Eine Ikone der indonesischen Literatur
Indonesien ist dieses Jahr das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Eine der wichtigsten indonesischen Autorinnen ist Ayu Utami, die mit ihren bahnbrechenden Romanen "Saman" und "Larung" indonesische Literaturgeschichte schrieb.
Das freie Kulturzentrum "Salihara", eine Oase im Verkehrschaos von Jakarta. Hier arbeitet die Autorin Ayu Utami einige Tage in der Woche. Sie gestaltet das Kulturprogramm mit.
"I'm too planned; I'm too structured in my life these days!"
Ihr Leben sei momentan zu durchstrukturiert, seufzt Utami. Dass sie schon 46 Jahre alt sein soll, glaubt man kaum: Sie ist schlank, trägt die langen schwarzen Haare offen, dazu ein figurbetontes Sommerkleid mit Punkten und rote Plateausandalen. Fröhlich-weibliche Kleidung, wie gemacht, um auch in der schwülen Wärme von Jakarta gut auszusehen. Gleichzeitig wirkt die Autorin in höchstem Maße diszipliniert. Sie sitzt gerade, bewegt sich maßvoll und spricht konzentriert. Sie wechselt zwischen Englisch und Indonesisch hin und her, wenn sie sich erinnert:
"1994 wurden unter dem Suharto-Regime drei wichtige indonesische Zeitungen verboten. Dagegen haben wir uns an der Universität gewehrt. Wir haben eine Journalistenvereinigung gegründet und illegal eine eigene Zeitschrift herausgebracht."
Ayu Utami hat Russisch studiert - und zwar zu Zeiten, in denen alles Russische noch unter kommunistischem Generalverdacht stand. Sie wurde Journalistin. 1994 aber - damals war sie 25 Jahre alt - war es damit auch schon wieder vorbei:
"Wir wurden von der Regierung als regierungsfeindlich eingestuft, und drei meiner Freunde wurden verhaftet. Ich selbst habe eine Art Berufsverbot bekommen und durfte nicht mehr als Journalistin tätig sein. Danach habe ich angefangen, literarische Texte zu verfassen."
Meilenstein der indonesischen Literatur
Ihr erster Roman erschien 1998 - in dem Jahr, als General Suharto gestürzt wurde. "Saman" heißt der Roman, und er erzählt von einem katholischen Priester, der Kleinbauern im Kampf gegen internationale Palmölkonzerne und heimische Behörden unterstützt. Befreundet ist Saman mit einigen jungen Frauen, die beruflich erfolgreich sind und betont libertinär leben. Der auf politischem und erotischem Gebiet kämpferische Roman schlug ein wie eine Bombe. Ein Meilenstein in der jüngeren indonesischen Literaturgeschichte. Ayu Utami aber wiegelt ab:
"'Saman' ist natürlich ein Produkt seiner Zeit. Mit dem Buch habe ich unsere Befreiung von den Zwängen der 'Neuen Ordnung', also dem Suharto-Regime, ausgedrückt. Aus heutiger Sicht hat das Buch eine sehr chaotische Struktur, ja, es hat eigentlich gar keine Struktur. Das war meine Reaktion auf die vielen Zwänge, denen man zur Zeit der 'Neuen Ordnung' als Journalist ausgesetzt war."
In ihrem zweiten Roman "Larung" erzählt Ayu Utami Samans Geschichte weiter und fügt neue Erzählstränge hinzu.
Regelmäßig gibt Ayu Utami auch Schreibkurse im Kulturzentrum "Salihara". Der große, ebenerdig gelegene Saal ist voll. Vor allem junge Leute sind gekommen - auch viele Frauen mit Kopftuch. Utami trägt ein kleines goldenes Kreuz um den Hals. Sie ist Katholikin und gehört damit einer Drei-Prozent-Minderheit im größten muslimischen Land der Erde an. Heutzutage darf man in Indonesien sagen und publizieren, was man will, erklärt sie. Bloß wenn es um Religion geht, wird's kritisch:
"Es war in genau diesem Raum: Wir hatten hier eine Veranstaltung mit Irshad Manji, einer Muslimin aus Kanada, einer liberalen, lesbischen Muslimin. Wir haben mit ihr diskutiert. Da sind Männer von der 'Islamic Defenders Front' hier eingedrungen und haben uns attackiert. Das war vor ungefähr zwei Jahren."
Konzept "Kritische Spiritualität"
Religiöse Radikalisierung unter Muslimen ist ein großes Problem in Indonesien. Ayu Utami beobachtet dies äußerst kritisch. Um sich mit der katholischen Kirche solidarisch zu zeigen, hat sie vor ein paar Jahren kirchlich geheiratet. Außerdem erarbeitet sie seit einigen Jahren ein Konzept, das sie "Kritische Spiritualität" nennt. Danach lebt sie selbst, und sie lässt es auch in ihre neuen Romane einfließen.
"Alle Entscheidungen, die ich in meinem Leben treffe, sind direkt oder indirekt politisch motiviert. Das bezieht sich sowohl auf die Themen meiner Bücher als auch auf mein Privatleben."
Vor dem Seminarraum im "Salihara" plätschert Wasser in einen Fischteich. Das Seminar ist zu Ende. Ein Seminar, in dem Ayu Utami keineswegs nur Schreibtechniken vermittelt, sondern auch ein politisches Bewusstsein:
"Anfangs wollte ich gar keinen Kurs anbieten. Aber dann wurde ich so dazu gedrängt, und ich habe mir überlegt: Vielleicht ist es doch gut zu lehren. Denn ich will den Studenten vermitteln, wie man argumentiert, wie man denkt, wie man Dinge entspannter und offener sehen kann. Indem ich Kreatives Schreiben unterrichte, vermittle ich Offenheit."