Schriftstellerin Edith Anderson

Einsatz für die Gleichberechtigung

Kundinnen im ersten Frauenbuchladen der Bundesrepublik, der 1975 in Münchner-Schwabing eröffnet wurde.
Aus der Hoch-Zeit des Feminismus: Kundinnen im ersten Frauenbuchladen der Bundesrepublik, der 1975 in Münchner-Schwabing eröffnet wurde. © dpa / picture alliance / Istvan Bajzat
Von Michael Opitz |
Als die in Berlin lebende Kommunistin Edith Anderson die Anthologie "Blitz aus heiterm Himmel" herausgab, war das ein Meilenstein für die Frauenliteratur in Deutschland. Vor 100 Jahren wurde die Schriftstellerin in New York geboren.
Über Paris kam die am 30. November 1915 in New York City geborene Jüdin Edith Anderson 1947 nach Ostberlin. Als Edith Anderson ihren Freunden erzählte, dass sie die USA, das Land, das sie bis zum "Verrücktwerden liebte", verlassen werde, um nach Deutschland zu gehen, in eben jenes Land, das verantwortlich war für den Holocaust, hielt man sie für verrückt.
Sie aber hatte für ihre Entscheidung einen triftigen Grund. Ein Jahr vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte Edith Anderson in den USA den deutschen Exilanten Max Schroeder geheiratet. Nach Kriegsende ging Schroeder, der seit 1932 Mitglied der KPD war, zurück nach Deutschland, um als Cheflektor im Ostberliner Aufbau Verlag zu arbeiten. Edith Anderson, die seit 1938 der kommunistischen Partei der USA angehörte, folgte ihm 1947 über Paris in das zerstörte Nachkriegsdeutschland. Beide hatten bis dahin vom Sozialismus nur träumen können, nun bot sich ihnen die Möglichkeit, am sozialistischen Aufbau in der DDR mitzuwirken.
Über die Nachkriegsjahre im zerstörten Berlin schreibt Edith Anderson in ihrer 1999 erschienenen Autobiografie "Liebe im Exil":
"Es war eine Zeit überschwänglicher Hoffnung, einer Hochstimmung, überlebt zu haben, um jetzt mitzuerleben, dass man selbst die Zukunft gestalten kann."
In den USA hatte die studierte Anglistin ihrem Mann Max Schroeder einen Einblick in das kulturelle Leben vermittelt, nun lernte sie in Ostberlin an der Seite ihres Mannes im Klub des Kulturbundes prominente Schriftsteller und Künstler kennen.
"Die Räume waren erfüllt von anregenden politischen Gesprächen. Zurückgekehrte Exilanten trafen sich mit Gleichgesinnten, die in Deutschland geblieben waren, alle waren begeistert, sich wiederzutreffen."
"Ich lebte nicht im Sozialismus"
Ihre erste Erzählung "Loretta", die Max Schroeder ins Deutsche übersetzt hatte, erschien 1949, ihr Romandebüt "Gelbes Licht" veröffentlichte sie 1956. 1967 reiste Edith Anderson in die USA und kehrte nach einem Jahr in die DDR zurück. Fasziniert von der Möglichkeit, zwischen zwei Welten pendeln zu können, schrieb sie einer Freundin:
"Ich lebte nicht im Sozialismus. Ich lebte auf der Oberfläche. Fahre ich zurück zur DDR, werde ich anders dort leben als bisher."
Den Ertrag ihrer USA-Reise verarbeitete sie in dem 1972 erschienenen Reisetagbuch "Der Beobachter sieht nichts. Tagebuch zweier Welten". Das Buch wurde von den Kulturoffiziellen der DDR scharf kritisiert, weil sich Anderson zu kritisch über die Kommunistische Partei der USA geäußert hatte, während sie ansonsten mit Kritik an dem Land sparte, in dem sie geboren worden war.
Fiktive Geschlechtsumwandlung
Als Andersons "Beobachter"-Buch 1972 in der DDR erschien, lag eine Anthologie, für die sie als Herausgeberin verantwortlich zeichnete, seit zwei Jahren auf Eis. Bereits in den USA hatte sie sich für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau engagiert, in der Anthologie "Blitz aus heiterm Himmel" interessierte sie, wie es um die Gleichberechtigung der Geschlechter unter sozialistischen Verhältnissen bestellt war.
Autorinnen und Autoren sollten für diese Anthologie in einer fiktiven Geschichte beschreiben, was passiert, wenn sich eine Frau oder ein Mann einer Geschlechtsumwandlung unterzieht.
Sibylle Klemm bezeichnet "Blitz aus heiterm Himmel" in ihrer 2015 erschienenen Anderson-Monografie als eine "Synthese zwischen amerikanischem Feminismus und sozialistischer Erfahrung". Erst 1975 konnte das für Aufsehen sorgende Buch in der DDR erscheinen. Diese wegweisende Anthologie initiiert zu haben, gehört zu den bleibenden literarischen Leistungen der am 13. April 1999 in Berlin verstorbenen Edith Anderson.
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