Ukrainische Schulkinder in Deutschland
Nach den Erfahrungen von 2015/2016 sollten geflüchtete Kinder in deutschen Regelklassen unterrichtet werden, fordert die Soziologin Juliane Karakayali. © imago images/Political-Moments
Bloß nicht separieren
08:13 Minuten
Einig ist man darüber, dass die vielen Jugendlichen aus der Ukraine in Deutschland schnell unterrichtet werden sollen. Die Frage ist nur: Wie? Vor separaten Klassen warnt die Soziologin Juliane Karakayali: Das sei in der Vergangenheit schiefgelaufen.
175.000 Menschen sind offiziell in den vergangenen drei Wochen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Die Kommunen und die Länder sind für sie verantwortlich. Die Bundesregierung hat sich mittlerweile bereit erklärt, Kosten dafür teilweise zu übernehmen und zu helfen. Unter den geflüchteten Menschen sind Zehntausende Kinder und Jugendliche, die beschult werden müssen. Und so werden in den meisten Ländern jetzt schon zusätzliche Klassen eingerichtet, die je nach Bundesland Willkommensklasse, Vorbereitungsklasse oder auch Deutschklasse heißen.
Der Nachteil von Sonderklassen
Mit großer Skepsis schaut auf solche separierten Sonderklassen allerdings Juliane Karakayali. Sie ist Professorin für Soziologie an der Evangelischen Hochschule Berlin und hat zur Integration von Kindern und Jugendlichen in Deutschland im Zuge der Fluchtereignisse 2015/2016 geforscht.
So sind mit einer parallelen Beschulung viele Probleme verbunden, sagt sie. In den Bundesländern gebe es bisher keine klaren Vorgaben für solche Klassen. Oft würden die einzelnen Lehrkräfte selbst entscheiden, worauf sie den Fokus legen.
"Das halte ich für eine große Gefahr"
Parallelsysteme hätten zudem immer die Tendenz, sich zu verstetigen. Vor allem dann, wenn sowieso schon reguläre Schulplätze fehlen würden. Wann sollen die Kinder und Jugendlichen unter solchen Umständen also in den Regelbetrieb übergehen, fragt die Soziologin. „Solange das nicht geklärt ist, halte ich das für eine große Gefahr, diese Parallelstrukturen zu etablieren.“
Juliane Karakayali warnt auch deshalb vor Sonderklassen, weil man Erfahrungswerte aus der Vergangenheit hat: „Das gab es ja schon mal in den 60er- und 70er-Jahren. Damals wurden die Kinder der Arbeitsmigrant:innen separat beschult, oft auch mit muttersprachlichen Lehrkräften in Türkisch, Spanisch oder Griechisch. Aber diese Kinder und Jugendlichen erhielten wirklich zweifelhaften Unterricht. Viele von ihnen haben die Schule ohne Abschluss verlassen.“
Unterricht nach ukrainischem Lehrplan?
Eine weitere Dynamik hat die Debatte durch Forderungen der ukrainischen Generalkonsulin Iryna Tybinka erhalten. So sollen ukrainische Flüchtlingskinder in Deutschland nach dem ukrainischen Lehrplan unterrichtet werden. Auch das hält Juliane Karakayali insgesamt für keine gute Idee. Solch ein Vorgehen wäre wohl auch weder organisatorisch noch politisch und rechtlich in Deutschland durchführbar.