Gesunde Ernährung beeinflusst die Gene des Babys
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Wenn Menschen ihren Lebensstil ändern, verändern sich auch ihre Gene. Einer neuen Studie zufolge könnte das auch für die Gene von Ungeborenen gelten. Denn auch dort kommt es zu Veränderungen, wenn die Schwangere Sport treibt oder sich gesund ernährt.
Der Trend ist eindeutig: Sind die Eltern übergewichtig, bringen meist auch die Kinder zu viel Gewicht auf die Waage. Und nicht nur sie.
"Mein Mentor hat in seinen Vorträgen immer ein Bild von einer Familie gezeigt, in der alle übergewichtig sind. Sogar der Hund."
Wenn sogar Haustiere dem Überfluss an Nahrung nicht widerstehen können, deute das zwar darauf hin, dass die Umwelt Schuld am Übergewicht sei, sagt Charlotte Ling von der Universität Lund in Schweden. Doch es sei sehr schwer, die Rolle der Veranlagung und der Umwelt auseinanderzudividieren, gibt die Professorin für Epigenetik zu bedenken.
Der Lebensstil beeinflusst die Gene
Gemeinsam mit ihrem Team ist die Forscherin deshalb der Frage nachgegangen, ob sich die mütterliche Ernährung womöglich im Erbgut des Kindes verankert:
"Ich hatte in einer früheren Studie gezeigt, dass Veränderungen an den Genen auftreten, wenn Menschen ihren Lebensstil ändern. Zum Beispiel, wenn sie anfangen Sport zu treiben und sich gesund zu ernähren. In dieser Studie wollten wir nun herausfinden, ob es auch bei Ungeborenen zu solchen genetischen Änderungen kommt, wenn die Mutter während der Schwangerschaft ihren Lebensstil ändert, indem sie sich gesund ernährt und Sport treibt."
In ihrer Studie untersuchten die Forschenden 425 Schwangere, die adipös, also stark übergewichtig waren. Einem Drittel dieser Frauen verordneten sie eine gesunde Diät und ein tägliches Sportprogramm. Ein weiteres Drittel durfte wie gewohnt essen, sollte aber während der Schwangerschaft Sport treiben. Die übrigen Frauen sollten nichts an ihrem Verhalten ändern.
Später suchten die Forschenden im Nabelschnurblut der Neugeborenen nach Veränderungen im Erbgut. Genauer gesagt nach epigenetischen Modifizierungen. Das sind reversible Änderungen, die sich auf die Aktivität der Gene auswirken und damit beispielsweise beeinflussen, welche Eiweiße gebildet werden.
"Unsere DNA-Analysen haben gezeigt, dass sich der veränderte Lebensstil der Schwangeren auf das Erbgut der Babys auswirkte", so Charlotte Ling.
"An 379 Stellen im Genom traten Methylierungen, also epigenetische Veränderungen auf und wir konnten zeigen, dass viele der betroffenen Gene die Entstehung von Fettgewebe und Muskeln regulieren oder die Verdauung beeinflussen. Gleichzeitig haben wir gesehen, dass diese Babys mehr Muskelmasse hatten als die Kinder der Mütter aus der Kontrollgruppe. Und man weiß, dass das zum Beispiel den Zuckerstoffwechsel verbessert."
"Ein Effekt nur, wenn verschiedene Gene zusammenarbeiten"
Wie lange diese veränderten Gen-Aktivitätsmuster erhalten bleiben, ist bislang unklar. Und die Forschenden können auch nur vermuten, dass sie das Risiko der Neugeborenen senken, später übergewichtig zu werden. Denn welche Auswirkungen epigenetische Veränderungen auf den Stoffwechsel haben, lasse sich nur sehr schwer untersuchen, gibt Bertie Lumey von der Columbia-Universität in den USA zu bedenken:
"Ein Effekt entsteht nur, wenn verschiedene Gene zusammenarbeiten. Es zeigt also nur, dass es eine Verbindung gibt zwischen der Ernährung der Mutter und bestimmten epigenetischen Mustern beim Kind."
Bertie Lumey, der seit vielen Jahren untersucht, wie sich die Ernährung auf epigenetische Veränderungen auswirkt, war selbst an einer Studie beteiligt, die eindeutig gezeigt hat, dass die Ernährung während der Schwangerschaft Folgen für die Gesundheit des Kindes hat. Die Forschenden untersuchten, welche Folgen die 1944 von den Deutschen ausgelöste Hungersnot in den Niederlanden auf die Kinder der damals Schwangeren hatten. Und es zeigte sich, sie hatten als Erwachsene ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko, eine Typ-II-Diabetes zu entwickeln.
"Wir haben die epigenetischen Veränderungen dieser Kinder mit ihren Brüdern und Schwestern verglichen, die nicht während des Hunger-Winters im Mutterleib heranreiften", erklärt Bertie Lumey. "Und wir entdeckten, dass bei den im Hungerwinter geborenen Kindern Veränderungen in Genen auftraten, die mit Übergewicht in Verbindung stehen."
Auch das Gewicht des Vaters spielt eine Rolle
Ähnliche Zusammenhänge fanden die Forschenden auch bei Kindern, die während Hungersnöten in der Ukraine und in China heranreiften. Und es gibt unzählige weitere Studien, die zeigen, dass die Ernährungsweise vor und während der Schwangerschaft langfristige Konsequenzen für die Gesundheit des Kindes hat.
"Wir wissen aus vielen Studien, auch aus unseren Studien unserer Gruppe in München, dass mütterliches Körpergewicht tatsächlich sich auf den epigenetischen Code des Neugeborenen, des Säuglings auswirkt", sagt Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung für Stoffwechsel und Ernährung am Haunerschen Kinderspital in München.
"Und spannend ist im Übrigen, dass das auch das väterliche Körpergewicht macht. Das Gewicht des Vaters hat einen Einfluss auf den epigenetischen Code des Neugeborenen. Das heißt, es ist nicht allein der Lebensstil der Mutter in der Schwangerschaft, der mit dem Gewicht assoziiert ist, es sind tatsächlich biologische Faktoren, die sich über die Spermien auf den genetischen Code des Kindes auswirken. Und das legt halt nahe, dass Übergewicht tatsächlich über biologische Mechanismen das Adipositasrisiko des Kindes beeinflusst und nicht allein durch den Lebensstil."
Regelmäßige Bewegung in der Schwangerschaft hilft
Für werdende Eltern und Paare mit Kinderwunsch, die stark übergewichtig sind, lohnt es sich also abzunehmen. Auch im Sinne der Gesundheit ihres Kindes, sagt Berthold Koletzko:
"Die neue Studie stärkt uns noch mal in der Empfehlung, dass es sich lohnt, auch in der Schwangerschaft noch seinen Lebensstil zu verbessern und nicht nur vor der Schwangerschaft. Wir haben auch eine Chance, in der Schwangerschaft regelmäßig durch regelmäßige Bewegung, durch gute Ernährung die Gesundheit von Mutter und Kind zu verbessern. Bewegung ist ja ein wichtiges Thema. Schwangerschaft ist keine Krankheit, bei der man neun Monate auf dem Sofa sitzen muss. Ein guter Rat ist: Jede Sportart, die das Reden noch erlaubt, ist sicher."