Schriftstellerin Natascha Wodin

"Schreiben ist eine Möglichkeit, Leben zu ersetzen"

Die Gewinnerin des Preises der Leipziger Buchmesse 2017: Natascha Wodin.
Natascha Wodin: Für ihren Roman "Sie kam aus Mariupol" erhielt sie den Preis der Leipziger Buchmesse 2017. © imago / STAR-MEDIA
Natascha Wodin im Gespräch mit Susanne Führer |
Nachdem ihre Mutter sich das Leben genommen hatte, fand Natascha Wodin als Kind Trost im Schreiben. Literatur bedeutet für sie eine Herausforderung, bei der es um Sein oder Nichtsein geht. Heute erscheint ihr neuer Roman "Irgendwo in diesem Dunkel".
"Sie kam aus Mariupol" – mit diesem Roman hat Natascha Wodin den Preis der Leipziger Buchmesse 2017 in der Kategorie Belletristik gewonnen. Ein Buch über ihre Mutter, die als junge Frau aus der Sowjet-Ukraine nach Hitler-Deutschland verschleppt worden war, zur Zwangsarbeit. Und über die kleine Natascha, die kurz nach Kriegsende in einem Lager für Displaced Persons in Bayern auf die Welt gekommen ist, als Kind von Zwangsarbeitern, das in Baracken aufwächst, als "Kehricht, der vom Krieg übrig geblieben war", wie sie schreibt:
"Das war das Gefühl, das mir die Außenwelt vermittelt hat. So fühlte ich mich tatsächlich als Kind: irgendwie als Abfall."

Schreiben, um den Suizid der Mutter zu ertragen

Ihre Mutter, schwer psychisch krank und traumatisiert, tötete sich selbst, als Natascha Wodin zehn Jahre alt war, nach jahrelangem Martyrium für Mutter und Tochter. Das zurückgelassene Kind begann mit dem Schreiben:
"Ab dem Tod meiner Mutter habe ich angefangen, dem Papier 'was zu erzählen und mir selbst 'was zu erzählen."
Die Erfahrung des gegen die eigene Einsamkeit anschreibenden Mädchens hat die Schriftstellerin Natascha Wodin geprägt:
"Jedes Buch ist existenziell. Wenn man sich 'mal für das Buch entschlossen hat, dann gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: es zu schreiben oder zu scheitern – und zwar total. Ich stehe jedes Mal, wenn ich ein Buch schreibe, vor der Frage: 'to be or not to be'."

Leben im Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit

Und darum stellte sie sich in späten Jahren auch der existenziellen Frage des Alterns, mit dem Roman "Alter, fremdes Land":
"Das Alter – für mich ist es die größte Herausforderung meines Lebens. Vor der Tatsache zu stehen, dass der Körper anfängt kaputt zu gehen, und dass es mich bald nicht mehr geben wird. Und dann dieses Leben trotzdem weiterzuleben und versuchen, es womöglich auch noch anzunehmen. Das finde ich schier unmöglich. Aber ich versuche es."
(Die Sendung ist eine Wiederholung des Interviews vom 14.12.2017)
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