"Wir entscheiden selber"
Vier Berliner Schulen wagen das Experiment eines Schülerhaushaltes: Die Kinder und Jugendlichen erhalten jeweils 4000 Euro, über deren Verwendung sie frei verfügen können. Am Ende des Projektes bleiben allerdings ein paar Fragen unbeantwortet.
Die Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule in Berlin-Moabit – im Verwaltungs-Sprech eine Brennpunktschule. Das heißt: acht von zehn Eltern erhalten Hartz IV oder verdienen so wenig Geld, dass sie weder die Klassenfahrt selber zahlen müssen noch die Schulbücher. Acht von zehn Kindern stammen aus Einwandererfamilien.
"Leider muss man sagen, dass es noch nicht zur Normalität gehört, dass unsere Schüler oder Jugendliche in diesem Sozialraum sich so ernst genommen fühlen, dass sie tatsächlich auch glauben, dass das, was sie sagen, wird womöglich auch umgesetzt."
Sagt Schulleiterin Annedore Dierker. Sie wünscht sich eine stärkere Schülervertretung – die Klassen- und Schulsprecher sind ihr zu zahm.
"Es ist momentan noch so, dass unsere Schülerinnen und Schüler sehr zaghaft sind in der Formulierung von Bedürfnissen, Wünschen und Anliegen. Die Macht und die Stärke, die sie haben, die müssen wir ihnen noch vermitteln."
Deshalb war Annedore Dierker sofort begeistert, als sie von der Einführung eines Schülerhaushaltes hörte – die Kinder und Jugendlichen erhalten ein eigenes Budget. Die Berliner Servicestelle Jugendbeteiligung wirbt mit dieser Idee – Deborah Kröger:
"Die Grundidee des Schülerhaushalts ist, den Schülerinnen und Schülern eine andere Art und Weise von Beteiligung zu vermitteln, bzw. das in Schule noch mehr oder auf eine andere Art und Weise zu verankern."
Die Wunschliste ist lang
Die konkrete Umsetzung in Berlin: vier Schulleitungen erklärten sich bereit, jeweils 4000 Euro aus ihrem eigenen Budgets loszueisen und sie den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung zu stellen. Die wissen genau, wofür sie das Geld ausgeben wollen.
"Unsere schöne herrliche Toilette."
Layan Bae, Schulsprecherin der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule, hält sich die Nase zu, öffnet die Tür zur Mädchentoilette. Hier fehlt es an allem, sagt sie.
"Toilettenzubehör, vielleicht eine neue Toilettenschüssel, -brille. Und dann solche Basics wie der Spiegel, wie Handtücher oder etwas, damit wir uns hygienisch verhalten können."
Die Wunschliste der Schülerinnen und Schüler ist lang. Die Mensa könnte gemütlicher sein – Sofas wären schön oder auch ein paar Grünpflanzen. Und dann sind da noch die fehlenden Jalousien in einigen Klassenräumen. Tropische Temperaturen über 40 Grad im Sommer - keine Seltenheit.
Wieso Selbstverständlichkeiten aus Budget bezahlen?
"Wir haben leider improvisieren müssen mit Zeitungen, die wir an die Fenster geklebt haben, wenn es unerträglich wurde. Oder wir mussten uns weiter wegsetzen. Wir hatten Kopfschmerzen. Das wäre für mich sehr sehr wichtig."
Doch nicht alle Schülerinnen und Schüler leiden unter fehlenden Jalousien, die Mehrheit votierte deshalb für eine bessere Ausstattung der Toiletten. Schulleiterin Annedore Dierker freut sich über die Entscheidung.
"Also sehr sehr realistisch und pragmatisch. Vollkommen unrealistisch hätte es ja auch ausfallen können. Das hat mich gefreut. Also so vernünftig wie unsere Schüler sind."
Schulleiterin Dierker ist bereit, auch künftig Geld aus ihrem Budget direkt den Schülern zur Verfügung zu stellen. Eine rundum positive Bilanz also? Eine Frage bleibt: Wieso müssen Schüler aus ihrem Budget Selbstverständlichkeiten bezahlen wie Seifenspender, Handtücher, Toilettenbrillen und Spiegel?