Die Sendung ist eine Wiederholung vom 10. Oktober 2018.
"Schreiben ist die reine Hölle"
30:05 Minuten
Er wurde nominiert für den International Man Booker Prize und sein Buch "Das Feld" führt seit Wochen die Bestsellerlisten an. Robert Seethaler ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller Österreichs. Doch leicht fällt ihm das Schreiben nicht.
Dass er mal Schriftsteller werden würde, stand für den jungen Robert Seethaler eigentlich nicht auf dem Plan. Der Sohn eines Friseurs hat eine ausgeprägte Sehschwäche, die das Lesen nicht gerade erleichterte: "Man merkt das gar nicht, ich trage ja Kontaktlinsen und Brillen, aber ich hab 19 und 18 Dioptrien und mehrere Augenoperationen. Das ist nicht so toll, aber andererseits hat es mich zu dem gemacht, der ich bin. Gerade dieses Schlecht-Sehen ermöglicht mir, eigene Visionen zu errichten. Mein Sehen ist eher ein innerliches. Menschen kann ich für mich genauer erfassen, wenn ich sie nicht ansehe."
Die Charaktere, die Robert Seethaler in seinen Büchern beschreibt, sind eigenwillig, ihre Lebensgeschichten oft schmerzlich. Er schildert sie ohne jede Aufgeregtheit, in einfacher Sprache mit knappen, eleganten Sätzen. Sein zurückgenommener Schreibstil wirkt leicht und lakonisch, kostet ihn aber viel Mühe: "Es ist im Grunde genommen die reine Hölle. Ich sitz‘ da zuhause und muss mir die Worte aus dem Herzen quetschen, jedes einzelne. Manchmal kommt mir das vor, als müsste ich die Worte herauswürgen."
Das Schreiben nennt Seethaler seine "dunkle Ecke"
Zum Schreiben kam Seethaler relativ spät. Nach der Schule besuchte er erst einmal die Schauspielschule in Wien und machte sich im Anschluss als Theater- und Filmschauspieler einen Namen. Doch von der Bühne hat er sich inzwischen zurückgezogen, spielt nur noch in ausgewählten Filmproduktionen: "Der Film ist intimer als dieses Aus-mir-Herausgehen, dieses Darstellen auf der Bühne. Beim Film gibt es noch eine Seltsamkeit: Es gibt ja kein Publikum, während man dreht. Es kuckt dir niemand zu, außer der Kamera und zwei, drei Leuten. Und das Intimste, was wir haben, ist der menschliche Blick. Und im Theater wird dieser Blick nicht erwidert, denn ich sehe ja die Menschen nicht. Ich werde angestarrt, aber ich selbst kann nicht erwidern. Vielleicht ist dass das Verletzende oder das Beschämende. Diese Blicke, die mich dann fast so innerlich ausgenebelt haben."
Es dauerte lange, bis Robert Seethaler erkannte, dass er sich am besten literarisch ausdrücken kann. Das Schreiben nennt er heute seine "dunkle Ecke", in der er zu sich selbst komme. Doch auch in der Welt der Bücher ist er eher ein stiller Star – ein Bestsellerautor, der die Öffentlichkeit scheut, nur ungern Interviews gibt und live allenfalls auf Lesungen zu erleben ist.