Vom Wunderkind zur etablierten Autorin
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Mit "Axolotl Roadkill" landete sie 2010 einen Bestseller - und einen Literaturskandal. Sie habe plagiiert, hieß es. Die damals 17-jährige Autorin schrieb trotzdem weiter. Ihr jüngstes Buch "Bungalow" ist eine messerscharfe Gesellschaftsanalyse.
Ihren ersten großen Bruch erlebte Helene Hegemann mit 13 Jahren. Da verstarb plötzlich ihre Mutter, mit der sie bis dahin in Bochum gelebt hatte. Sie zog zu ihrem Vater Carl Hegemann, der als Dramaturg an der Berliner Volksbühne arbeitete.
Bis dahin wollte Helene Hegemann noch Tänzerin werden. Mit ihrem Umzug gab sie das Tanzen auf und wandte sich dem Schreiben zu.
"Ich glaube, das war eine Reaktion auf die Ereignisse, dass man einen konkreten Strich unter alles gezogen hat und nichts von einem Leben in das andere mitzerren wollte. Diese Art von Kontrast erlebt auch nicht jeder in seinem Leben. Es waren ganz unterschiedliche soziale Welten, Mutter und Vater – von geregelt-kleinbürgerlich zu Großbürgertum und Boheme."
Schwer begeistert von der Berliner Volksbühne
Auch wenn ihr Vater inzwischen als Professor nach Leipzig gegangen war, liebte sie es, sich an der Volksbühne aufzuhalten.
"Ich bin schwer begeistert gewesen von der Stimmung, die ich da vorgefunden habe und den Leuten. Alles, was dort stattfand, war für mich das perfekte dialektische Verhältnis von Anarchie und Tradition."
Mit 15 schrieb Helene Hegemann ihr erstes Theaterstück, es folgten Filme und dann der erste Roman: "Axolotl Roadkill". Als "Wunderkind" wurde sie von den Feuilletons tituliert, als "eine sehr ernst zu nehmende Künstlerin". Dass sie damals so jung war, habe sie als "nichts Außergewöhnliches" empfunden, sagt die Autorin heute.
"Ich fühlte mich auf der Höhe meiner Entwicklung".
Sie hatte damals die Schule abgebrochen und habe eben das gemacht, was sie wollte:
"Für mich war das ein großer persönlicher Befreiungsschlag, weil ich das Gefühl hatte, dass das Leben losgeht."
"Faulheit, mit der Menschen kategorisiert werden"
Die Plagiatsdebatte, die ihr erster Roman provozierte, sieht Helene Hegemann im Rückblick als wichtige Lebenserfahrung.
"Ich hatte ein Gefühl dafür, dass die öffentliche Wahrnehmung nichts mit mir als Person zu tun hat. Was einen so nervt, ist diese Faulheit, mit der Menschen kategorisiert werden. Da habe ich zum ersten Mal durchschaut, wie langweilig es ist, Menschen nach herrschenden Standards so zu kategorisieren, dass man alles, was besonders an ihnen ist, wegneutralisiert."
Längst ist die Zeit über den damaligen Skandal hinweg gegangen und Helene Hegemann hat sich als Autorin etabliert. Im vergangenen Herbst kam ihr jüngster Roman "Bungalow" heraus, eine Dystopie, in der immer wieder apokalyptische Ereignisse geschildert werden. Zugleich lässt sie prekäre auf saturierte Lebensverhältnisse prallen und liefert eine messerscharfe Sozialkritik.
Blick auf die Gegenwart aus der Zukunft
Die Perspektive der Protagonistin liegt in der Zukunft - ein literarischer Winkelzug, auf den sie stolz ist. Sie habe es interessant gefunden, unsere Gegenwart aus Sicht einer Person beschreiben zu lassen, die weiß, dass diese Gegenwart zu einer schrecklichen Katastrophe geführt hat:
"Die Perspektive, aus der das erzählt wird, ist ja die einer 30-jährigen Mutter am anderen Ende der Welt, die ihre Kindheit rekonstruiert. Und diese Person sitzt ganz klar in der Zukunft und offenbar ist in der Zwischenzeit irgendetwas Katastrophales passiert. Das kann ein Weltkrieg sein, das kann eine atomare Katastrophe sein, das kann ein Waldsterben gewesen sein."