Hochwasserschutz
Studentendorf am Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof in Berlin: Hier wird das Schwammstadtprinzip schon erprobt. © picture alliance / Britta Pedersen / dpa-Zentralbild
Die Stadt als Schwamm
06:30 Minuten
Hitze und Starkregen sind Wetterphänomene, die Städte in Zeiten des Klimawandels herausfordern. Das sogenannte Schwammstadtprinzip hilft, um Wasser auch in großen Mengen aufnehmen und speichern zu können: mit begrünten Dächern und Zisternen.
Regenwolken schieben sich über eine Neubausiedlung im Südosten Berlins. Es schüttet, doch das Regenwasser läuft nicht einfach in die Kanalisation. Es versickert in Mulden, verdunstet auf begrünten Dächern oder landet in einem 6000 Quadratmeter großen Wasserbecken, das der Blickfang des Quartiers ist. Das mit Schilf bewachsene Bassin hat eine wichtige Funktion.
„Wir brauchen Regenwasser, um die Vegetation zu versorgen, damit auch über die Verdunstung die Stadt gekühlt wird, also Regenwasser ist auch eine Ressource.“ Eine Ressource, die in Zeiten des Klimawandels knapp wird, erklärt die Hydrologin Darla Nickel. Sie leitet die Berliner Regenwasseragentur, die der Senat und die Berliner Wasserbetriebe vor vier Jahren gegründet haben. Das Ziel: Berlin soll Schwammstadt werden. Das Regenwasser bleibt vor Ort, versickert auf Grundstücken oder wird dort gespeichert. Ein Paradigmenwechsel.
„Wir haben in der Vergangenheit gedacht, wir leiten das Wasser schnell aus der Stadt heraus, dann haben wir bei Regenwetter trotzdem trockene Straßen und es kommt vielleicht nicht so schnell zu Überflutungen. Letzten Endes ist das ein Trugschluss, denn die Systeme können einfach nicht so groß gebaut werden, dass sie alles Regen aufnehmen.“
Ausnahmezustand nach Starkregen
Über Berlin sind in den vergangenen Jahren immer wieder heftige Regenfälle niedergegangen, besonders stark im Sommer 2017.
„Heute Mittag um 12.30 Uhr ruft die Berliner Feuerwehr den Ausnahmezustand aus.“ In einigen Bezirken fiel an diesem Tag so viel Regen vom Himmel wie sonst in einem Vierteljahr. „Vollgelaufene Keller. Gesperrte Straßen. Autos, die in den Wassermassen stecken bleiben. Wasser und kein Ende – ein Jahrhundertregen.“
Die Kanalisation lief über – Fäkalien mischten sich mit dem Regenwasser und flossen in Flüsse und Seen. An der Havel wurden Badeverbote ausgerufen, weil sich zu viele Krankheitserreger im Fluss befanden.
Risiko für Starkregen steigt deutschlandweit
Das Risiko für solchen Starkregen steigt deutschlandweit. Laut einer Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Bundes trifft das vor allem trockene Regionen wie Brandenburg und die Mittelgebirge. Höchste Zeit, dass sich die Städte dafür wappnen, sagt Andreas Vetter vom Umweltbundesamt.
„Wir haben nicht nur mehr Starkregenereignisse, Bewohnende haben auch mit Hitzestress zu kämpfen, wir haben das Thema der Dürrephasen, das haben wir in den letzten Jahren sehr stark erleben müssen. Das heißt, die Schwammstadt soll aus unserer Perspektive eben diese verschiedensten Klimafolgen adressieren und einen besseren Umgang damit ermöglichen, aber auch die Lebensqualität zumindest erhalten, wenn nicht sogar steigern.“
Mehr Grün, mehr Wasserbecken
Die Umweltbehörde empfiehlt, die Städte so umzubauen, dass sie sich wie ein Schwamm mit Wasser vollsaugen und dieses Wasser später wieder abgeben können. Dafür braucht es mehr Bäume in den Städten, mehr Grün auf den Dächern, Wasserbecken, die Regen auffangen.
„Viele andere Sachen werden aber gar nicht unbedingt sichtbar sein. Man will mehr Speicherkapazitäten, sei es Zisternen oder andere unterirdische größere Becken, sodass man große Regenwassermengen erst mal zwischenspeichern kann in dem Moment, wo sie einfach zu viel sind nach so einem Starkregenereignis und dieses Wasser soll zu einem späteren Zeitpunkt wieder für die Vegetation zur Verfügung gestellt werden entsprechend mit Pumpen, dass man das Wasser auch wieder in die Vegetationsbereiche pumpt, um die Pflanzen zu versorgen“, erklärt Andreas Vetter.
Wasserspeicher und Überflutungsflächen
Die Schwammstadt wird auch in Leipzig erprobt – auf dem Gelände eines früheren Güterbahnhofs. Hier soll ein neues klimafestes Wohnviertel für bis zu 5000 Menschen entstehen mit einer „blau-grünen Infrastruktur“, wie es heißt. Blau, weil der Umgang mit Wasser besonders im Fokus steht; grün wegen der Energie aus erneuerbaren Quellen.
Im Ruhrgebiet wappnet sich sogar eine ganze Region gegen die Folgen des Klimawandels. Das Land Nordrhein-Westfalen und die lokalen Wasserverbände stellen bis zum Jahr 2030 ganze 250 Millionen Euro bereit, um Investitionen in Gründächer, unterirdische Wasserspeicher und Überflutungsflächen zu fördern.
Doch schützen solche Ansätze tatsächlich vor Starkregen und anderen Folgen des Klimawandels?
Zisternen für Regenwasser auf dem Dach
Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben fährt in den Berliner Stadtteil Adlershof. In dem viereinhalb Quadratkilometer großen Technologiepark wird das Schwammstadtprinzip seit einigen Jahren erprobt. An der Fassade eines Gebäudes schlingt sich wilder Wein empor. Auf dem Dach befinden sich Zisternen, die Regenwasser sammeln. Schwappt es über, läuft das Wasser die Fassade herunter – in riesige Blumenkübel, die auf jeder Etage angebracht sind.
„Ich habe eine Verwendung für das Regenwasser, das hier auf wunderbare Weise auf der einen Seite versickert, auf der anderen Seite über die Pflanzen aber auch verdunstet werden kann. Das schafft ein angenehmes Mikroklima, denn Verdunstung erzeugt immer auch Kühlung.“
Kühlung für die Stadt, die sich in den Sommermonaten aufheizt. Dann spenden die Blätter den Menschen im Inneren des Gebäudes Schatten, im Winter lassen sie Sonnenlicht hinein.
„Und ja, es sieht einfach gut aus. Wer hier lebt und arbeitet, der guckt eben nicht auf schnöden Beton oder Glas wie sonst in der Stadt, sondern er hat das Gefühl, ein Stück Natur hier direkt im Hof zu haben.“
Kiesschicht reinigt Regenwasser
Auf den Straßen des Technologieparks sind keine Gullys zu sehen. Regnet es, sammelt sich das Wasser in Mulden, die neben der Fahrbahn angelegt sind. Nach und nach sickert es durch eine Kiesschicht und wird so gereinigt. Nimmt der Boden kein Wasser mehr auf, leitet ein Drainagerohr einen Teil des Wassers weiter. Nur: Reicht das, um Starkregen wie im Sommer 2017 aufzufangen?
„Erstaunlicherweise, wir hätten es selber kaum erwartet: Die Anlagen haben das verkraftet. Natürlich haben die Gräben hier an dem Tag auch voll Wasser gestanden, das waren dann flache Wassergräben für ein paar Stunden, aber die Systeme insgesamt haben funktioniert, das haben wir uns angeguckt und darüber waren wir schon hoch erfreut.“