Schwarz auf Weiß
Von der hölzernen Handpresse zur letzten deutschen Hochdruck-Rotationspresse, vom lebensgroßen Postreiter zum Fernschreiber: Eine Ausstellung im Mainzer Gutenberg-Museum präsentiert 400 Jahre Zeitungsgeschichte. Sie zeigt auch die Entwicklung des Nachrichtenwesens, des Drucks, des Vertriebs und des Leseverhaltens.
Vor 400 Jahren beantragte der Straßburger Unternehmer Johann Carolus beim Rat der damaligen deutschen Reichsstadt Patentschutz für seine gedruckten Nachrichtenzettel – dieses Ersuchen gilt heute als die "Geburtsurkunde" der Zeitung. Sie ist Anlass für die große Jubiläumsausstellung im Mainzer Weltmuseum der Druckkunst. Erst 1987 hatte Ausstellungskurator Martin Welke das Schriftstück von 1605 im Straßburger Stadtarchiv aufgestöbert. Bis dahin wurde die Entstehung der Zeitung auf 1609 datiert, aus diesem Jahr stammt nämlich das erste erhaltene Exemplar der Straßburger "Relation", die Johann Carolus aus Briefen bezahlter Korrespondenten zusammenstellte, wöchentlich in den Druck gab und kommerziell vertrieb. Die erste erhaltene Zeitung der Welt wird in der Mainzer Ausstellung erstmals öffentlich gezeigt – eine Leihgabe der Universitätsbibliothek Heidelberg. Was wir dort lesen:
"Wir lesen, was wir immer in Zeitungen lesen – das Weltgeschehen. Alles was damals wie heute passierte, ist Gegenstand journalistischer Neugier gewesen und hat sich dann auch umgeschlagen ins gedruckte Wort, konsumierbar für jeden an diesen Dingen Interessierten."
Und genau an diesem Punkt räumt die Ausstellung mit Vorurteilen auf. Wenn im 17., 18. Jahrhundert doch das Analphabetentum vorherrschte, so mag mancher sich fragen, wen interessierte dann die Zeitung? Irrtum, hält Martin Welke dagegen:
"Die Lesefähigkeit ist in Deutschland mit Abstand die höchste in ganz Europa – mit Abstand – im 17., 18. Jahrhundert erst recht. Seit der Reformation spaziert Deutschland an der Spitze der Lesefähigkeit in Europa. Luther tritt ja an, dass der Laie das Wort Gottes konsumieren können muss, das setzt die Fähigkeit des Lesens voraus. Er hat die Bibel ja in die Muttersprache übersetzt, damit man sie liest und wir sehen auch hier zwei Luther-Schriften, dass man die Kinder "zur Schule halten soll" und dass die Ratsherren der deutschen Städte Schulen einrichten sollen. Der Protestantismus hat riesige Verdienste um die Alphabetisierung ..."
Und wen die Alphabetisierung nicht erreicht hatte, der scharte sich mit anderen um Vorleser – das gemeinschaftliche Zeitungslesen war in der frühen Zeit die vorherrschende Form der Rezeption. Vom Zeitungslesen als Kollektiverlebnis und dringendem gesellschaftlichen Bedürfnis erzählt Martin Welke, während hinter ihm die riesige MAN-Rotationspresse von 1922 anspringt, die bis vor ein paar Jahren noch auf Norderney die Bäderzeitung gedruckt hat.
"Die Zeitung ist vor allem das erste Instrument der Erwachsenenbildung und die Zeitung ist der erste weltliche Lesestoff für alle, der sowohl von den Bauern der Dorfschänke wie von Immanuel Kant gelesen wurde."
Im Ausstellungsteil, der sich mit dem Herstellen von Zeitungen beschäftigt, kann sich das Auge ein wenig ausruhen vom Lesen der Ausstellungstexte und Entziffern der vielen Dokumente. Hier hat man die Zeugnisse des maschinellen Fortschritts zusammengetragen, so Eva-Maria Hanebutt-Benz, Direktorin des Gutenberg Museums:
" ... mit hölzernen Pressen, der eisernen Handpresse, die Linotype, die ganz wichtig war weil man dann schnell Zeilen setzen konnte. Ein ganz besonderes Objekt auch eine originale Holzpresse auf der 1840 zum ersten Mal Papier aus Holzschliff gedruckt wurde."
Besonders dicht und expressiv ist die Ausstellung da, wo sie mit dem Forschungsschwerpunkt des Mannes zusammenfällt, den die "Zeit" einmal als wichtigsten deutschen Pressehistoriker bezeichnete. Zur Geschichte der Pressefreiheit und der Zensur, also zu einem zentralen Stück Demokratiegeschichte, hat Martin Welke viele bahnbrechende Dokumente zusammengetragen - das ist wohl das Herzstück der Sammlung, die der Kurator und Stifter der Stadt Mainz schenkt.
"Wer weiß, dass in Deutschland die Zensur teilweise schon 1770 abgeschafft wurde, zwei Jahrzehnte vor der Französischen Revolution – in Schleswig, in Holstein, in Oldenburg, mittelbar auch in der Weltpressehauptstadt Hamburg..".
... sagt Welke, während hinter ihm die alte Presse rattert. Beklemmend still dagegen ist es, wenn man weiter oben im Museum die schwarzen Würfel betritt, in denen Zeugnisse der Zensur und der Desinformation ausgestellt sind und die Versuche, dagegen anzukämpfen – besonders eindrucksvoll das Kabinett, in dem ein Flugblatt der studentischen Widerstandsgruppe Weiße Rose den Propagandablättern des Dritten Reichs gegenüber hängt.
Eva-Maria Hanebutt-Benz: "Der Besucher, der kann sich auch in diese Boxen hineinbegeben und wird immer dieses Gefühl von Beengung, Ängstlichkeit bekommen, was wir wirklich verursachen wollten, dass die Zensur eben auch als eine Einschränkung erfahrbar wird."
Schwarz auf Weiß - 400 Jahre Zeitung – die Sonderausstellung bringt einen Quantensprung fürs Mainzer Gutenberg-Museum, freut sich die Direktorin. Das Museum der Drucktechnik und des Buches ist ab jetzt auch Zeitungsmuseum:
"Es gibt die Stiftung Deutsches Zeitungsmuseum im Gutenberg-Museum schon seit Ende des letzten Jahres, und dadurch werden wir auch in Zukunft in Stand gesetzt sein, diesen so wichtigen Aspekt des Druckens – fast jeder liest die Zeitung, auch die, die keine Bücher lesen, es hat also eine große Wirkungskraft. Und die Zeitungstechnik hat auch immer den Fortschritt der Technik bedingt, weil man immer schnell drucken musste, also aktuell sein musste - all diese Gesichtspunkte werden in Zukunft hier viel besser dargestellt werden können, einmal durch eine verkleinerte Dauerstellung und dann durch Sonderausstellungen, die gemacht werden könnten aus den eigenen Beständen, die auch woanders gezeigt werden könnten, wenn Interesse besteht."
Die Ausstellung "Schwarz auf Weiß. 400 Jahre Zeitung" ist zu sehen bis 30.12.05.
"Wir lesen, was wir immer in Zeitungen lesen – das Weltgeschehen. Alles was damals wie heute passierte, ist Gegenstand journalistischer Neugier gewesen und hat sich dann auch umgeschlagen ins gedruckte Wort, konsumierbar für jeden an diesen Dingen Interessierten."
Und genau an diesem Punkt räumt die Ausstellung mit Vorurteilen auf. Wenn im 17., 18. Jahrhundert doch das Analphabetentum vorherrschte, so mag mancher sich fragen, wen interessierte dann die Zeitung? Irrtum, hält Martin Welke dagegen:
"Die Lesefähigkeit ist in Deutschland mit Abstand die höchste in ganz Europa – mit Abstand – im 17., 18. Jahrhundert erst recht. Seit der Reformation spaziert Deutschland an der Spitze der Lesefähigkeit in Europa. Luther tritt ja an, dass der Laie das Wort Gottes konsumieren können muss, das setzt die Fähigkeit des Lesens voraus. Er hat die Bibel ja in die Muttersprache übersetzt, damit man sie liest und wir sehen auch hier zwei Luther-Schriften, dass man die Kinder "zur Schule halten soll" und dass die Ratsherren der deutschen Städte Schulen einrichten sollen. Der Protestantismus hat riesige Verdienste um die Alphabetisierung ..."
Und wen die Alphabetisierung nicht erreicht hatte, der scharte sich mit anderen um Vorleser – das gemeinschaftliche Zeitungslesen war in der frühen Zeit die vorherrschende Form der Rezeption. Vom Zeitungslesen als Kollektiverlebnis und dringendem gesellschaftlichen Bedürfnis erzählt Martin Welke, während hinter ihm die riesige MAN-Rotationspresse von 1922 anspringt, die bis vor ein paar Jahren noch auf Norderney die Bäderzeitung gedruckt hat.
"Die Zeitung ist vor allem das erste Instrument der Erwachsenenbildung und die Zeitung ist der erste weltliche Lesestoff für alle, der sowohl von den Bauern der Dorfschänke wie von Immanuel Kant gelesen wurde."
Im Ausstellungsteil, der sich mit dem Herstellen von Zeitungen beschäftigt, kann sich das Auge ein wenig ausruhen vom Lesen der Ausstellungstexte und Entziffern der vielen Dokumente. Hier hat man die Zeugnisse des maschinellen Fortschritts zusammengetragen, so Eva-Maria Hanebutt-Benz, Direktorin des Gutenberg Museums:
" ... mit hölzernen Pressen, der eisernen Handpresse, die Linotype, die ganz wichtig war weil man dann schnell Zeilen setzen konnte. Ein ganz besonderes Objekt auch eine originale Holzpresse auf der 1840 zum ersten Mal Papier aus Holzschliff gedruckt wurde."
Besonders dicht und expressiv ist die Ausstellung da, wo sie mit dem Forschungsschwerpunkt des Mannes zusammenfällt, den die "Zeit" einmal als wichtigsten deutschen Pressehistoriker bezeichnete. Zur Geschichte der Pressefreiheit und der Zensur, also zu einem zentralen Stück Demokratiegeschichte, hat Martin Welke viele bahnbrechende Dokumente zusammengetragen - das ist wohl das Herzstück der Sammlung, die der Kurator und Stifter der Stadt Mainz schenkt.
"Wer weiß, dass in Deutschland die Zensur teilweise schon 1770 abgeschafft wurde, zwei Jahrzehnte vor der Französischen Revolution – in Schleswig, in Holstein, in Oldenburg, mittelbar auch in der Weltpressehauptstadt Hamburg..".
... sagt Welke, während hinter ihm die alte Presse rattert. Beklemmend still dagegen ist es, wenn man weiter oben im Museum die schwarzen Würfel betritt, in denen Zeugnisse der Zensur und der Desinformation ausgestellt sind und die Versuche, dagegen anzukämpfen – besonders eindrucksvoll das Kabinett, in dem ein Flugblatt der studentischen Widerstandsgruppe Weiße Rose den Propagandablättern des Dritten Reichs gegenüber hängt.
Eva-Maria Hanebutt-Benz: "Der Besucher, der kann sich auch in diese Boxen hineinbegeben und wird immer dieses Gefühl von Beengung, Ängstlichkeit bekommen, was wir wirklich verursachen wollten, dass die Zensur eben auch als eine Einschränkung erfahrbar wird."
Schwarz auf Weiß - 400 Jahre Zeitung – die Sonderausstellung bringt einen Quantensprung fürs Mainzer Gutenberg-Museum, freut sich die Direktorin. Das Museum der Drucktechnik und des Buches ist ab jetzt auch Zeitungsmuseum:
"Es gibt die Stiftung Deutsches Zeitungsmuseum im Gutenberg-Museum schon seit Ende des letzten Jahres, und dadurch werden wir auch in Zukunft in Stand gesetzt sein, diesen so wichtigen Aspekt des Druckens – fast jeder liest die Zeitung, auch die, die keine Bücher lesen, es hat also eine große Wirkungskraft. Und die Zeitungstechnik hat auch immer den Fortschritt der Technik bedingt, weil man immer schnell drucken musste, also aktuell sein musste - all diese Gesichtspunkte werden in Zukunft hier viel besser dargestellt werden können, einmal durch eine verkleinerte Dauerstellung und dann durch Sonderausstellungen, die gemacht werden könnten aus den eigenen Beständen, die auch woanders gezeigt werden könnten, wenn Interesse besteht."
Die Ausstellung "Schwarz auf Weiß. 400 Jahre Zeitung" ist zu sehen bis 30.12.05.