"Man muss diese saudummen Polittalkshows abschaffen"
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Die Autorin Mely Kiyak ärgert sich über die allgegenwärtigen Sommerinterviews mit Politikern, aus denen man nichts Neues erfahre. Sie wünscht sich ein höheres Diskussionsniveau in den Medien und schätzt eher die Gespräche auf Theaterbühnen.
Die Form des Sommerinterviews mit Politikerinnen und Politikern steht seit einiger Zeit in der Kritik: zu kurz, zu banal, es komme nichts dabei rum. Die Journalistin und Schriftstellerin Mely Kiyak, Kolumnistin für Zeit Online, das Berliner Gorki-Theater und das Schweizer Onlinemedium Republik, muss sie sich beruflich bedingt regelmäßig ansehen, da sie immer wieder gebeten wird, darüber zu schreiben, wohl auch in der Hoffnung, dass sie darüber herziehe. "Ich meine, man kann ja nur wirklich über sie herziehen, statt ernsthaft zuzuhören."
Kiyak beobachtet eine deutliche Zunahme der Sommerinterviews. Die Politiker würden nun geradezu darauf warten, dass man sie befrage, und hätten sich vorher munitioniert mit politischem Marketingsprech. Die Sommerinterviews seien dröge, ereignisarme Veranstaltungen. Es sei aber kein Zufall, sondern gewollt, dass man aus diesen Gesprächen nichts Neues erfahre. "Ich glaube, der Wähler soll nicht zu sehr aufgewühlt werden."
Schlecht nachgefragt
Dies sei auch eine Kritik "an der Zunft selber", also den Journalistinnen und Journalisten, sagt Kiyak, "dass wir dieses Mittel der politischen Befragung nicht besser beherrschen." Ihr Empfinden sei, dass die Macher der Sommerinterviews gar keinen Anspruch hätten, irgendetwas zu erfahren.
Die Autorin findet es schrecklich, wenn mit Verweis auf "die arme Fleischereifachverkäuferin" behauptet würde, bestimmte Dinge seien zu komplex, um klare Antworten zu geben oder Handlungen abzuleiten. Denn meistens seien die Dinge nicht so komplex, egal ob in den Debatten über Klima, Landwirtschaft oder Pandemie.
"Wenn Sie immer sagen, alles ist komplex und alles muss auf so einem doofen Niveau diskutiert werden, damit locken sie auch nur die Doofen an", sagt Kiyak.
Aus der Öffentlichkeit gedrängt
Philosophen, Wissenschaftler, Intellektuelle fände man eher nicht in der großen Öffentlichkeit, bedauert die Schriftstellerin: Einerseits würden sie teilweise herausgedrängt, weil es nicht die Formate gebe, in denen sie sprechen könnten. Andererseits hielten sie sich teilweise selber von ihr fern, weil sie nicht Teil sein wollten von dieser "sogenannten gesellschaftspolitischen Debatte", die in der großen Öffentlichkeit stattfinde.
"Wer möchte, kann auf Theaterbühnen hervorragende Diskussionen und Gespräche erleben", findet Kiyak. Aber dort fänden sie eben in einer Nische statt. Sie wünscht sich: "Vor allem muss man diese saudummen Polittalkshows alle auf der Stelle abschaffen."
(jfr)