"Schwarzer Block" am Gorki Theater

Wer stellt sich den Nazis entgegen?

09:47 Minuten
Ein Mann mit langen Haaren hat einen schwarzen Balken vor den Augen, um unkenntlich zu bleiben.
Schauspieler Karim Daoud in dem Theaterstück "Schwarzer Block". © Esra Rotthoff
Kevin Rittberger im Gespräch mit Timo Grampes |
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„Antifa“ und „Schwarzer Block“ sind Reizworte in der politischen Debatte. Der Autor Kevin Rittberger hat versucht, 100 Jahre antifaschistische Geschichte in ein Theaterstück zu bringen – und den Blick auf die Individuen frei zu legen.
Anderthalb Jahre hat der Autor und Theaterregisseur Kevin Rittberger für das Theaterstück "Schwarzer Block" recherchiert, das jetzt am Berliner Gorki Theater Premiere hat. Er will darin Schlaglichter auf die 100-jährige Geschichte von Antifaschismus und Militanz werfen – vom Kapp-Putsch am Kottbusser Tor in Berlin im Jahr 1920 bis in die Gegenwart.
Rittberger arbeitet dabei mit dokumentarischem Material, aber auch mit Erfundenem. Er habe mit sehr vielen Aktivist*innen gesprochen, die seit den 80er-Jahren bis heute aktiv waren oder sind und sehr viel recherchiert – zum Beispiel im Antifaschisten Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz).

Von den "Schwarzen Scharen" zur "Migrantifa"

"Es war mir wichtig, nicht nur aus der Bewegung heraus, der Antifa heraus zu sprechen. Sondern auch einen Erinnerungstext zu schreiben für Menschen, die gestorben sind in ihrem antifaschistischen Kampf, ebenso für Menschen, die von Nazis ermordet worden sind und Opfer von rassistischer Gewalt geworden sind – und die sich dann selbst auch empowert haben in den letzten Jahrzehnten."
Bis diese neue "Migrantifa" – also antifaschitische Gruppen, die von Migrant*innen selbst organisiert sind – und die Antifa angenähert hätten, habe jedoch sehr lange gedauert, sagt Rittberger.
Rittberger wollte auch herausfinden, wo der "Schwarze Block" herkommt: In der Weimarer Republik habe es "neben den bekannten Straßenkampforganisationen von der SPD, 'Reichsbanner' genannt, und der KPD, dem ,Rotfrontkämpferbund’ eine dritte Organisation gegeben" – die "Schwarzen Scharen", sagt Rittberger. Das seinen "Anarcho-Syndikalisten" gewesen, denen es vor allem um Selbstverwaltung gegangen sei.

Was heißt "Smash the System"?

Das entstandene Theaterstück liefere Antworten auf die Entstehungsgeschichte, würde aber auch neue Fragen aufwerfen und irritieren. Denn die Antworten der Antifa selbst, die auf Demoflyern und Transparenten zu sehen seien, seien sehr kurz: "Und da braucht es natürlich eine Diskussion: Was ist damit gemeint? Und seid ihr wirklich noch so revolutionär, wie ihr daherkommt? ,Smash the System’ – was heißt das eigentlich? Soll das jetzt kaputtgehen oder morgen?"
Eine wichtige Frage des Stücks sei das Verhältnis zwischen vom "Ich" und dem "Wir": Rittberger habe vor allem das Individuum interessiert "das da im Schwarzen Block nicht nur mit hüpft und Krawall macht, sondern ganz konkret sich Nazis in den Weg stellt und bereit ist, Prügel von der Polizei zu kassieren." Das seien auch Leute mit posttraumatischen Belastungsstörungen.
"Das hat mich interessiert, wer da die Innenstädte nazifrei hält", aber auch in die Provinz fahre und sich Holocaustleugnern in den Weg stelle: "Ich habe mit jemandem gesprochen, der war auf 250 Naziaufmärschen". Antifa-Gruppen würden dabei auch viel dokumentarische Arbeit leisten, die der Verfassungsschutz brauchen könne.

"Hier könnte ein Loch sein"

Über die Jahre hätten sich auch die Strategien der Antifa geändert. "Sie wurden ästhetischer, sie wurden breiter", sagt Rittberger. Antifa-Gruppen suchten neue Bündnisse – mit den Gewerkschaften oder mit den Grünen. In der Göttinger Innenstadt zum Beispiel fanden sich nicht mehr nur zerschlagene Scheiben, sondern ein Schild mit der Aufschrift "Hier könnte ein Loch sein".
In dem Theaterstück, das er nach dem G20-Gipfel zu schreiben begann, habe Rittberger auch versucht, die Anschläge von Halle und Hanau, die Ermordung von Walter Lübcke, den "NSU 2.0", sowie die Aufdeckung rechtsextremer Netzwerke in Bundeswehr und Polizei einzubauen und zuzuspitzen.
(sed)

Schwarzer Block
Gorki Theater Berlin
5.9.2020 bis 4.10.2020

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