Die Fremdheit zur Schönheit gemacht
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Mit dem Text "Broken German" war er zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb eingeladen. Der israelische Autor Tomer Gardi machte aus der Not, nur gebrochen Deutsch zu sprechen, eine Tugend. Sein Hörspiel zum Buch wurde mit dem ARD-Hörspielpreis ausgezeichnet.
Der Schriftsteller Tomer Gardi wuchs in einem Kibbuz in Israel auf:
"Ein sehr großes Gebäude. Das Kibbuz, das heute ein Museum ist, ist aus den Steinen eines palästinensischen Dorfes gebaut, das früher dort stand. Das Dorf hieß Humin. Es existiert nicht mehr, aber die größte Gemeinde von Menschen aus Humin außerhalb des Libanon, wohin sie geflüchtet sind, ist heute in Berlin. Ich habe einen jungen Mann in einer Kneipe kenne gelernt und sehr schnell haben wir festgestellt, dass wir einen Teil der Geschichte teilen."
Im Alter von zwölf Jahren ging er mit seinen Eltern für drei Jahre nach Wien, wo er eine internationale Schule besucht und Deutsch auf der Straße lernt. Nach dem Militärdienst studierte er Literaturwissenschaften, engagierte sich politisch, veröffentlichte eine Zeitschrift und schließlich sein erstes Buch. Immer wieder verbrachte er viel Zeit in Berlin und vertiefte seine mündlichen Sprachkenntnisse. So klingt auch sein Buch "Broken German": gesprochenes, unkorrigiertes Deutsch, wie Einwanderer es untereinander sprechen.
Der Tür, das Tür, die Tür
"Eine Entscheidung des Verlages war, die Fehler darin nicht zu korrigieren. Einmal heißt es der Tür, dann das Tür, dann die Tür, weil es für mich keinen Unterschied macht. Die deutschen Leser machen eine ähnliche Erfahrung wie ich: Sie lernen eine Sprache von Anfang an neu."
Ein Hörspiel nach diesem Text erhält 2017 den ARD-Hörspielpreis:
"Viele denken, dass der Text eine Provokation ist. Aber für mich ist jede gute Literatur eine Provokation, weil sie eine Reaktion in der Welt hervorzurufen versucht."
Heute lebt Gardi in Berlin, genießt die Perspektive des Außenstehenden und veröffentlichte im Februar seinen neuen Roman "Sonst kriegen Sie Ihr Geld zurück", diesmal in fehlerfreier Übersetzung aus dem Hebräischen. Dass er trotzdem weiter auf Deutsch schreiben wird, steht für ihn fest – derzeit arbeitet er an einem zweisprachigen Text.