Schulniveau

    "Das Ziel ist verfehlt"

    Abitur-Klausuren werden in Stuttgart im Regierungspräsidium sortiert und für die Zweitkorrektur verteilt.
    Ab 2016/17 soll ein zentraler Aufgabenpool in der Abiturprüfung für Vergleichbarkeit sorgen. © picture-alliance/ dpa / Franziska Kraufmann
    Ein schlechtes Zeugnis haben Bildungsverbände dem Evaluationsinstrument der Schüler-Vergleichsarbeiten ausgestellt. Sie dienen der Qualitätssicherung, die zukünftig auch durch einen zentralen Abitur-Aufgabenpool erleichtert werden soll.
    Nach zehn Jahren Schüler-Vergleichsarbeiten, kurz VERA, ziehen Bildungsverbände eine nüchterne Bilanz. "Das Ziel ist verfehlt", verkündeten die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Grundschulverband (GSV) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) bei einer Pressekonferenz am Montag im Hinblick auf die bundesweiten, schriftlichen Tests.
    Vergleichsarbeiten - zeitgleich angesetzt in den Klassen 3 und 8 - untersuchen, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Hauptfächern Deutsch und Mathematik erworben haben. Sie orientieren sich an gemeinsam definierten Bildungsstandards, entwickelt vom länderübergreifenden Institut für Qualitätsentwicklung (IQB), das von den Kultusministern der Länder damit beauftragt wurde.
    Die Lehrerinnen und Lehrer seien genervt, auf einer Pressekonferenz der Bildungsverbände habe die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe von einer "Testeritis" gesprochen, berichtete Christiane Habermalz im Deutschlandradio Kultur. Die Lehrer forderten Stichproben, statt aufwendiger Massentests, zumal die Politik keine Konsequenzen aus den Ergebnissen ziehe. Die Tests würden "für die Schulentwicklung – insbesondere mit Blick auf die Umsetzung der Inklusion – wenig bringen", so Tepe weiter, denn diesbezüglich seinen Standardfragen nicht mehr zeitgemäß.
    Klar definiertes Niveau
    Um wiederum das Abitur vergleichbarer zu machen, soll es ab dem Schuljahr 2016/17 einen zentralen Aufgabenpool geben, aus dem sich die Länder bedienen können. Im Deutschlandradio Kultur zitierte Christiane Habermalz den Hamburger Schulsenator Ties Rabe:
    "Das, was wir da jetzt vorhaben, ist ambitioniert. Wir haben gesagt, innerhalb von nur zwei Jahren, sollen Wissenschaftler Prüfungsaufgaben für das Zentralabitur entwickeln, und zwar viele, zig verschiedene Prüfungsaufgaben, die aber alle ein ganz klar definiertes Niveau haben sollen. Und dazu soll es entsprechende Bewertungsmuster geben, damit jeder Lehrer auch eine Art Beipackzettel hat, nachdem dann die Zensur relativ klar erteilt werden muss."
    Über einen zentralen Aufgabenpool mehr Vergleichbarkeit zu schaffen, befürwortete Bildungsforscher Reiner Bölling im Deutschlandradio Kultur. "Dabei ist natürlich ganz wichtig, dass sich die Ländern dann auch einigen über das Anspruchsniveau", denn die Korrektur könne natürlich sehr unterschiedlich ausfallen, wie die bisherigen Erfahrungen mit dem Zentralabitur in den einzigen Ländern gezeigt hätten.
    1788 als Geburtsstunde des Abiturs
    Das Abitur selbst geht auf den Ruf nach höherem Anspruch zurück.
    "Als Geburtsstunde kann man schon das Edikt von 1788 der Preußischen Kultusverwaltung ansehen, in dem also erstmals eine Prüfung für die an die Universität übergehenden Schüler gefordert wurde",
    erklärt Reiner Bölling. Hintergrund sei die mangelnde Qualifikation vieler Studenten gewesen und auch eine Angst vor Überfüllung der Hochschulen.
    Insgesamt habe es "einen allgemeinen Trend der Erleichterung gegeben, und der hat sich so vor fünf bis zehn Jahren mit der Einführung des Zentralabiturs in verschiedenen Bundesländern enorm beschleunigt." Das Zentralabitur habe auch zu einer Noteninflation geführt, so habe sich beispielsweise der Anteil der Abiturienten mit der Traumnote 1,0 in NRW verdoppelt.
    Ein bundesweites Zentralabitur soll es im föderalen Deutschland auch zukünftig nicht geben - wirkliche Vergleichbarkeit beim Abitur sei sowieso eine Illusion, wird der Tübinger Bildungsforscher Ulrich Trautwein von Christiane Habermalz zitiert.
    cwu