Schriftstellerin Nina George

"Ich möchte keinen Diktator in meinen Büchern"

34:05 Minuten
Nina George, im weißen Hemd, mit blondem, schulterlangem Haar und rot geschminkten Lippen, steht an einem Fenster, so dass von links Licht auf ihr Gesicht fällt.
Drei Identitäten, eine Handschrift: Die Schriftstellerin Nina George ist in unterschiedlichen Genres mit drei verschiedenen Namen unterwegs. © Helmut Henkensiefken
Moderation: Britta Bürger |
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Mit ihrem Roman "Das Lavendelzimmer" landete sie einen Welterfolg. Doch die Bestsellerautorin Nina George schreibt auch Erotik-Ratgeber und Krimis. Und sie engagiert sich politisch und kämpft dabei für die Rechte von Autorinnen und Autoren.
Nina George ist drei Autorinnen in einer Person. Denn die 48-Jährige schreibt unter drei Namen.
Als Anne West veröffentlicht sie Erotikratgeber, als Jean Bagnol Provencekrimis. Und unter ihrem Klarnamen verfasste George unter anderem den Bestsellerroman "Das Lavendelzimmer", erschienen in 37 Sprachen.

Erotische Stoffe unter Pseudonym

Warum es gleich drei Namen sein müssen, das habe mit der Buchbranche zu tun, aber auch mit einer persönlichen Geschichte, erzählt die Autorin. In den 1990er-Jahren begann Nina George Erotikbücher zu schreiben.
Ihr damaliger Chefredakteur bei einer Familienzeitschrift soll mit Entlassung gedroht haben, wären diese Bände unter ihrem Namen erschienen. "Also habe ich das unter Pseudonym veröffentlicht."

"Zwei Menschen lesen nie dasselbe Buch"

Dann sind da noch der Buchhandel und die Verlage. Die, so George, "versuchen eine Marke aufzubauen, dass man sich darauf verlassen kann: Wenn 'George' draufsteht, ist es ein Gegenwartsroman. Wenn 'Jean Bagnol' draufsteht, dann hat es was mit Provence und Kriminalliteratur zu tun. Und bei 'Anna West' geht es dann verlässlich um das eine - und sehr vieles andere".
Auch mit "Die Mondspielerin" und "Das Traumbuch" kam George bei den Leserinnen und Lesern an, bei den Rezensentinnen und Rezensenten war das Echo sehr gemischt. Denis Scheck zerriss "Das Lavendelzimmer" regelrecht, sprach von einem "Schmachtfetzen". Die US-Moderatorin Oprah Winfrey sei dagegen sehr überschwänglich gewesen.
"Das war für mich wieder der Beweis, dass zwei Menschen nie dasselbe Buch lesen", sagt George. "Das hat mich getröstet, auch für meine eigene Schriftstellerei. Denn man darf sich davon nicht verstummen lassen. Aber ich war für eine Weile verstummt."

Universelle Erfahrung von Verlust

Ob in England, in Australien oder in Polen, in zahlreichen Ländern stand der Roman über einen Pariser Buchhändler ganz weit oben in den Verkaufslisten. Was hat diese Geschichte, dass sie weltweit Menschen, egal welche Sprache sie sprechen, fasziniert?
"Ich denke, es ist ein sehr universelles Gefühl dort drin. Wie überwindet man es, wenn man jemanden verloren hat, der einem die Welt bedeutet. Das ist in diesem Fall auch die Geschichte von Jean Perdu. Er hat seine große Liebe verloren und versucht aus dieser Versteinerung, die dieser Verlust ausgelöst hat, wieder herauszukommen. Ich denke, das ist dieses universelle Gefühl, das uns über alle Grenzen und Sprachen hinweg verbindet."

Präsidentin des European Writers Council

In ihren Büchern finden sich kaum politische Themen, aber seit Jahren engagiert sich die Schriftstellerin auf vielen Ebenen für die Rechte von Autorinnen und Autoren. George ist unter anderem Verwaltungsrätin bei der VG Wort, seit 2019 auch Präsidentin des "European Writers Council". Das ist der Dachverband von aktuell 46 Schrifsteller- und Übersetzer-Verbänden.
Vor zehn Jahren - ihr Vater war gerade gestorben, gleichzeitig erholte sie sich von einer schweren Operation - begann George, sich gezielt mit politischen Themen zu beschäftigen.

"Ich hatte Zeit und wollte mich ablenken"

"Aus dieser Phase von Trauer und Schmerz habe ich mich nach und nach rausgeholt", sagt George. "Ich hatte Zeit und wollte mich ablenken. Und ich entdeckte in verschiedenen politischen Programmen merkwürdige Ansichten und Absichten darüber, wie mit Kultur und Kulturschaffenden in Deutschland umgegangen werden soll."
Um sich nicht zu verzetteln, habe sie sich vor allem auf drei Themen fokussiert: auf das Urheberrecht "mit seinen ökonomischen und moralischen Bedingungen, andererseits ökonomische, wirtschaftliche Bedingungen im digitalen Umfeld" und auch auf das Thema "Frauen im Literaturbetrieb, sowie die Verteidigung der Meinungsfreiheit und der Kunstfreiheit", erzählt Nina George.

Engagement für Belarus

Als Präsidentin des "European Writers Council" beschäftige sie sich derzeit besonders mit Belarus und den Schriftstellerinnen und Schriftstellern dort: "Da entwickeln wir gerade verschiedene Programme, wie wir sie unterstützen können. Einerseits geht es natürlich darum, sie aus dem Land zu holen, aber auch darum, die ganzen zwangsgeschlossenen Organisationen im Ausland wiederaufzubauen."
Nina George, so scheint es, möchte ihr politisches Engagement und die Literatur klar voneinander trennen. Den Roman zur Klimakrise, über dessen Fehlen in einigen Feuilletons gerade intensiv diskutiert wird, den wolle sie nicht schreiben:
"Wenn ich Geschichten erzähle, dann muss ich mich von dieser Welt entfernen. Ich möchte keine Piratenpolitiker in meinen Büchern haben, ich möchte keinen illegitimen Diktator in meinen Büchern haben. Dennoch habe ich den Wunsch, politische Essays zu schreiben. Aber im Roman, da möchte ich meine Welt haben, mein privates Schriftsteller-Ich ausleben."
(ful)
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