Zwischen Skepsis und Vorfreude - Schulbeginn in Zeiten von Corona
Darüber diskutiert Katrin Heise heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit der Medizinerin Ingeborg Krägeloh-Mann und dem Schulleiter Ralf Treptow. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de" target="_blank" href="https://www.deutschlandfunkkultur.de/im-gespraech.969.de.html">gespraech@deutschlandfunkkultur.de. Besuchen Sie uns auch auf Facebook, Instagram und Twitter!
Zwischen Skepsis und Vorfreude
88:57 Minuten
Noch sind Ferien, aber das nächste Schuljahr naht. Und auch dieses wird von Corona überschattet. Wie bereiten sich Schulen vor? Droht uns wieder das Homeschooling? Auch über das Infektionsrisiko von Kindern und Jugendlichen wird intensiv diskutiert.
Hinter vielen Eltern, Kindern und Lehrenden liegen harte Monate: Die Schulen geschlossen, man übte sich in Homeschooling, mit mehr oder weniger Erfolg. Kinder konnten ihre Freunde nicht oder nur eingeschränkt sehen, Großelternbesuche waren für viele tabu.
Wie kaum zuvor zeigte sich in diesen Monaten auch die soziale Schere: Wer hat Zugang zu digitalen Mitteln? Welche Eltern konnten von heute auf morgen Ersatzlehrerinnen oder -lehrer spielen? Nach den Ferien soll nun wieder Regelbetrieb in den Schulen einkehren – aber wie soll das funktionieren? Und wie risikoreich ist der Neustart?
Skepsis eines Schulleiters
"Derzeit fährt die deutsche Bildungspolitik auf Sicht durch den Coronanebel", sagt Ralf Treptow, Schulleiter des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums in Berlin-Pankow."
Der Stellvertretende Vorsitzende der Bundesdirektorenkonferenz sieht mit Skepsis auf den Schulbeginn: Wie sollen Hygienemaßnahmen eingehalten werden, wenn es in den meisten Schulen noch nicht einmal Warmwasser gibt? Wie soll der Lehrplan erfüllt werden?
Langfristige Folgen befürchtet
Mit Rückblick auf den Lockdown sagt er: "Meine größte Sorge ist, dass wir bald 40 Prozent des Schuljahres verloren haben. Besonders deutlich zeigt sich das bei den Schülern, die nächstes Jahr Abitur machen. Ihnen fehlt entscheidender Stoff. Wie sollen wir denen im nächsten Frühjahr das Abitur abnehmen?"
Problematisch sei auch die Situation in den Grundschulen: "Im ersten Jahr sollen ja die Grundlagen gelegt werden: lesen, schreiben, rechnen. Und die konnten gerade mal die Hälfte des Schuljahres in der Schule lernen. Das wird uns im schlechtesten Falle über ein Jahrzehnt verfolgen."
Je jünger die Kinder, desto geringer das Infektionsrisiko
"Es ist sehr gut belegt aus Studien, dass Kinder sehr viel weniger infektiös sind als Erwachsene", sagt Prof. Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Bis zum März 2020 war sie Ärztliche Direktorin für Kinderheilkunde an der Universität Tübingen.
Die anfängliche Angst, dass Kinder wahre Virenschleudern sein könnten, habe sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Je jünger die Kinder, umso geringer sei das Infektionsrisiko, das von ihnen ausgeht. Deshalb haben verschiedene Fachgesellschaften – unter anderem die DGKJ – Empfehlungen formuliert, damit Schulen und Kitas wieder geregelt öffnen können.
"Was wichtig ist, dass der Kontakt nicht zu sehr wechselt, ob in der Kita, dem Kindergarten oder den unteren Klassen. Überall, wo Kinder das Social Distancing nicht einhalten können, dass man dort versucht, die Gruppen so homogen wie möglich zu halten", sagt Ingeborg Krägeloh-Mann.
"Covid ist für Kinder das geringste Problem"
Derzeit stellen sich für die Medizinerin noch viele Fragen: "Wer darf in die Schule oder in die Kita? Wann muss man testen? Wen muss man testen? Nicht jedes Kind muss, wenn es nur einen kleinen Schnupfen hat, nach Hause geschickt werden. Das Leben hat nie null Risiko, und man muss zwischen bestimmten Aspekten abwägen."
Ihre Mahnung: "Es macht keinen Sinn, auf Covid zu starren. Covid ist für Kinder das geringste Problem. Es gibt Viren, die Kinder sehr viel mehr betreffen, zum Beispiel Influenza-Viren. Die sind bei Kindern genauso gefürchtet, wie bei Erwachsenen."
(sus)