Vergleichstest in der Kritik
Zehn Jahre nach Einführung der Vergleichsarbeiten (VERA) finden die Bildungsverbände harte Worte. Sie seien eine "sinnlose Testeritis" ohne dass Konsequenzen aus den Ergebnissen gezogen würden. Kosten und Aufwand der Schüler-Vergleichsarbeiten stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen. Die Ergebnisse würden in keinem Bundesland dazu führen, dass gezielt mehr Mittel oder Personal zur Unterrichtsverbesserung eingesetzt würden, so die Bildungsverbände.
Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe:
"Wir fordern von der Politik, dass sie evaluiert, aber dass sie den Lehrkräften Unterstützungsmöglichkeiten gibt. In allen Bundesländern fehlt es an Fortbildungszeit und an Zeitressource, um den Unterricht in kooperativen und Gesprächsformen miteinander zu besprechen und zu bearbeiten."
VERA sind Vergleichsarbeiten, die in den Klassen drei und acht bundesweit und zeitgleich geschrieben werden, und an denen sich alle 16 Bundesländer beteiligen. Gemessen wird nicht der reine Wissensstand, sondern die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Fächern Deutsch und Mathematik, in Klasse 8 kommt noch das Fach Englisch hinzu. Auch diese Beschränkung der Messung auf wenige Fächer lasse Fertigkeiten in anderen Bereichen außer acht, kritisierten die Bildungsverbände. Die standardisierten Fragen seien zudem oft unbrauchbar, um den tatsächlichen Kompetenzstand von Kindern zu messen.
"Das Ziel einer demokratischen Schule ist ja heute mehr und mehr ein inklusives Schulwesen. Das ist weltweit von der Gesetzgebung gewünscht. Und die VerA-Testaufgaben scheren die Kinder über einen Kamm. Und die Lehrkräfte müssen falsch, richtig, oder nicht bearbeitet aufschreiben, und können eine differenzierte Lösung der Kinder nicht wahrnehmen."
Sagte GEW-Vorsitzende Tepe.
Lehrer auf dem Prüfstand
Der Kern der Kritik bezieht sich aber auf die fehlende Auswertung der Daten an den Schulen. Laut einer GEW-internen Befragung von Mitgliedern im aktiven Schuldienst gaben nur 22 Prozent an, dass sie die Ergebnisse für die Schulentwicklung nutzen würden, damit könne die Politik nicht zufrieden sein. Und immerhin 12 Prozent der befragten Lehrer gaben an, dass sie schwächeren Schülern beim Ausfüllen der Formulare helfen würden, damit sie nicht zu sehr entmutigt würden. Nicht alle Schulen bewerten VerA negativ. Jürgen Stolze, Schulleiter einer Grundschule in Pankow, sieht es als Aufgabe der Schule an, sich in den Fachkonferenzen mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen und über mögliche Maßnahmen zu beraten.
Jürgen Stolze: "Ich finde allerdings den Aufwand einfach zu hoch. Dass jedoch Instrumente in die Schule rein müssen zur Leistungsmessung, das halte ich für einen Erfolg von VerA. Und dass damit verbunden ist auch eine gewisse Öffentlichkeit, der wir verpflichtet sind, die Ergebnisse darzulegen."
Was offenbar auch vielen Lehrern nicht schmeckt, ist die Doppelfunktion von VerA: Nicht nur die Schülerleistung wird beurteilt – viele Lehrer fühlen sich und ihren Unterricht auch selbst auf dem Prüfstand. Auch daher kommt möglicherweise ein gewisser Unmut, sich mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen. Dies müsse von der Politik stärker eingefordert und unterstützt werden, fordert Stolze.
Jürgen Stolze: "Ich sag jetzt mal, welche Motive Schulleiter und Schulen in der Haltung zu VerA3 haben, ist ja fast der Beliebigkeit überlassen. Diese Vera-Vergleichsarbeiten sind jetzt gesetzt in Berlin. Und es geht nicht darum, sie einfach zu ignorieren, und den Kollegen den Eindruck zu erwecken, sie seien im übrigen nicht so wichtig, sondern zu sagen, wir haben jetzt etwas womit wir arbeiten müssen."
Geliebt oder ungeliebt: Am 13.Mai startet sie dennoch wieder, die nächste Testrunde von VerA.