist, Jan Fischer, das ist wirklich ein ...
Führer: Der ist ja nun das ganze Gegenbeispiel, er ist Technokrat, blass ...
Rudis: Ein absolutes Gegenbeispiel ... ja aber zugleich wirklich einer von den langweiligsten Politikern, die man sich vorstellen kann ...
Führer: ... Statistiker ...
Rudis: ... Statistiker, Ökonome, sehr zurückhaltend, uncharismatisch – mir kommt er wie eine Figur vom "Schloss" von Franz Kafka, eine von diesen vielen Kastellanen oder Unkastellanen, der absolut austauschbar auch ist.
Aber natürlich, was gut an ihm ist, also der ist kein Populist und er ist ein Europäer. Also da sind wir mit Miloš Zeman, da bin ich mir nicht so sicher, nicht so ganz sicher, wie das ...
Führer: Ob er Europäer ist, meinen Sie?
Rudis: ... wohin das auch führen sollte. Da kann man sich nur was erhoffen. Was natürlich viele sagen zu Herrn Fischer, ja, der kann das nicht sein, weil er einfach in der Kommunistischen Partei war. Miloš Zeman übrigens auch, der wurde aber letztendlich aus der Partei rausgeschmissen, 1970. Jan Fischer ist da erst nach dem Prager Frühling eingetreten. Das ist schon, in Tschechien nennt man das auch so einen Unterschied.
Führer: Über die tschechische Präsidentschaftswahl spreche ich in Deutschlandradio Kultur mit dem Schriftsteller Jaroslav Rudis. Herr Rudis, jetzt haben wir die beiden zurzeit Favoriten, Zeman und Fischer, abgehakt, wenn man so will. Kommen wir mal zu den Plätzen drei und vier, da wird es ja dann auch sehr interessant.
Der Kandidat Vladimir Franz, Komponist und Maler, Professor an der Uni, fällt besonders dadurch auf, dass er am gesamten Leib, also auch im Gesicht, tätowiert ist. Seine Fürsprecher, habe ich gelesen, sind vor allem unter den Intellektuellen und den Studenten zu finden – warum, wofür steht der Mann?
Rudis: Nicht nur Vladimir Franz wird von den jüngeren Wählern und vielleicht Künstlern auch unterstützt, aber auch Karel Schwarzenberg, die beiden sind das ...
Führer: Ja, aber wir bleiben, genau, wir bleiben ja erst mal bei Vladimir Franz, ja?
Rudis: Vladimir Franz - ja, das ist auch wiederum ganz was anderes. Also vielleicht sind viele einfach verdrossen von dieser Politik, von diesen alten Zeiten, von Miloš Zeman, von diesen Profipolitikern, die sehr oft wirklich in irgendwelchen Skandalen auch verwickelt waren, wie zum Beispiel Miloš Zeman.
Und plötzlich kommt so jemand wie Vladimir Franz, der komplett tätowiert ist, aber das ist ein Extrem. Aber das Zweite ist, dass es einfach ein ganz cleverer, netter Typ ist, sehr anerkannt, also ein sehr anerkannter Künstler, sehr guter Musiker, sehr bekannter Komponist, aber auch Maler, und plötzlich kommt er - der bringt ja auch was Besonderes, was Neues in diesem Wahlkampf.
Als ich mich so ein bisschen durch Google gesucht habe auf alle tschechischen Kandidaten, also, was die internationale Presse zum Beispiel schreibt, da ist Vladimir Franz der Kandidat Nummer eins, also der würde auch übrigens unter den Jugendlichen an den tschechischen High Schools, der würde da auf jeden Fall gewinnen.
Führer: Aber warum, wofür steht er dann?
Rudis: Ich meine, das ist wirklich, dass er nichts mit dieser Politik zu tun hat. Also der kommt ja von außerhalb, der war nicht in der Politik, das ist natürlich vielleicht auch wiederum eben, dass dann vielleicht das komplizierter machen könnte, dass er nicht diese Erfahrungen hatte, aber ich meine, das macht ihn sehr attraktiv, dass er nicht mit der Politik verwickelt ist. Ich meine, sehr oft ist dieses Amt in Tschechien, des tschechischen Präsidenten, auch mit einem Amt irgendwie so eines Erlösers verbunden, also jemand, der uns hilft, auch in dieser Zeit der Krise, also auch dieser moralischen Krise der tschechischen Politik, diesen Skandalen oder so. Vielleicht ist er für viele Wähler einfach so eine Figur, die einfach einen (…) darbringen könnte.
Führer: Und Gegenpol, also nicht nur optisch, sondern auch sehr verwickelt in die Politik ist eben der von Ihnen erwähnte Karel Schwarzenberg, bei uns Karl Schwarzenberg, zurzeit Außenminister, 75 Jahre alt, stets korrekt gekleidet, war - also jetzt, seitdem Tschechien unabhängig ist – in vielen Ämtern, und der, wie Sie sagten, hat auch Zulauf von den Intellektuellen und den Studenten, und erstaunlicherweise ausgerechnet, der Fürst, bei den Punks.
Rudis: Bei den Punks, genau. Es gibt sogar, wenn man jetzt in Prag unterwegs ist, sieht man sehr viele T-Shirts, "Karel for President", so eine Anspielung an Sex Pistols, also wirklich so ein Cover von (…) gemacht, von dem tschechischen Künstler gemacht, so ein T-Shirt mit Karel Schwarzenberg als Punkt. Das Schöne an ihm und das Gute ...
Führer: Ist das jetzt nur Spaß, oder ... ?
Rudis: Ja, also das ist – was wirklich an ihm spannend ist, der kann sich wirklich ... der hat diesen gewissen Sinn für diese Selbstironie und Ironie. Das hat keiner von den Kandidaten außer ihm so geprägt. Und natürlich, der ist der große Europäer – eigentlich, wenn ich ... ich würde mir ihn vielleicht sogar wünschen, dass er der Präsident von Tschechien sein sollte.
Aber natürlich, es ist schon merkwürdig, dass ausgerechnet junge Leute einen Adeligen so verehren und unterstützen. Aber der ist wirklich, der steht so ein bisschen daneben, auch dass er so ab und zu so einschläft, wird eigentlich in Tschechien geliebt. Er sagt ja immer: Ja, ich schlafe dann ein, wenn es einfach uninteressant oder einfach blöd ist, die Diskussion.
Und das macht ihn irgendwie auch charmant. Natürlich, wenn sich das dann wiederholt, dann ist das wiederum nicht so charmant, und der hat zum Beispiel auch einige Skandale in seiner Partei, TOP 09, nicht so richtig auf die Reihe gekriegt, nicht kommentiert. Und da gab es auch so Korruptionsvorfälle und so, da hat er sich auch zurückgehalten. Das wiederum hat mich so ein bisschen zum Beispiel persönlich an ihm gestört.
Führer: Die Tschechen haben also die Wahl – heute beginnt der erste Wahlgang, in 14 Tagen dann der zweite, und dann wissen wir, wer neuer Präsident Tschechiens wird. Das war der Schriftsteller Jaroslav Rudis zu Gast im "Radiofeuilleton". Danke Ihnen für den Besuch, Herr Rudis!
Rudis: Danke auch, schönen Tag noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Im Studio ist nun der tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudis, in Deutschland bekannt geworden mit seinen Romanen wie "Der Himmel unter Berlin" oder auch "Grand Hotel". Herzlich willkommen, Herr Rubis!
Jaroslav Rudis: Guten Morgen!
Führer: Ja, die Tschechen mögen sich zwar uneins sein, wer der nächste Präsident wird, aber in einem scheint mir, wenn ich so die Medienberichterstattung verfolge, sind sich alle einig: Es ist gut, dass Václav Klaus geht. In Europa hat er sich ja nun vor allen Dingen als EU-Gegner einen Namen gemacht, das hat er schon, muss man sagen. Warum? Was stört denn die Tschechen an ihm?
Rudis: Tja, das sind vielleicht schon eine Menge Sachen. Václav Havel hat sich mit einem Theaterstück verabschiedet, "Odcházení - der Abgang". Und eigentlich auch, Václav Klaus wurde mit einem Theaterstück verabschiedet, das nicht er selber geschrieben hat, aber vielleicht doch irgendwie mitgeschrieben hat, von einem (…) Theaterfeste. Das Stück heißt "Beerdigung – (…)", und da wird wirklich so eine Beerdigung von Václav Klaus inszeniert, und das war ein unglaublich großer Skandal letztes Jahr in Tschechien, dieses kleine Theater versus die Prager Burg versus Václav Klaus und seine Anhänger. Und natürlich, Václav Klaus ist – insgesamt kommt mir diese ganze Wahl, diese alle Kandidaten wirklich wie ein Theaterstück vor, das sind neun sehr unterschiedliche Kandidaten, und dieser Václav Klaus, der nach zehn Jahren jetzt seinen Abgang nimmt. Und er hat sich zum Beispiel wirklich das Letzte, was wirklich viele Tschechen empört hat, war einfach diese Amnestie, die nicht nur irgendwelche kleinen Diebe begnadigt hat, aber auch viele richtig korrupte, nicht nur ...
Führer: ... große Wirtschaftskriminelle ...
Rudis: ... Wirtschaftskriminelle, genau. Und eigentlich hat er so seine Ära so ein bisschen begnadigt. Dann natürlich - ich fand eigentlich, er ist überhaupt nicht ... er ist sehr humorlos, aber trotzdem hat er für viele Witze auch ...
Führer: ... gesorgt - Unfreiwillige aber.
Rudis: Genau, sehr unfreiwillige Witze, so mit der Erderwärmung, und dann auch mit seiner antieuropäischen Politik – also man kann sich wirklich Tschechien nicht wie eine Festung vorstellen, es geht ja nicht ohne Europa. Also es kann nur lustig sein, wenn ein wirklich tschechischer Politiker sagt, wir wollen nicht mitmachen, wir wollen alleine hier stehen, also auf einer kleinen Insel, auf einer kleinen Festung namens Prager Burg.
Führer: Gibt es denn jetzt so etwas wie eine Aufbruchstimmung in Tschechien, jetzt, wo der Klaus geht? Ich meine, Sie haben gerade gesagt, das ist alles so ein bisschen wie ein Theaterstück, das klingt nicht so.
Rudis: Ja, also auf jeden Fall sind alle jetzt gespannt, wie das jetzt ausgeht. Hier haben sich viele – ich war auch da drunter – sehr gewünscht, dass man, dass wir selber Wähler den tschechischen Präsidenten wählen dürfen. Bis jetzt war das so, dass das die Parteien, da mussten sich Parteien einstimmen, und das war ab und zu wirklich mit vielen Skandalen auch verbunden.
Aber offenbar ist das jetzt auch für uns nicht so leicht, sich richtig zu entscheiden, und hinter vielen dieser Kandidaten wissen wir auch nicht so richtig, wer dahinter steckt, wer die eigentlich unterstützt. Das ist zum Beispiel der Fall von Miloš Zeman, der wirklich sehr hohe Chancen jetzt hat, ein Präsident von Tschechien jetzt zu sein.
Führer: Miloš Zeman ist, also war mal ein Premierminister, war mal Sozialdemokrat und hat jetzt die meisten in den Umfragen, ich glaube, 25 Prozent ungefähr, danach kommt dann Jan Fischer, parteilos, der war auch mal Premierminister – das sind sozusagen die Bekanntesten, die vielleicht auch Erfahrensten. Würde sich denn etwas ändern in Tschechien, wenn es jetzt einer von den beiden werden würde?
Rudis: Das wäre natürlich spannend, wenn das wirklich der Miloš Zeman sein sollte, oder Miloš Zeman wäre, weil Miloš Zeman und Václav Klaus, die waren zwar politisch Feinde, also der Konservative Václav Klaus versus der Sozialdemokrat, der Miloš Zeman, aber die haben sich wirklich in den späten Neunzigern richtig geeinigt, und die haben sich wirklich das Land auch geteilt. Wir nennen das in Tschechien (…), der Oppositionsvertrag, 1989. Und da haben sich diese beiden Politiker wirklich das Land geteilt und die Geschäfte geteilt, und viele sagen, das ist der Anfang von vielen dieser Korruptionsskandale von der tschechischen Gegenwart.
Und übrigens, es ist dann auch kein Zufall, dass vielleicht Václav Klaus jetzt auch sagt, für ihn ist der Miloš Zeman der einzige mögliche politische Kandidat für das Amt des tschechischen Präsidenten. Dann leider würde sich wahrscheinlich nicht so viel ändern. Also ich meine, in jeder tschechischen Kneipe, wenn Sie reingehen, an dem Tisch von den Stammgästen gibt es immer eine Figur, der reißt die Witze, das ist dieser Witzbold.
Und das ist in diesem Fall vielleicht so ein bisschen der Miloš Zeman, der erzählt ständig irgendwelche Bonmots, Witze, ist sehr unterhaltsam, irgendwie auch sehr charismatisch, aber trotzdem steckt nicht so viel dahinter. Er ist einfach auch ein großer Populist und sucht einfach nur wirklich sehr oft nur die sehr einfachen Lösungen und Wahrheiten. Also da würde sich wahrscheinlich so viel nicht ändern. Interessant ist, Jan Fischer, das ist wirklich ein ...
Führer: Der ist ja nun das ganze Gegenbeispiel, er ist Technokrat, blass ...
Rudis: Ein absolutes Gegenbeispiel ... ja aber zugleich wirklich einer von den langweiligsten Politikern, die man sich vorstellen kann ...
Führer: ... Statistiker ...
Rudis: ... Statistiker, Ökonome, sehr zurückhaltend, uncharismatisch – mir kommt er wie eine Figur vom "Schloss" von Franz Kafka, eine von diesen vielen Kastellanen oder Unkastellanen, der absolut austauschbar auch ist.
Aber natürlich, was gut an ihm ist, also der ist kein Populist und er ist ein Europäer. Also da sind wir mit Miloš Zeman, da bin ich mir nicht so sicher, nicht so ganz sicher, wie das ...
Führer: Ob er Europäer ist, meinen Sie?
Rudis: ... wohin das auch führen sollte. Da kann man sich nur was erhoffen. Was natürlich viele sagen zu Herrn Fischer, ja, der kann das nicht sein, weil er einfach in der Kommunistischen Partei war. Miloš Zeman übrigens auch, der wurde aber letztendlich aus der Partei rausgeschmissen, 1970. Jan Fischer ist da erst nach dem Prager Frühling eingetreten. Das ist schon, in Tschechien nennt man das auch so einen Unterschied.
Führer: Über die tschechische Präsidentschaftswahl spreche ich in Deutschlandradio Kultur mit dem Schriftsteller Jaroslav Rudis. Herr Rudis, jetzt haben wir die beiden zurzeit Favoriten, Zeman und Fischer, abgehakt, wenn man so will. Kommen wir mal zu den Plätzen drei und vier, da wird es ja dann auch sehr interessant.
Der Kandidat Vladimir Franz, Komponist und Maler, Professor an der Uni, fällt besonders dadurch auf, dass er am gesamten Leib, also auch im Gesicht, tätowiert ist. Seine Fürsprecher, habe ich gelesen, sind vor allem unter den Intellektuellen und den Studenten zu finden – warum, wofür steht der Mann?
Rudis: Nicht nur Vladimir Franz wird von den jüngeren Wählern und vielleicht Künstlern auch unterstützt, aber auch Karel Schwarzenberg, die beiden sind das ...
Führer: Ja, aber wir bleiben, genau, wir bleiben ja erst mal bei Vladimir Franz, ja?
Rudis: Vladimir Franz - ja, das ist auch wiederum ganz was anderes. Also vielleicht sind viele einfach verdrossen von dieser Politik, von diesen alten Zeiten, von Miloš Zeman, von diesen Profipolitikern, die sehr oft wirklich in irgendwelchen Skandalen auch verwickelt waren, wie zum Beispiel Miloš Zeman.
Und plötzlich kommt so jemand wie Vladimir Franz, der komplett tätowiert ist, aber das ist ein Extrem. Aber das Zweite ist, dass es einfach ein ganz cleverer, netter Typ ist, sehr anerkannt, also ein sehr anerkannter Künstler, sehr guter Musiker, sehr bekannter Komponist, aber auch Maler, und plötzlich kommt er - der bringt ja auch was Besonderes, was Neues in diesem Wahlkampf.
Als ich mich so ein bisschen durch Google gesucht habe auf alle tschechischen Kandidaten, also, was die internationale Presse zum Beispiel schreibt, da ist Vladimir Franz der Kandidat Nummer eins, also der würde auch übrigens unter den Jugendlichen an den tschechischen High Schools, der würde da auf jeden Fall gewinnen.
Führer: Aber warum, wofür steht er dann?
Rudis: Ich meine, das ist wirklich, dass er nichts mit dieser Politik zu tun hat. Also der kommt ja von außerhalb, der war nicht in der Politik, das ist natürlich vielleicht auch wiederum eben, dass dann vielleicht das komplizierter machen könnte, dass er nicht diese Erfahrungen hatte, aber ich meine, das macht ihn sehr attraktiv, dass er nicht mit der Politik verwickelt ist. Ich meine, sehr oft ist dieses Amt in Tschechien, des tschechischen Präsidenten, auch mit einem Amt irgendwie so eines Erlösers verbunden, also jemand, der uns hilft, auch in dieser Zeit der Krise, also auch dieser moralischen Krise der tschechischen Politik, diesen Skandalen oder so. Vielleicht ist er für viele Wähler einfach so eine Figur, die einfach einen (…) darbringen könnte.
Führer: Und Gegenpol, also nicht nur optisch, sondern auch sehr verwickelt in die Politik ist eben der von Ihnen erwähnte Karel Schwarzenberg, bei uns Karl Schwarzenberg, zurzeit Außenminister, 75 Jahre alt, stets korrekt gekleidet, war - also jetzt, seitdem Tschechien unabhängig ist – in vielen Ämtern, und der, wie Sie sagten, hat auch Zulauf von den Intellektuellen und den Studenten, und erstaunlicherweise ausgerechnet, der Fürst, bei den Punks.
Rudis: Bei den Punks, genau. Es gibt sogar, wenn man jetzt in Prag unterwegs ist, sieht man sehr viele T-Shirts, "Karel for President", so eine Anspielung an Sex Pistols, also wirklich so ein Cover von (…) gemacht, von dem tschechischen Künstler gemacht, so ein T-Shirt mit Karel Schwarzenberg als Punkt. Das Schöne an ihm und das Gute ...
Führer: Ist das jetzt nur Spaß, oder ... ?
Rudis: Ja, also das ist – was wirklich an ihm spannend ist, der kann sich wirklich ... der hat diesen gewissen Sinn für diese Selbstironie und Ironie. Das hat keiner von den Kandidaten außer ihm so geprägt. Und natürlich, der ist der große Europäer – eigentlich, wenn ich ... ich würde mir ihn vielleicht sogar wünschen, dass er der Präsident von Tschechien sein sollte.
Aber natürlich, es ist schon merkwürdig, dass ausgerechnet junge Leute einen Adeligen so verehren und unterstützen. Aber der ist wirklich, der steht so ein bisschen daneben, auch dass er so ab und zu so einschläft, wird eigentlich in Tschechien geliebt. Er sagt ja immer: Ja, ich schlafe dann ein, wenn es einfach uninteressant oder einfach blöd ist, die Diskussion.
Und das macht ihn irgendwie auch charmant. Natürlich, wenn sich das dann wiederholt, dann ist das wiederum nicht so charmant, und der hat zum Beispiel auch einige Skandale in seiner Partei, TOP 09, nicht so richtig auf die Reihe gekriegt, nicht kommentiert. Und da gab es auch so Korruptionsvorfälle und so, da hat er sich auch zurückgehalten. Das wiederum hat mich so ein bisschen zum Beispiel persönlich an ihm gestört.
Führer: Die Tschechen haben also die Wahl – heute beginnt der erste Wahlgang, in 14 Tagen dann der zweite, und dann wissen wir, wer neuer Präsident Tschechiens wird. Das war der Schriftsteller Jaroslav Rudis zu Gast im "Radiofeuilleton". Danke Ihnen für den Besuch, Herr Rudis!
Rudis: Danke auch, schönen Tag noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.