Schuld und Sühne
"Alles, was ich über Moral und Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Fußball" - dieser Satz von Albert Camus ist Leitmotiv eines Films, der die Zustände in der "Terza Categoria", der dritten italienischen Liga, beschreibt. Dabei wird klar: Lug und Betrug herrschen nicht nur in Italiens Stadien.
Mit geballten Fäusten verfolgt ein französisches Fußballteam fluchend den italienischen Schiedsrichter, der sich am Ende eines Champions-League-Spiels gerade noch in die Kabine retten kann.
Eigentlich wollte Paolo Zucca auch diese Szene in Sardinien drehen, bei der Cruciani, die Hauptfigur seines Films, den Hass von Kollegen und Spielern zu spüren bekommt, weil sie den Skandal wittern. Doch das einzige internationale Stadion der Insel in Cagliari ist wegen baulicher Mängel gesperrt. Das Ausweichen der Filmcrew ins San-Nicola-Stadion von Bari passt jedoch perfekt zum Drehbuch. Bari, 2011 noch erstklassig, ist tief in Italiens größten Wettskandal verstrickt und kämpft um den Erhalt der Drittklassigkeit.
Geduldig erklärt der Regisseur den ungestümen Komparsen, dass sie die Schiedsrichter nicht berühren sollen, im wahren Spiel würden sie dafür ausgeschlossen. Der 36-Jährige ist Perfektionist und liebt Fußball, was seine Statur nicht verrät. Trotzdem fällt der Sarde mit den dunklen Augen, dicken, schwarzen Brauen und dem Schnäuzer sofort auf.
"Fußball eignet sich hervorragend für Metaphern und Symbolik. Hier gelten viele Regeln, die auch außerhalb des Platzes das Leben bestimmen. Man zahlt für die eigenen Fehler – oder auch nicht, weil etwas Unvorhergesehenes passiert. Das Prinzip Schuld und Sühne zieht sich durch den Film wie ein roter Faden."
Historisches Vorbild ist der Skandal aus dem Jahr 2006 um den damaligen Juventus-Manager Luciano Moggi. Doch Zucca weitet das Thema auf die Gesellschaft und jene "dünne Linie zwischen Kumpanei und Betrug" aus, die, wie er sagt, nicht nur den italienischen Fußball, sondern das ganze Land vergiftet hat.
"Das, was mich an dieser Geschichte interessiert, war nicht Bestechung durch Geld, was als Motiv viel zu banal ist, sondern die Eitelkeit einzelner Personen. Die eines Top-Schiedsrichters, genannt "der Prinz", der sich eines Tages auf die Korrpution einlässt und sich in deren Mechanismen wiederfindet, die komödiantisch wirken."
Komödie und Tragödie liegen in diesem Film eng beeinander, so ist es ja auch oft in Italiens Politik.
Bei der nächsten Szene, dem Schiedsrichterstreit, bittet er Hauptdarsteller Stefano Accorsi, das improvierte Schimpfwort "cazzo" lieber nicht zu verwenden, weil es inzwischen in jedem itallienischen Film vorkommt. Kein Charakter, so der Regisseur, bietet sich beim Fußball so sehr wie der Schiedsrichter dafür an, ihn als Metapher des Lebens zu erzählen. Denn er ist "Richter und Sündenbock" zugleich.
"Und das Stadion ist die Arena, in der diese Kräfte aufeinanderstoßen. Am Ende des Films gibt es auch eine Apokalypse. Eine Art biblisches Urteil, das den freispricht, der Freispruch verdient und den bestraft, der bestraft werden muss."
Stefano Accorsi hat für die Rolle des Cruciani sofort zugesagt, erzählt er, als Zucca ihm am Ende des Drehtags auf einem Monitor die Szene eines Fußballspiels zeigt, die sie vorigen Sommer in Sardinien gedreht haben.
"Paolos Film ist sehr originell, was leider in Italien immer seltener vorkommt, weil wir kein solides Produktionssystem mehr haben. Es reicht, dass eine Komödie erfolgreich ist, und alle wollen sofort Komödien machen."
Der 42-jährige Beau aus Bologna, der in Frankreich lebt und mit Laetitia Casta verheiratet ist, zählt zu Italiens prominentesten Schauspielern – eine Art intellektuelle Version von Til Schweiger. Mit Fußball hat er es normalerweise nicht so.
"Ich haue gern mal mit dem Fuß einen Ball weg, aber der Ball geht nicht immer da hin, wo ich will. Ich habe Null Ahnung von Fußball."
Umso mehr hat es ihn fasziniert, das Spiel aus Sicht eines Schiedsrichters kennenzulernen, dessen Job von "grausamer Einsamkeit" sein kann, wie er jetzt weiß. Richtig überrascht aber hat Accorsi, seine große Stirn in anerkennende Falten werfend, das Kino-Debüt von Paolo Zucca.
"Er ist unglaublich anspruchsvoll und will auch kleinste Details authentisch umsetzen. Regisseure mit dieser Leidenschaft sind selten. Die meisten geben sich schon damit zufrieden, wenn das, was sie im Sinn hatten, irgendwie von selbst zustande kommt."
Als in Bari die letzten Drehs endlich im Kasten sind, sieht sich Produzent Amedeo Pagani noch einmal die Schlusszene an, die einen Fußballclub bei einem großen Fest mit einem Schiedsrichter als Helden zeigt. Pagani, ein alter Hase, der für Kino-Mythen wie Angelopoulos oder mit Wong Kar-Wie gearbeitet hat, ist sich sicher, dass das Publikum in den eleganten Schwarzweißbildern sofort eine besondere Handschrift des Regisseurs erkennen wird. Der Kurzfilm hat über 40 Preise eingeheimst, vielleicht klappt es ja auch beim Kinofilm. Eine Vorabkopie haben die beiden gerade an das Festival von Cannes geschickt.
"Paolo hat eine gute Arbeit abgeliefert. Wenn ein Film läuft, dann merkst du das. Er ist fertig, wir haben ein glückliches Gefühl. Aber wir wissen auch, dass es keinerlei Zusammenhänge geben muss zwischen der Schönheit eines Films und seinem Erfolg – leider!"
Eigentlich wollte Paolo Zucca auch diese Szene in Sardinien drehen, bei der Cruciani, die Hauptfigur seines Films, den Hass von Kollegen und Spielern zu spüren bekommt, weil sie den Skandal wittern. Doch das einzige internationale Stadion der Insel in Cagliari ist wegen baulicher Mängel gesperrt. Das Ausweichen der Filmcrew ins San-Nicola-Stadion von Bari passt jedoch perfekt zum Drehbuch. Bari, 2011 noch erstklassig, ist tief in Italiens größten Wettskandal verstrickt und kämpft um den Erhalt der Drittklassigkeit.
Geduldig erklärt der Regisseur den ungestümen Komparsen, dass sie die Schiedsrichter nicht berühren sollen, im wahren Spiel würden sie dafür ausgeschlossen. Der 36-Jährige ist Perfektionist und liebt Fußball, was seine Statur nicht verrät. Trotzdem fällt der Sarde mit den dunklen Augen, dicken, schwarzen Brauen und dem Schnäuzer sofort auf.
"Fußball eignet sich hervorragend für Metaphern und Symbolik. Hier gelten viele Regeln, die auch außerhalb des Platzes das Leben bestimmen. Man zahlt für die eigenen Fehler – oder auch nicht, weil etwas Unvorhergesehenes passiert. Das Prinzip Schuld und Sühne zieht sich durch den Film wie ein roter Faden."
Historisches Vorbild ist der Skandal aus dem Jahr 2006 um den damaligen Juventus-Manager Luciano Moggi. Doch Zucca weitet das Thema auf die Gesellschaft und jene "dünne Linie zwischen Kumpanei und Betrug" aus, die, wie er sagt, nicht nur den italienischen Fußball, sondern das ganze Land vergiftet hat.
"Das, was mich an dieser Geschichte interessiert, war nicht Bestechung durch Geld, was als Motiv viel zu banal ist, sondern die Eitelkeit einzelner Personen. Die eines Top-Schiedsrichters, genannt "der Prinz", der sich eines Tages auf die Korrpution einlässt und sich in deren Mechanismen wiederfindet, die komödiantisch wirken."
Komödie und Tragödie liegen in diesem Film eng beeinander, so ist es ja auch oft in Italiens Politik.
Bei der nächsten Szene, dem Schiedsrichterstreit, bittet er Hauptdarsteller Stefano Accorsi, das improvierte Schimpfwort "cazzo" lieber nicht zu verwenden, weil es inzwischen in jedem itallienischen Film vorkommt. Kein Charakter, so der Regisseur, bietet sich beim Fußball so sehr wie der Schiedsrichter dafür an, ihn als Metapher des Lebens zu erzählen. Denn er ist "Richter und Sündenbock" zugleich.
"Und das Stadion ist die Arena, in der diese Kräfte aufeinanderstoßen. Am Ende des Films gibt es auch eine Apokalypse. Eine Art biblisches Urteil, das den freispricht, der Freispruch verdient und den bestraft, der bestraft werden muss."
Stefano Accorsi hat für die Rolle des Cruciani sofort zugesagt, erzählt er, als Zucca ihm am Ende des Drehtags auf einem Monitor die Szene eines Fußballspiels zeigt, die sie vorigen Sommer in Sardinien gedreht haben.
"Paolos Film ist sehr originell, was leider in Italien immer seltener vorkommt, weil wir kein solides Produktionssystem mehr haben. Es reicht, dass eine Komödie erfolgreich ist, und alle wollen sofort Komödien machen."
Der 42-jährige Beau aus Bologna, der in Frankreich lebt und mit Laetitia Casta verheiratet ist, zählt zu Italiens prominentesten Schauspielern – eine Art intellektuelle Version von Til Schweiger. Mit Fußball hat er es normalerweise nicht so.
"Ich haue gern mal mit dem Fuß einen Ball weg, aber der Ball geht nicht immer da hin, wo ich will. Ich habe Null Ahnung von Fußball."
Umso mehr hat es ihn fasziniert, das Spiel aus Sicht eines Schiedsrichters kennenzulernen, dessen Job von "grausamer Einsamkeit" sein kann, wie er jetzt weiß. Richtig überrascht aber hat Accorsi, seine große Stirn in anerkennende Falten werfend, das Kino-Debüt von Paolo Zucca.
"Er ist unglaublich anspruchsvoll und will auch kleinste Details authentisch umsetzen. Regisseure mit dieser Leidenschaft sind selten. Die meisten geben sich schon damit zufrieden, wenn das, was sie im Sinn hatten, irgendwie von selbst zustande kommt."
Als in Bari die letzten Drehs endlich im Kasten sind, sieht sich Produzent Amedeo Pagani noch einmal die Schlusszene an, die einen Fußballclub bei einem großen Fest mit einem Schiedsrichter als Helden zeigt. Pagani, ein alter Hase, der für Kino-Mythen wie Angelopoulos oder mit Wong Kar-Wie gearbeitet hat, ist sich sicher, dass das Publikum in den eleganten Schwarzweißbildern sofort eine besondere Handschrift des Regisseurs erkennen wird. Der Kurzfilm hat über 40 Preise eingeheimst, vielleicht klappt es ja auch beim Kinofilm. Eine Vorabkopie haben die beiden gerade an das Festival von Cannes geschickt.
"Paolo hat eine gute Arbeit abgeliefert. Wenn ein Film läuft, dann merkst du das. Er ist fertig, wir haben ein glückliches Gefühl. Aber wir wissen auch, dass es keinerlei Zusammenhänge geben muss zwischen der Schönheit eines Films und seinem Erfolg – leider!"