Deutschen und Polen fehlt es an Austausch
Die Schriftstellerin Agnieszka Kowaluk warnt vor einer polarisierenden Berichterstattung deutscher Medien über das Nachbarland. So groß seien die Unterschiede zwischen Deutschen und Polen gar nicht. Dass die Polen Humor haben, beweist jedenfalls die Twitter-Kampagne #Waszczykowski.
Polen liegt nicht in Ost-, sondern in Mitteleuropa, haben wir immer wieder gehört, von den Polen selbst. Das Land wollte nach dem Ende des Warschauer Pakts so schnell wie möglich zur Europäischen Union und zur NATO gehören. Und jetzt?
Jetzt gibt es dort eine neue Regierung, von der eben diese Europäische Union sagt, sie verhalte sich nicht mehr rechtsstaatlich. Deren Außenminister Witold Waszczykowski sagte, sein Land müsse von "gewissen Krankheiten" geheilt werden.
Er warnte in der "Bild"-Zeitung vor einer "Welt aus Radfahrern und Vegetariern". Das "linke Politikkonzept" der Vorgängerregierung kritisierte er mit folgenden Worten:
"Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen - zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen. Das hat mit traditionellen, polnischen Werten nichts mehr zu tun."
Was der polnische Außenminister mit seiner Aussage gegenüber der "Bild"-Zeitung konkret erreichen wollte, bleibt unklar. Klar ist, was er damit erreicht hat: zahlreiche Reaktionen in den sozialen Netzwerken. Unter anderem Fotos von nationalkonservativen Politikern wie Jaroslaw Kaczynski oder Präsident Andrzej Duda auf Fahrrädern. Überschrift: marxistische Vorbilder. Oder unter der Überschrift: traditionelle polnische Werte - Bilder von polnischen Würsten, dicken Autos und Kohleöfen. Besonders beliebt ist aber das Bild eines Fahrrads aus Gemüse.
Was ist da passiert? Darüber haben wir mit Agnieszka Kowaluk gesprochen. Die Übersetzerin und Journalistin kommt aus Polen, wurde im Osten des Landes geboren, lebt aber seit vielen Jahren mit ihrer Familie in München und hat ein Buch geschrieben mit dem Titel "Du bist so deutsch".
Im Gespräch zeigte sich Agnieska Kowaluk vor allem betroffen von der Berichterstattung deutscher Medien über die gegenwärtige Situation in Polen. Bezogen auf eine Kolumne von Jakob Augstein bei Spiegel Online kritisierte sie im Deutschlandradio Kultur die Deutung der gegenwärtigen Situation in Europa als einen "Kulturkampf zwischen Ost und West".
Dabei stünden auf der deutschen Seite Liberalismus, Toleranz und Gleichberechtigung, auf der polnischen Rassismus, Ignoranz und Engstirnigkeit. "Man könnte meinen, der Autor kennt keinen einzigen Polen und erlaubt sich so eine Schwarz-Weiß-Malerei", so Kowaluk.
Kaum Unterschiede zwischen Deutschen und Polen in der jüngeren Generation
"Ich glaube, so einfach ist die Sache nicht", betonte die Autorin. Die Unterschiede zwischen Deutschen und Polen seien gar nicht so groß. "Uns fehlt nur teilweise die Sprache, darüber zu reden, da wir uns sehr lange Zeit unsere Geschichte nicht wirklich erzählt haben."
Gerade die neue Generation der Polen bestehe aus Menschen, "die sich in der Welt ganz frei bewegen", so Kowaluk. Sie könne etwa zwischen dem deutschen und dem polnischen Freundeskreis ihrer Tochter keinen Unterschied feststellen. "Das sind Menschen, die ziemlich gleich aufwachsen, die ziemlich gleiche Werte eben teilen."