Schwarzwäldler und Weltbürger
Jeden Sommer kommen mehrere Tausend Besucher zum "Leselenz" nach Hausach im Schwarzwald. Ins Leben gerufen wurden diese Literaturtage von dem Schriftsteller José Oliver - einem Sohn spanischer Gastarbeiter, der sich um eine Symbiose verschiedener Kulturen bemüht.
"Also mr saged Tschosé, de Tschosé, des war früher nur de Tschosé. De
Leselenz gibt's seit 15 Jahre und er selber hat ja scho als Schüler Sache gschriebe, sich für Gedichte eingsetzt. Eine Berühmtheit in Hausach und weiter natürlich über die Grenze, klar."
Der Dichter und Essayist José Oliver hat in Berlin, Lima oder Québec gelebt, war Stadtschreiber in Kairo, Gastprofessor am MIT in Amerika. Doch er ist immer wieder zurückgekommen in sein "andalusisches Schwarzwalddorf" – wie er Hausach in einem Essay bezeichnet. Die Durchfahrtsstraße dominiert den Ort mit seinen knapp 6000 Einwohnern.
Im kleinen Fasnachtsmuseum in der Nähe der Kirche ist es ruhig. José Oliver kümmert sich seit einigen Jahren um die örtliche Sammlung: Narrenkostüme, alte Masken. Hausacher Vizenarrenvater ist er außerdem.
"Ich bin mit der schwäbisch-alemannischen Fasnacht aufgewachsen, schon als kleiner Junge wurde ich zum Wagenbau mitgenommen, für den großen Umzug am Fasnachtssonntag. Das war eine große Selbstverständlichkeit dabei zu sein. Und irgendwann kam das Schnurren dazu. Es gibt hier eine alte Tradition, das sind die Moritatensänger, die von Kneipe zu Kneipe ziehen, mit Musikinstrumenten. Und das war meine erste Schreibschule, und das alles auf Alemannisch."
Im Jahr 1960 kommen Olivers Eltern mit 30 weiteren Familien von Südspanien nach Hausach. Die Eltern arbeiten in der Strohhutfabrik im Dorf. Im Jahr nach der Ankunft wird José geboren.
"Meine Mutter kommt ja aus Andalusien, aus Malaga, Tochter einer alten Seemannsfamilie und sie kam vom blauen Meer und ich bin in diesem grünen Meer im Schwarzwald aufgewachsen. Beides hat ja seine geheimnisvollen Seiten."
Die Hausacher Gastarbeiterkinder sprechen Andalusisch und Alemannisch, später kommt das Spanische und das Hochdeutsche dazu. Mit 16 bekommt José Oliver eine "Aufenthaltserlaubnis" in seinen spanischen Pass gestempelt.
"Und dann habe ich mich beschäftigt mit der Frage und habe anders hingehört. Wo gehöre ich wirklich dazu und wo behandelt man mich wie einen Fremden? Und das war dann ein Kampf, eine eigene Identität zu finden, zwischen diesen beiden Kulturen zu einer Mehrkultur zu finden. Meerkultur kann man jetzt mit zwei ee schreiben oder mit eh."
"unterschlupf", "fahrtenschreiber" oder "fernlautmetz" sind Titel von José Olivers Gedichtbänden, die im Suhrkamp Verlag erscheinen. Schon als Jugendlicher fängt er an zu schreiben.
"Schreiben war eine Art Notwehr und Notwendigkeit. Ich hab immer wieder Wörter kreiert, weil mir die Sprache nicht ausgereicht hat. Das Meer war für mich nicht sächlich. Mein Großvater hat sich's immer ausgesucht in Spanien, in Andalusien, in Malaga. Wenn er morgens mit leeren Netzen zurückkam, dann sprach er von "el mar", der Meer, und wenn er mit vollen Netzen zurückkam, dann sprach er von "la mar", von der Meerin. Da habe ich gedacht, das mache ich im Deutschen auch. So fing das eigentlich an, diese eigene Sprache, die aus dieser Symbiose dieser verschiedenen Kulturen erwachsen ist."
"Ich komme vom Hören, ich höre die Bilder, ich höre die Farben. Meine Mutter hat viel gesungen, ich bin mit dem Flamenco aufgewachsen. Es gibt im Alemannischen einen Mollton, der dem andalusischen Moll im Flamenco sehr nah ist. Und da habe ich versucht, diese Brücken zu finden. Ungefähr so: libre como el vento... in Mutters Stübele do goht a Wind - und dann geht das so wellenförmig ineinander über, als würde es verschmelzen."
Der aus Damaskus stammende Schriftsteller Rafik Schami gehört zu den frühen Förderern von Oliver. "Gastarbeiterliteratur" wird Olivers Dichtung in den 80ern noch genannt. 1997 erhält er den Adelbert-von-Chamisso-Preis. Hausach ist stolz auf seinen Dichter und Chamisso-Preisträger.
"Der Bürgermeister Scharf hat gesagt, José Oliver, wir können dir heute nur den kleinen Ehrenteller - es war '97 - geben, denn sonst haben wir nichts mehr, wenn du 60 wirst. Da hab ich gesagt, ich kann diesen Ehrenteller nur annehmen, indem ich auch was tue für meine Heimatstadt, literarisch. Ja, was ich denn gern tun würde. Ja, ich würde gern Literaturtage organisieren. Dann ham die mir an dem Abend 5000 Mark versprochen."
Mittlerweile lesen beim Hausacher Leselenz 30 bis 40 deutsche und internationale Autorinnen und Autoren. Mehrere tausend Zuhörer pilgern jedes Jahr wieder in das kleine Schwarzwalddorf.
Woher nimmt er die Kraft für alles, dieser sehr freundliche Mensch mit dem schmalen Gesicht und den warmen dunklen Augen?
"Die Energie kommt aus der Liebe, absolut und ausschließlich aus der Liebe. Ja, die bekomm ich auf ganz unterschiedliche Weise, von meinem Partner, meiner Familie, von Freunden, vom Ort auch selber, indem sie alle meine verrückten Ideen mittragen, mitgestalten und offen sind."
Leselenz gibt's seit 15 Jahre und er selber hat ja scho als Schüler Sache gschriebe, sich für Gedichte eingsetzt. Eine Berühmtheit in Hausach und weiter natürlich über die Grenze, klar."
Der Dichter und Essayist José Oliver hat in Berlin, Lima oder Québec gelebt, war Stadtschreiber in Kairo, Gastprofessor am MIT in Amerika. Doch er ist immer wieder zurückgekommen in sein "andalusisches Schwarzwalddorf" – wie er Hausach in einem Essay bezeichnet. Die Durchfahrtsstraße dominiert den Ort mit seinen knapp 6000 Einwohnern.
Im kleinen Fasnachtsmuseum in der Nähe der Kirche ist es ruhig. José Oliver kümmert sich seit einigen Jahren um die örtliche Sammlung: Narrenkostüme, alte Masken. Hausacher Vizenarrenvater ist er außerdem.
"Ich bin mit der schwäbisch-alemannischen Fasnacht aufgewachsen, schon als kleiner Junge wurde ich zum Wagenbau mitgenommen, für den großen Umzug am Fasnachtssonntag. Das war eine große Selbstverständlichkeit dabei zu sein. Und irgendwann kam das Schnurren dazu. Es gibt hier eine alte Tradition, das sind die Moritatensänger, die von Kneipe zu Kneipe ziehen, mit Musikinstrumenten. Und das war meine erste Schreibschule, und das alles auf Alemannisch."
Im Jahr 1960 kommen Olivers Eltern mit 30 weiteren Familien von Südspanien nach Hausach. Die Eltern arbeiten in der Strohhutfabrik im Dorf. Im Jahr nach der Ankunft wird José geboren.
"Meine Mutter kommt ja aus Andalusien, aus Malaga, Tochter einer alten Seemannsfamilie und sie kam vom blauen Meer und ich bin in diesem grünen Meer im Schwarzwald aufgewachsen. Beides hat ja seine geheimnisvollen Seiten."
Die Hausacher Gastarbeiterkinder sprechen Andalusisch und Alemannisch, später kommt das Spanische und das Hochdeutsche dazu. Mit 16 bekommt José Oliver eine "Aufenthaltserlaubnis" in seinen spanischen Pass gestempelt.
"Und dann habe ich mich beschäftigt mit der Frage und habe anders hingehört. Wo gehöre ich wirklich dazu und wo behandelt man mich wie einen Fremden? Und das war dann ein Kampf, eine eigene Identität zu finden, zwischen diesen beiden Kulturen zu einer Mehrkultur zu finden. Meerkultur kann man jetzt mit zwei ee schreiben oder mit eh."
"unterschlupf", "fahrtenschreiber" oder "fernlautmetz" sind Titel von José Olivers Gedichtbänden, die im Suhrkamp Verlag erscheinen. Schon als Jugendlicher fängt er an zu schreiben.
"Schreiben war eine Art Notwehr und Notwendigkeit. Ich hab immer wieder Wörter kreiert, weil mir die Sprache nicht ausgereicht hat. Das Meer war für mich nicht sächlich. Mein Großvater hat sich's immer ausgesucht in Spanien, in Andalusien, in Malaga. Wenn er morgens mit leeren Netzen zurückkam, dann sprach er von "el mar", der Meer, und wenn er mit vollen Netzen zurückkam, dann sprach er von "la mar", von der Meerin. Da habe ich gedacht, das mache ich im Deutschen auch. So fing das eigentlich an, diese eigene Sprache, die aus dieser Symbiose dieser verschiedenen Kulturen erwachsen ist."
"Ich komme vom Hören, ich höre die Bilder, ich höre die Farben. Meine Mutter hat viel gesungen, ich bin mit dem Flamenco aufgewachsen. Es gibt im Alemannischen einen Mollton, der dem andalusischen Moll im Flamenco sehr nah ist. Und da habe ich versucht, diese Brücken zu finden. Ungefähr so: libre como el vento... in Mutters Stübele do goht a Wind - und dann geht das so wellenförmig ineinander über, als würde es verschmelzen."
Der aus Damaskus stammende Schriftsteller Rafik Schami gehört zu den frühen Förderern von Oliver. "Gastarbeiterliteratur" wird Olivers Dichtung in den 80ern noch genannt. 1997 erhält er den Adelbert-von-Chamisso-Preis. Hausach ist stolz auf seinen Dichter und Chamisso-Preisträger.
"Der Bürgermeister Scharf hat gesagt, José Oliver, wir können dir heute nur den kleinen Ehrenteller - es war '97 - geben, denn sonst haben wir nichts mehr, wenn du 60 wirst. Da hab ich gesagt, ich kann diesen Ehrenteller nur annehmen, indem ich auch was tue für meine Heimatstadt, literarisch. Ja, was ich denn gern tun würde. Ja, ich würde gern Literaturtage organisieren. Dann ham die mir an dem Abend 5000 Mark versprochen."
Mittlerweile lesen beim Hausacher Leselenz 30 bis 40 deutsche und internationale Autorinnen und Autoren. Mehrere tausend Zuhörer pilgern jedes Jahr wieder in das kleine Schwarzwalddorf.
Woher nimmt er die Kraft für alles, dieser sehr freundliche Mensch mit dem schmalen Gesicht und den warmen dunklen Augen?
"Die Energie kommt aus der Liebe, absolut und ausschließlich aus der Liebe. Ja, die bekomm ich auf ganz unterschiedliche Weise, von meinem Partner, meiner Familie, von Freunden, vom Ort auch selber, indem sie alle meine verrückten Ideen mittragen, mitgestalten und offen sind."