Taxis, Tiere, Texte
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Karen Duve lebt jeweils gedanklich in den Welten, über die sie schreibt – und spricht dann auch so. Aus dem Jahr 1820, wo ihr jüngster Roman über Annette von Droste-Hülshoff spielt, ist sie aber bereits zurückgekehrt.
Kaum eine deutsche Autorin hat ihr Talent in so vielen verschiedenen Genres unter Beweis gestellt wie Karen Duve: Kinderbuch, Krimi, Entwicklungsroman, Fantasy-Roman, Sachbuch, Science-Fiction und historischer Roman, all das hat sie mit der ihr eigenen humorvollen und schnörkellosen Sprache geschrieben. Dabei kam der Erfolg erst vergleichsweise spät – erstmal fuhr sie 13 Jahre lang Taxi, versagte als Steuer-Inspektorin und arbeitete in Fabriken, wo sie unter anderem professionell ausziehbare Hundeleinen zusammenbastelte.
Taxifahrerin mit Cowboy-Gefühl
Eigentlich wollte sie schon immer schreiben, kam aber nie so richtig dazu. Nach der Schule war sie damit überfordert, sich ihr Leben einzurichten und zu planen, wollte irgendwie was Besonderes machen und landete dann schließlich hinter dem Lenkrad eines Taxis: "Ich glaub, das kam mir abenteuerlich vor. Das war in den 80er-Jahren und da hatte das ein sehr gutes Image unter jungen Menschen, so als die letzten Cowboys. Es hat auch sowas davon. Wie ein Cowboy, der nur seinen Sattel hat und überall neu anfangen kann." Anstrengend sei das aber durchaus gewesen, so sehr, dass trotz wachsender Ambitionen literarisch zunächst nicht viel entstand.
Aber dann kam mit dem "Regenroman" doch der große Erfolg. Dass der Wechsel vom Transportgewerbe zur Schriftstellerei sich gelohnt hat, zeigt erneut ihr jüngster Roman über Annette von Droste-Hülshoff, der letzten Herbst erschien und seitdem gefeiert wird.
Nach der Dystopie "Macht", die 2016 herauskam, sei es ihr ein Bedürfnis gewesen, sich mit einem Thema zu befassen, in dem es nicht darum geht, "wie schrecklich die Welt gerade ist". Wobei sie ergänzt: "Aber wie das so ist, 1820 war es auch nicht so toll. Ursprünglich war die Idee, dass ich über die Liebesgeschichte der Annette von Droste-Hülshoff schreiben wollte."
Material zum Thema gab es ohne Ende: "Man findet dort so viel, dass alles Selbsterfinden ein kleines Verbrechen ist. Es gab so viele Briefe und Tagebücher, dass ich merkte, das ist eigentlich schon fast erzählt, wenn man das nur alles zusammenträgt." Und dem Zusammentragen widmete sich Duve für ihr Buch "Fräulein Nettes kurzer Sommer" mit Akribie:
"Ich hab da so einen Ehrgeiz gekriegt, das so historisch genau wie irgend möglich zu machen. Immer, wenn ich was erfunden habe, hatte ich schon fast ein schlechtes Gewissen, obwohl natürlich Roman dick vorne drauf steht."
Egal, ob sie ein Märchenbuch, einen Zukunftsroman oder einen historischen Stoff schreibt, Duve taucht immer ganz in die Welt ein, die sie beschreibt: "Ich leb' richtig in der Zeit und ich sprech‘ dann auch anders, glaube ich, je nachdem, welches Buch ich gerade schreibe."
Vegane Ernährung für ein Sachbuch
Wörtlich gelebt hat sie ihr Ernährungs-Sachbuch "Anständig Essen", in dem sie alle möglichen Varianten von biologischer über vegetarische bis zu veganer Ernährung ausprobiert hat. Da ist trotz neuer Themen und weiterer Bücher auch einiges hängengeblieben: "Ich bin immer noch Vegetarier und versuche, Richtung vegan zu gehen, aber das krieg' ich immer noch nicht auf die Reihe, da ist schon mal ein Stück Käse dabei."
Tiere würden auf barbarische Weise gequält, "wie man sich das überhaupt nicht vorstellen möchte", sagt sie. Gegen diesen "unhaltbarer Zustand" wünscht Duve sich entsprechende Gesetze:
"Es soll nicht am Konsumenten liegen, dass der im Supermarkt entscheiden muss, ob er an einem Verbrechen teilnehmen will oder nicht, sondern es dürfen diese verbrecherisch hergestellten Produkte gar nicht mehr in den Laden kommen."
(ma)