Schwanger in Corona-Zeiten

"Alles ist anders, es ist einfach verdammt schade"

05:46 Minuten
Eine schwangere Frau sitzt mit Gesichtsmaske auf einem Bett und blickt melancholisch aus dem Fenster.
Eins der großen Probleme in der Schwangerschaft während der Pandemie ist die Einsamkeit. © picture alliance/Photopqr/Voix du Nord/Maxppp/Pierre Rouanet
Aufgezeichnet von Henrike Möller |
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Keine Freunde sehen, keinen Austausch mit anderen Müttern und stets die bange Frage, ob der Partner am Ende in den Kreißsaal darf – Schwanger sein in der Pandemie. Doch was heißt das genau? Wir haben nachgefragt.
"Es ist einfach alles anders, als man sich das vorgestellt hat. Oder als man es auch von seinen Freunden gehört hat. Und das ist einfach verdammt schade. Weil das erste Kind bekommt man halt nicht nochmal. Generell, glaube ich, ist es total schade, dass man die Schwangerschaft mit niemandem teilen konnte. Man hat sich jedes Mal gefreut, wenn die Murmel ein bisschen größer wurde und keiner hat es gesehen. Die Freunde hat man nicht getroffen."

Selfies gegen den Frust

"Und dann hat man angefangen, Selfies zu machen. Dabei hasse ich Selfies eigentlich. Einfach, damit man es ein bisschen dokumentiert. Es gab ja keine Festivitäten, es gab keine Hochzeiten, es gab keine Geburtstage. Keiner hat Bilder von einem gemacht. Es war einfach nirgendwo dokumentiert, dass man schwanger war."
"Meine Familie wohnt nicht in Berlin. Zeitweise durfte man ja auch nicht verreisen. Aber natürlich will man auch die Mama um sich rum haben. Man hat ja auch ein paar Fragen zu bestimmten Themen: Darf ich das eigentlich essen? Was hältst du denn hiervon? Klar, man kann auch FaceTime machen. Aber das ist nicht dasselbe, als wenn mal die Mutti vorbeikommt, über den Bauch streichelt und sagt: 'Mensch, Schatz, der ist ja schon richtig schön groß geworden.' Der Einzige, der es miterlebt hat, war der Mann. Und das musste halt dann irgendwie reichen."

Im Homeoffice sinkt die Rücksicht

Aber hast du echt so das Gefühl, dass Corona dir so ein bisschen die Schwangerschaft versaut hat? Also dass es ein viel schöneres, intensiveres Erlebnis hätte werden können, wenn Corona nicht da gewesen wäre?
"Ja, man hätte einfach die Freude darüber teilen können. Und ich glaube, man hätte sich auch einfach ein bisschen wohler gefühlt, wenn man gemerkt hätte, dass alle anderen sich auch für einen freuen. Wegen Corona war ich natürlich auch im Homeoffice. Und man hatte das Gefühl: Dadurch, dass man zu Hause gearbeitet hat und man sich via Teams und Co. nur bis zum Oberkörper gesehen hat am Rechner, haben die Kollegen ganz häufig vergessen, dass man schwanger ist. Und plötzlich kamen Arbeitsaufträge, so nach dem Motto: 'Es reicht, wenn du das bis Mitternacht fertig hast.' Und du dachtest so: 'Ähm, da gibt es so ein gewisses Gesetz, das einen schützt, wenn man schwanger ist.'
Das war echt auch komisch. Diese Erwartung, dass man mehr als acht Stunden am Tag 100 Prozent gibt, was teilweise einfach nicht mehr möglich war, weil man müde war. Die Rücksichtnahme, die einem sonst zuteil wird, wenn jeder sieht, dass man auffällig eine Murmel vor sich herschiebt, war nicht besonders groß."

Der Vater im Kreißsaal - ja oder nein?

"Und dann rückte die Geburt immer näher, angesetzt war der 14. August. Und es wechselte immer, ob der Mann überhaupt mitkommen darf oder nicht. Und dann die Vorstellung, dass man da alleine sitzt oder liegt und das Kind bekommt, was ja wirklich stundenlang dauern kann, und man hat keinerlei Unterstützung. Keiner, der die Hand hält. Keiner, der sagt: 'Mensch, das machst du super.' Oder: 'Mach weiter so.'
Das war für mich die Horrorvorstellung schlechthin, dass mein Mann nicht mitkommen darf. Im Endeffekt haben wir Glück gehabt, und er durfte die komplette Geburt mit im Kreißsaal verbringen – Gott sei Dank."

Austausch mit anderen Müttern - Fehlanzeige

"Man hat das Gefühl gehabt: Jetzt ist alles gut. Wir haben das überstanden. Wir haben einen guten Zeitpunkt abgepasst, um das Kind zu bekommen. Und man hat sich irgendwie schon gefreut, dass der Krümel dann ein Alter erreicht, in dem man Babyschwimmen machen kann, irgendwelche Krabbelkurse besuchen. Man hat sich auf den Rückbildungskurs gefreut. Endlich mal andere Mütter kennenlernen. Man kann sich austauschen, man kann fragen: 'Hey, mein Kind hat gestern Nacht zwei Stunden geschrien. Ich wusste gar nicht, was los ist. Hast du das denn auch schon mal erlebt?'
Das gibt’s halt alles nicht. Man hat es sich einfach viel schöner vorgestellt, so ein Jahr frei zu haben mit seinem Kind. Mit anderen Müttern auf der Parkbank zu sitzen, den Kinderwagen zu schunkeln und sich über die kleinen Wesen zu freuen. Das war halt schon eine Vorstellung, die jetzt nicht mehr zutrifft."

Einsam im Alltagstrott

Wie sehr macht es dich traurig, dass du diese ganzen Gruppenaktivitäten, diese ganzen sozialen Aktivitäten mit anderen kleinen Babys, mit anderen Müttern, dass dir das jetzt verwehrt bleibt – zumindest fürs Erste?
"Es macht schon sehr traurig, dass ich das alles nicht machen kann, dass ich keine anderen Muttis treffen kann. Einfach, weil man schon ein Stück vereinsamt. Man zieht den ganzen Tag mit seinem kleinen Kind alleine durch die Gegend. Man hat zwar natürlich die beste Gesellschaft, aber es ist halt doch ein Baby. Man führt keine Gespräche. Man tauscht sich nicht aus. Und das macht es schon sehr schwer. Dadurch, dass mein Mann nach wie vor arbeiten geht, nach wie vor das Haus verlässt, hat er wenigstens jeden Tag neue Geschichten, die er mir von seiner Arbeit erzählen kann. Aber ich habe das Gefühl, ich habe überhaupt nichts zu sagen. Wenn, dann irgendwas, was das Kind Tolles gemacht hat. Aber das ist das einzige Gesprächsthema. Und das ist irgendwie auch nicht ganz ausreichend im Vergleich zu dem, was man erleben könnte."
Das heißt dann aber auch, dein Baby hat noch gar keine anderen Babys kennengelernt?
"Genau."
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