Hilfe beim Kampf gegen Mobbing und Gewaltverherrlichung
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Mediennutzung ist in der Regel eine private Angelegenheit und für viele Schüler sehr wichtig. Doch sehr schnell kann dabei so einiges schief gehen und fatale Folgen haben. In einem Schulprojekt in NRW helfen sich Schüler gegenseitig.
"Ich bin Anisa, ich bin 14 Jahre alt, gehe in die neunte Klasse und bin seit der siebten Klasse Medienscout."
"Ich bin Marco, bin 14 Jahre alt und bin so seit einem Jahr dabei."
"Ich bin Linda …"
Es ist ein Donnerstagnachmittag. In einem Klassenraum der Werner-von-Siemens-Realschule in Düsseldorf sitzen Anisa, Marco, Linda und drei weitere Schüler und Schülerinnen zusammen und tauschen sich über ihre Arbeit als Medienscouts aus. Vor wenigen Tagen erst haben sie alle Fünftklässler der Schule über die Gefahren und Probleme im Umgang mit sozialen Medien und dem Internet aufgeklärt.
Lehrerin Sibel Demirak und Lehrer Samet Bahar leiten die Gruppe.
"Am Freitag wart ihr ja sehr eingebunden und durftet als Lehrer sozusagen den Schülern was beibringen, wie war das, wie habt ihr das empfunden?"
"Wir haben die Stationen wie Spiele gestaltet, die Kinder mussten selbst herausfinden, zum Beispiel bei den Passwörtern, welche Passwörter gut sind und welche schlecht", erzählt der 14-jährige Labinot.
"Es gab viele Fünftklässler, die wussten nicht mal, dass man Passwörter einstellen kann."
Zwei Drittel der Elfjährigen haben ein Smartphone
Schätzungen zufolge haben mehr als zwei Drittel der Elfjährigen in Deutschland ein Smartphone. Sie bekommen es zum Schulwechsel oder Geburtstag geschenkt – eine Einführung in den Umgang damit bekommen viele aber nicht, sagt Lehrerin Demirak.
"Wir brauchen da sensible Eltern. Die geben einem Kind ein Handy in die Hand und: 'Mach!' Das ist das fahrlässigste, was man machen kann."
Denn mit dem Smartphone eröffnet sich für die Kinder eine neue – und auch gefährliche – Welt: In sozialen Medien und Chats kommt es immer wieder zu Anfeindungen, gar Mobbing. Manche Kinder schicken sehr private Fotos ganz unbedarft hin- und her, es gibt Spiele, die Gewalt verherrlichen und pornografische Inhalte auf Plattformen wie YouTube.
Nordrhein-Westfalen hat deshalb 2011 das Projekt "Medienscouts" ins Leben gerufen. Extra ausgebildete Schülerinnen und Schüler sollen Schulkameraden zum Thema digitale Medien beraten – und bei Problemen helfen.
"Ich erinnere mich an einen Fall, da waren Sechstklässlerinnen oder Siebtklässlerinnen, die haben halt Pornografie-Bilder bekommen. Und die wussten halt nicht, wie die das angehen sollen", erzählt Medienscout Marco. Er hat den Schülerinnen geraten, zur Polizei zu gehen.
"Wir haben das halt so geregelt, dass wir von Schülern zu Schülern sprechen, weil dann so eine Schüchternheit auch mit weggeht, anstatt dass man mit Lehrern spricht", sagt die 14-jährige Ann-Kathrin.
Lehrer kommen hinzu, wenn es zu extrem wird
Und Leon erklärt: "Weil: Das ist ja auch eine andere Respekt-Ebene. Gegenüber einem Lehrer traut man sich nicht, manche Sachen zu sagen. Die denken dann: Scheiße, dann bekomme ich ja einen Tadel oder so, wenn ich dies und das erzählen sollte. Wir dürfen an sich keine richtigen Strafen aufsetzen. Nur wenn es zu extrem wird, ziehen wir dann Lehrer dazu."
Mehr als 3.500 Medienscouts sind in NRW bisher ausgebildet worden, sie sind an etwa 700 Schulen im Einsatz. Bald sollen es noch mehr werden: Nach den Plänen des Schulministeriums wird das Projekt auf insgesamt 1000 weiterführende Schulen ausgeweitet. Mittlerweile haben auch andere Bundesländer das Projekt "Medienscouts" übernommen.
"Dadurch dass wir eine digitale Generation sind, ist es halt so, dass die Eltern auch nicht viel darüber Bescheid wissen."
Die Medienscouts werden in fünf einzelnen Tages-Workshops von der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien ausgebildet. Später sorgen verschiedene Netzwerktreffen dafür, dass das Wissen immer wieder neu aufgefrischt wird. Auch die betreuenden Lehrer werden geschult.
"Das sind wirklich ganz tolle Informationen, die wir da mitnehmen. Es ist nämlich – das Thema – es ist nie aktuell. Jeden Tag ändert sich was und egal, wie bewandert man in der Thematik ist, morgen kann alles wieder anders sein. Und da versuchen wir, uns immer up to date zu halten."
Die Schüler, beobachtet Lehrer Samet Bahar, müssten dagegen oftmals weit weniger "up to date" gebracht werden, denn sie sind ja selbst Teil dieses digitalen Lebens der Jugend.
Unterstützung auch von der GEW
"Ich bin auch selbst 28 Jahre alt, also relativ jung eigentlich. Und dann reden die über 'Fortnite' und über 'Call of Duty', über 'Tik Tok', wo ich mir denke: Okay, naja, ich habe gar nicht so den Bezug dazu. Und die Schüler, die wir haben, die Medienscouts, die nutzen das jeden Tag, beziehungsweise sie wissen, wer es nutzt, wie sie es nutzen und können den Schülern das viel authentischer erzählen und erklären."
Die Lehrergewerkschaft GEW unterstützt das Projekt "Medienscouts". Solche Peer-to-Peer-Ansätze, also die Idee, dass Schüler sich untereinander auf Augenhöhe begegnen, seien gut und hätten sich auch in anderen Bereichen schon bewährt, sagt die Vorsitzende der GEW Nordrhein-Westfalen, Meike Finnern: "Aber es ist trotzdem wichtig, dass Lehrkräfte auch wissen, was im Internet abgeht. Das ist ganz klar. Denn wir erleben ja zunehmend auch Mobbing gerade über soziale Netzwerke, wir erleben, dass Kinder und Jugendliche auf Seiten unterwegs sind, auf denen sie nicht unterwegs sein dürften. Und deswegen ist es schon wichtig, dass auch Lehrkräfte da entsprechend fortgebildet werden und wissen, worum es geht."
Sie würde sich wünschen, dass nicht nur ein paar wenige Lehrer an den Medienscouts-Schulen eine solche Fortbildung erhielten, sondern Lehrkräfte insgesamt.
An der Werner-von-Siemens Realschule in Düsseldorf werden Sibel Demirak und Samet Bahar häufig von Kolleginnen und Kollegen angesprochen, wenn sie bei einem Problem in ihrer Klasse selbst nicht mehr weiter wissen.
"Sehr oft. Aber wir versuchen dann immer erst mal, die Schüler an die Schüler zu vermitteln, damit nicht sofort der Lehrer da steht und mit dem Zeigefinger berät."
Weniger Probleme mit sozialen Netzwerken, Mobbing oder anderen digitalen Übergriffen gibt es an der Schule seit Beginn des Medienscouts-Projekts nicht, sagt Sibel Demirak. Aber alle wüssten viel besser, wie sie damit umzugehen haben.