Schwarze Bilder der Familie Goya
Der polnische Autor Jacek Dehnel hat dem berühmten spanischen Maler Francisco de Goya und dessen unbekanntem Sohn Javier ein Buch gewidmet. Darin zeigt er die seelischen Abgründe der Familie, indem er einen grausamen Vater-Sohn-Konflikt gestaltet.
Wer als Sohn eines großen Mannes zur Welt kommt, wird an Ruhm und Leistung des Vaters gemessen, muss die eigene Individualität gegen ihn behaupten und steht vielleicht auf ewig in seinem Schatten. Javier de Goya, einziger Spross des spanischen Malers Francisco de Goya, ist so einer. Man weiß heute kaum etwas über ihn.
Der 1980 in Danzig geborene polnische Autor Jacek Dehnel hat Sohn und Vater nun einen Roman gewidmet: "Saturn". Doppeldeutig heißt es im Untertitel: "Schwarze Bilder der Familie Goya". Einerseits bezieht sich dieser Titel direkt auf die "Pinturas negras" - Gemälde aus dem Spätwerk Goyas, die dieser zwischen 1819 und 1824 an die Wände seines Landhauses nahe Madrid gemalt haben soll. Darüber hinaus verweist er auf die dunkle Seite Goyas und seiner Nachkommen, ihre seelischen Abgründe. Dehnel offenbart sie in seinem Roman, indem er einen grausamen Vater-Sohn-Konflikt gestaltet.
Erzählt wird dreistimmig - von Francisco de Goya, seinem Sohn Javier und dessen Sohn Mariano. Francisco de Goya ist der alles Leben aufsaugende Berserker, das kraftstrotzende Genie, Männer und Frauen liebend, einer der buchstäblich über Leichen geht, wenn er auf dem Schlachtfeld Gefallene für seine Bilder untersucht. Daneben wirkt sein Sohn Javier wie ein Schwächling, ist eine vom Vater verachtete "Trantüte". Nach innen gekehrt verweigert er sich dessen Ansprüchen, im Leben zupackend und künstlerisch ein würdiger Nachfolger zu sein. Erst nach dem Tod des Vaters, behauptet Dehnel, gelingt es ihm in einem Schaffensrausch, jene berühmten "Pinturas negras" zu malen. Mehr noch: Javier verkauft von nun an durchaus geschäftstüchtig eigene Zeichnungen als Originale seines Vaters und verdient gut daran. Sein Sohn Mariano, ein eitler, substanzloser Lebemann, unterschätzt Javier genauso, wie es schon Francisco tat. Er hält ihn für wunderlich – und ahnt nichts von seinem listig-kreativen Treiben.
Die Geschichte dreier Generationen verbindet der Autor mit großem Geschick, kunsthistorisch wie individualpsychologisch. Es entsteht ein ungemein sinnlicher Eindruck vom Leben in Spanien vor, während und nach der napoleonischen Besetzung. Dehnel - Sohn einer Malerin und selbst auch Maler – schreibt fundiert und lustvoll über Goyas Bilder. Und er porträtiert mit Vater und Sohn zwei Künstlerpersönlichkeiten in ihrem Wahn, ihrer Abhängigkeit, ihrem Genie und ihrer Verzweiflung.
Die dem Buch eingefügten Reproduktionen von Goyas Gemälden bleiben hingegen blass. Das mag ein raffiniertes Plädoyer für Kraft und Magie der Wörter sein. So kunstfertig und geistvoll wie Jacek Dehnel mit ihnen umgeht, vermitteln sie in allen Schattierungen plastisch und berührend, was die Abbildungen nur ahnen lassen. So ist der Roman auch eine Schule des Sehens – er zeigt das Bekannte in neuem Licht und erhellt Verborgenes.
Besprochen von Carsten Hueck
Der 1980 in Danzig geborene polnische Autor Jacek Dehnel hat Sohn und Vater nun einen Roman gewidmet: "Saturn". Doppeldeutig heißt es im Untertitel: "Schwarze Bilder der Familie Goya". Einerseits bezieht sich dieser Titel direkt auf die "Pinturas negras" - Gemälde aus dem Spätwerk Goyas, die dieser zwischen 1819 und 1824 an die Wände seines Landhauses nahe Madrid gemalt haben soll. Darüber hinaus verweist er auf die dunkle Seite Goyas und seiner Nachkommen, ihre seelischen Abgründe. Dehnel offenbart sie in seinem Roman, indem er einen grausamen Vater-Sohn-Konflikt gestaltet.
Erzählt wird dreistimmig - von Francisco de Goya, seinem Sohn Javier und dessen Sohn Mariano. Francisco de Goya ist der alles Leben aufsaugende Berserker, das kraftstrotzende Genie, Männer und Frauen liebend, einer der buchstäblich über Leichen geht, wenn er auf dem Schlachtfeld Gefallene für seine Bilder untersucht. Daneben wirkt sein Sohn Javier wie ein Schwächling, ist eine vom Vater verachtete "Trantüte". Nach innen gekehrt verweigert er sich dessen Ansprüchen, im Leben zupackend und künstlerisch ein würdiger Nachfolger zu sein. Erst nach dem Tod des Vaters, behauptet Dehnel, gelingt es ihm in einem Schaffensrausch, jene berühmten "Pinturas negras" zu malen. Mehr noch: Javier verkauft von nun an durchaus geschäftstüchtig eigene Zeichnungen als Originale seines Vaters und verdient gut daran. Sein Sohn Mariano, ein eitler, substanzloser Lebemann, unterschätzt Javier genauso, wie es schon Francisco tat. Er hält ihn für wunderlich – und ahnt nichts von seinem listig-kreativen Treiben.
Die Geschichte dreier Generationen verbindet der Autor mit großem Geschick, kunsthistorisch wie individualpsychologisch. Es entsteht ein ungemein sinnlicher Eindruck vom Leben in Spanien vor, während und nach der napoleonischen Besetzung. Dehnel - Sohn einer Malerin und selbst auch Maler – schreibt fundiert und lustvoll über Goyas Bilder. Und er porträtiert mit Vater und Sohn zwei Künstlerpersönlichkeiten in ihrem Wahn, ihrer Abhängigkeit, ihrem Genie und ihrer Verzweiflung.
Die dem Buch eingefügten Reproduktionen von Goyas Gemälden bleiben hingegen blass. Das mag ein raffiniertes Plädoyer für Kraft und Magie der Wörter sein. So kunstfertig und geistvoll wie Jacek Dehnel mit ihnen umgeht, vermitteln sie in allen Schattierungen plastisch und berührend, was die Abbildungen nur ahnen lassen. So ist der Roman auch eine Schule des Sehens – er zeigt das Bekannte in neuem Licht und erhellt Verborgenes.
Besprochen von Carsten Hueck
Jacek Dehnel: Saturn
Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall,
Carl Hanser Verlag, München 2013,
271 Seiten., 19,90 Euro
Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall,
Carl Hanser Verlag, München 2013,
271 Seiten., 19,90 Euro