"Jede Geschichte ist eine Reise"
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Das Reisen hatte es Daniel Speck schon als Kind angetan. Später war der Autor für seine Bücher und Filme immer in der Welt unterwegs. In seinem neuen Roman „Jaffa Road“ beleuchtet er den Nahostkonflikt aus ungewohnter Perspektive.
Ein kleines Mädchen an der Hand eines Mannes, über seinem Rücken hängt ein wuchtiger Koffer. Dieses Bild ziert das Cover des neuen Romans von Daniel Speck.
Die Metapher des Koffers spielt für den Autor nicht nur in seinem jüngsten Werk "Jaffa Road" eine entscheidende Rolle. "Romane schreiben ist ein Auspacken von Koffern. Es geht in meinen Romanen immer um Familiengeschichten und um Menschen, die sich begegnen. In 'Jaffa Road' sind es drei Menschen, die sich kaum kennen, aber doch miteinander verwandt sind."
Das Gedächtnis unserer Vorfahren in einem Koffer
Daniel Speck glaubt, dass wir alle einen unsichtbaren Koffer mit uns herumtragen, in dem "das Gedächtnis unserer Vorfahren" verstaut ist. Und während seine Romanfiguren ihre meist auspacken, packt der Bestsellerautor lieber ein. Für seine Bücher ist der Münchener in normalen Zeiten häufig auf Recherchereisen. Für den neuen Roman besonders in Italien und Israel.
"Jaffa Road" handelt von drei Menschen, die sich in einer sizilianischen Villa begegnen, um das Erbe ihres Vaters und Großvaters anzutreten. Sie könnten auf dem ersten Blick unterschiedlicher nicht sein: eine christliche Deutsche, ein muslimischer Palästinenser und eine jüdische Israelin.
Drei Romane in fünf Jahren
Gegenseitig erzählen sie sich ihre Lebensgeschichte. "Und sie finden heraus, dass jede Geschichte eine Leerstelle hat. Und die Leerstelle ist der Ort, wo die Geschichte des anderen beginnt. Und was mich interessiert ist, was passiert, wenn wir wirklich zuhören? Also wenn wir sagen, deine Geschichte hat auch eine Berechtigung, genauso wie meine. Dann kann dann so etwas wie Versöhnung passieren", findet Daniel Speck.
Der Mann, das darf man so sagen, ist ein Vielschreiber, drei Romane in fünf Jahren, alle über 600 Seiten dick.
Erfolgreich – auch mit Drehbüchern
"Bella Germania" über italienische Gastarbeiter in Deutschland und "Piccola Sicilia", die Geschichte eines deutschen Soldaten, der im Nordafrikafeldzug einem italienischen Juden das Leben rettet, wurden beide zu Bestsellern.
Erfolg hatte Daniel Speck auch mit seinen Drehbüchern. Er schrieb das zu Jan Weilers "Maria, ihm schmeckt‘s nicht". Für sein Drehbuch zu "Meine verrückte türkische Hochzeit" gewann der studierte Germanist und Filmhistoriker 2007 den Grimme-Preis und den Bayerischen Filmpreis.
Aber nur Schreiben, das füllt ihn offensichtlich nicht aus. Daniel Specht lehrt zusätzlich als Dozent für Drehbuch, unter anderem an der Hochschule für Fernsehen und Film München, der Deutschen Film und Fernsehakademie Berlin und der Internationalen Filmschule Köln.
"Mich interessiert das Handwerk von Geschichten"
Warum er auch das noch macht? "Mich interessiert das Handwerk von Geschichten. Geschichtenerzählen hat eine Menge mit Handwerk zu tun. Wie kann ich eine gute Geschichte noch besser machen? Und mich hat es von Anfang an extrem interessiert, was da für ein Wissen dahinter ist. Und mich interessiert immer, was alle Geschichten der Menschheit verbindet."
Was genau ein gutes Drehbuch, eine gute Geschichte ausmacht, dafür gebe es Hunderte Parameter, sagt Daniel Speck.
Aber ein Aspekt ist ihm besonders wichtig: "Im Kern hat es immer damit zu tun, dass jede Geschichte eine Reise ist. Eine gute Geschichte spricht etwas in einem an, wo man sagt, vielleicht ist mir das Land, in dem der Film oder die Geschichte spielt, unbekannt. Aber die Emotionen, die dieser Mensch erlebt, die kenne ich aus meiner eigenen Familie, aus meiner eigenen Kindheit. Und wenn wir dahin kommen, so universelle Geschichten zu erzählen, dann haben die Kraft und funktionieren auf der ganzen Welt".
(ful)