Schwabinger Kunstfund

Gurlitt fordert Sammlung zurück

Von Jürgen König |
Der Münchner Kunsterbe Cornelius Gurlitt sieht keinen Grund, die bei ihm gefundenen Bilder und Papierarbeiten dem Staat zu überlassen. Warum auch? Das Recht dürfte auf seiner Seite stehen, bis heute soll er keine Anklageschrift erhalten haben.
„Was ist das für ein Staat, der mein Privateigentum zeigt?“, zitiert der „Spiegel“ in seiner neuen Ausgabe Cornelius Gurlitt. „Keinem Museum der Welt“ werde er die Bilder geben, wörtlich: „Die müssen zu mir zurück. Wenn ich tot bin, können sie damit machen, was sie wollen.“
Der Artikel zeigt das Bild eines eigenbrötlerischen Sonderlings, die Beschlagnahmung der Bilder habe ihm „das Herz gebrochen“. Gurlitts Gesundheitszustand ist schlecht, Arztbesuche zahlt er bar: von dem Geld, das Verkäufe einzelner Bilder eingebracht hätten.
Die Bildersammlung habe sein Vater Hildebrand Gurlitt „rechtmäßig erworben“. Warum man die Sammlung vor anderthalb Jahren beschlagnahmt habe, die ganze jetzige Aufregung um seine Person - all das scheint Cornelius Gurlitt nicht wirklich zu verstehen. Mit den Behörden werde er über die Rückgabe der Bilder nicht reden, die Augsburger Staatsanwaltschaft habe genug, was ihn entlaste, freiwillig gebe er auch nichts zurück.
590 Werke werden auf Portal lostart.de veröffentlicht
Zu Medienberichten, wonach die bayerische Justiz wie auch das Kanzleramt Cornelius Gurlitt bewegen wollen, genau das zu tun: seine Sammlung freiwillig dem Staat zu überlassen, um im Gegenzug das Ermittlungsverfahren gegen ihn einzustellen - dazu sagte heute Regierungssprecher Steffen Seibert:
"Nach wie vor ist der Stand, dass alle etwa 590 Kunstwerke aus diesem Münchener Kunstfund, bei denen ein möglicher NS-verfolgungsbedingter Entzug nicht ausgeschlossen werden kann, auf der Internetseite lostart.de der Koordinierungsstelle Magdeburg gemeldet werden, mögliche Berechtigte werden dadurch auch in die Lage versetzt, eben vermisste Kunstwerke zu identifizieren, Ansprüche geltend zu machen. Und es ist richtig, dass die Leiterin der Taskforce, Frau Berggreen-Merkel, vorhat, sich mit Herrn Gurlitt in Verbindung zu setzen, weitere Umstände kann ich Ihnen da jetzt nicht sagen."
Gegen die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Cornelius Gurlitt im Gespräch mit dem „Spiegel“ schwere Vorwürfe. Er habe bis heute keine Anklageschrift bekommen, nach der ersten Vernehmung habe sich der Staatsanwalt sich nie wieder gemeldet, man sage ihm auch nicht, was mit seinen Bildern geschehe.
Justizministerin bemängelt "Versäumnisse" im Verfahren
Einiges an dieser Kritik hält die geschäftsführende Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP, für berechtigt. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte sie, als „Beschuldigter“ habe „man das Recht informiert zu werden“, wenn „die Verdachtsgründe sich nicht verdichten und wenn nicht genug Gründe für die Beschlagnahmung vorliegen“, dann müsse „entsprechend entschieden werden“.
Warum zumindest jene Werke, die die Staatsanwaltschaft selbst als unbedenklich eingestuft hat – was ja nichts anderes heißt, als dass sie Gurlitts rechtmäßiges Eigentum sind – warum dieser Teil der Sammlung ihm nicht längst zurückgegeben wurde, kann sich Leutheusser-Schnarrenberger „nicht erklären“. Den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss der Augsburger Staatsanwaltschaft kenne sie nicht, es sei aber „klar, dass es Versäumnisse gibt in diesem Verfahren“. Regierungssprecher Seibert sieht indes keine „Versäumnisse“. Durch die Einrichtung der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ unter Leitung von Ingeborg Berggreen-Merkel sei der Provenienz-Recherche ein „erheblicher Schub“ gegeben worden.
"Es ist uns absolut bewusst, dass er große internationale Aufmerksamkeit hat, dieser Fall. Es ist uns absolut bewusst, dass er natürlich vor dem Hintergrund der ungeheuren nationalsozialistischen Verbrechen spielt, dass unsere Verantwortung da ins Spiel kommt, und wir uns bemühen, dieser Verantwortung gerecht zu werden."
Dieser „Verantwortung gerecht zu werden“, könnte schwer werden. Dass in Deutschland – anders als in Frankreich oder Österreich - NS-Raubkunst-Vergehen nach 30 Jahren, verjähren, finden viele – nicht nur im Ausland unglaublich. Gurlitts Mutter starb 1967. Sollte der Sohn die Sammlung in diesem Jahr erhalten haben - eventuelle Ansprüche an ihn wären erloschen.
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