Wenn der Lärm der Motorräder die Idylle stört
Der Hochschwarzwald ist eine Bilderbuchidylle und wegen der kurvigen Straßen auch bei Motorradfahrern sehr beliebt. Die Anwohner sind genervt vom Krach der Motoren und fordern mit einer Bürgerinitiative, dass der Lärm ein Ende hat - kein leichter Weg.
Mit der Ruhe ist es vorbei vorm Rößle, der Traditions-Gaststätte in Geschwend. Betreiber Daniel Steiger verzieht das Gesicht. So ist das nun mal: Bei schönem Wetter. Im Hochschwarzwald.
Steiger: "Das Störende ist, wenn abgebremst, beschleunigt, abgebremst, beschleunigt wird."
Der Mitdreißiger ist zurück ins Wirtshaus gegangen. Filmscouts auf der Suche nach einer Location für eine Gaststätte von anno dazumal hätten ihre helle Freude: Die Dielen: Knarzen. Genau wie die Holztische. An den Wänden: Vergilbte Fotos. Seit fünf Jahren betreibt der Bauingenieur das Rößle. Ehrenamtlich, zusammen mit seinen Mitstreitern von der Dorf-Genossenschaft. Einen sechsstelligen Betrag haben sie investiert, alles auf Vordermann gebracht, oben Gästezimmer eingerichtet. Allerdings nur nach hinten raus. Nach vorne, Steiger schüttelt den Kopf, würde man kein Auge zu tun.
Steiger: "Bei uns komme sie halt von der Bundesstraße vorne, dann drehen sie den Hahn auf bis zum Ortsschild. Bremsen kurz um die scharfe Kurve ab. Und sobald sie sehen, es geht aus dem Ort, da wird wieder aufgedreht."
Messgerät fordert zum leiser fahren auf
Schon seit Längerem engagiert sich Steiger in der lokalen Bürgerinitiative gegen Lärm. Schreibt Emails ans Landesverkehrsministerium, vernetzt sich mit anderen Lärm-Geschädigten. Leuten wie Heinz-Peter Steinebrunner. Der Ortsvorsteher des Nachbardorfs Präg ist auf ein Bier vorbeigekommen. Steinebrunner sitzt im Gemeinderat der zuständigen Stadt Todtnau und hat dafür gesorgt, dass sich etwas tut.
Steinebrunner: "Da haben wir jetzt was erreicht. Dass wir jetzt 30er-Zone haben, ums Rößle rum. 30er-Zone! Aber das ist eher ein Thema der Unfallverhütung. Der Gefahrensituation. Nicht der Motorradfahrer."
Selbst die Landesregierung in Stuttgart ist inzwischen hellhörig geworden. Letztes Jahr schickte sie ihren Lärmschutz-Beauftragten. Der Grüne Thomas Marwein kam, sah – und traute seinen Ohren nicht. Kurz danach ließ das Verkehrsministerium testweise ein Lärm-Messgerät installieren, dass Krachmacher per Digital-Anzeige am Straßenrand auffordert, leiser zu fahren.
Steinebrunner "Da haben wir die Erfahrung gemacht, dass der Lärm um zwei Dezibel zurückgeht. Wenn die Installation erfolgt. Die Installation kostet 16.000 Euro. Das Landratsamt hat es beantragt und wollte die Stadt heranziehen zur teilweisen Finanzierung. Die Stadt hat es abgelehnt. Ich hab’s selber auch abgelehnt. Weil: Das Landratsamt ist für die Landstraßen zuständig. Da sollen sie's auch zahlen."
Daniel Steiger schüttelt den Kopf. Er hat dafür kein Verständnis.
Steiger: "Klar gibt’s überall diese Schilder: Leise ist weise. Damit erreicht man vielleicht die Vernünftigen. Aber die, die’s drauf anlegen und dran Spaß haben, mit knatternder Maschine…ich glaub, die erreicht man da einfach nicht. Meistens geht’s übern Geldbeutel, wenn man was erreichen will. Generell bin ich nicht so sehr für schärfere Gesetze. Aber jetzt in dem speziellen Fall ist es anders fast gar nicht möglich."
Es gibt auch rücksichtsvolle Motorradfahrer
Härtere Strafen für Krachmacher: Damit sollte man Georg lieber nicht kommen. Der Pforzheimer macht gerade im Nachbarort Fahl Verschnaufpause – mit seiner Maschine.
Georg: "Die is schon sportlich, ja. Die macht schon 300, wenn man will."
Georg will meistens. Schnell fahren. Richtig aufdrehen.
Typen, die durch den Hochschwarzwald heizen sind für Astrid ist das nichts. Die Frau mit dem blondgefärbten Haar ist aus Bottrop angereist, der Ruhrgebietsstadt, zusammen mit Wilfried, ihrer "besseren Hälfe".
Wilfried: "Wir haben ein Motorrad, das ganz leise ist. Und trotzdem schnell fährt."
Morgen fahren Wilfried und Astrid zurück ins Ruhrgebiet. Eine Woche Urlaub, meint der Stuckateur, das reicht. Zu Hause machen sie immer Touren ins Münsterland oder in die Niederlande.
Wilfried: "Ich hab Freunde, die haben Harley. Hinter denen fahr ich nicht her. Das ist ätzend. Das braucht kein Mensch. Wer ne Harley mit offenen Auspuff fährt – da sach ich immer: Das is 'ne Penis-Verlängerung. Irgendwo hat dieser Mensch Defizite."
Es ist Abend geworden. Wilfried und Astrid haben sich in die Gaststätte ihres Hotels gesetzt. Zwei Pils vorneweg. Und dann Schweinshaxe für ihn und Käse-Spätzle für sie. Die Chefin bedient selbst. Bei Doris Wasner-Mink ist das so üblich. In dritter Generation gibt es ihr Hotel "Lawine". Wasner-Mink kommt über die Runden. Trotz des Lärms. Nein, nicht des Motorradlärms, meint die Wirtin. Des LKW-Lärms.
Wasner-Mink: "Das is wirklich ganz, ganz schlimm. Im Sommer sinds die LKWs, die den Feldberg runter bremsen. Anstatt zu schalten. Also das kann brutal stinken. Oh! Ganz schlimm. Also es kam sogar schon oft vor, dass ein LKW hier in den Parkplatz reinfährt, rennt hier rein, schreit nach Wasser, holt nen Eimer Wasser und schüttet es auf die heißen Bremsen."
Motorradfahrer dagegen: Nicht der Rede wert, wiegelt die Besitzerin des laut Eigenwerbung "Motorrad-freundlichen Hotels" ab. Bis auf die von drüben.
Wasner-Mink: "Wir beobachten, dass es die Schweizer sind. Also quasi der Buhmann Schweiz. Für die ist es halt ein kleiner Ausflug von Zürich hierherzufahren. Und wenn die tatsächlich Strafe kriegen würden: Das sind denn wirklich Peanuts."
Anwohner wollen Lärmkontrollen
Buhmann Schweiz: Das hört Francisco gar nicht gerne.
Francisco: "Ich bin ein vernünftiger Motorradfahrer. Ich respektiere alle Zeichen. 50-50. 60-60. 100-100. So bin ich."
Samstag Mittag. Kurz vor zwölf. Der 48 Jahre alte Schweizer macht gerade Mittagspause in Todtmoos, einem Dorf mit Barock-Kirche und gefühlt dreißig Souvenirläden. Schnell etwas essen, bevor es weiter geht: Durch den Präger Gletscherkessel. Francisco blinzelt in die Sonne. Kann schon ganz schön voll werden auf der Piste. Ganz schön laut auch.
Francisco: "Ja, ja. Das bekommt man immer mit. Das ist so. Klar gibt’s Anwohner, die es nervt. Wegen dem Motorrad-Lärm. Mehr wegen dem Lärm als wegen der Geschwindigkeit. Aber der Schwarzwald lebt ja auch viel von den Motorradfahrern."
Die Schweizer sind auch immer wieder Thema im Verkehrs-Kommissariat in Weil am Rhein, der Grenz-Stadt. Thomas Müller, der Kommissariatsleiter, ist gut gewappnet. Der Polizist zeigt auf den Bildschirm seines Computers: Die verschiedenfarbigen Kurven. Darauf kommt es an.
Müller: "Wir haben das mal ausgewertet, die ganze Geschichte. Und der Anteil dieses Fehlverhaltens liegt eigentlich genau in dem Anteil, was auf der Straße ist. Ich hab etwa fünfzig Prozent Deutsche. Und auch fünfzig Prozent Deutsche fallen entsprechend auf. Und bei den Schweizern hab ich etwa zwanzig Prozent und es sind auch genau zwanzig Prozent, die in diese Verstöße verwickelt sind."
Der Rest entfällt auf Franzosen und andere ausländische Verkehrssünder. Übermorgen, am Sonntag, werden Müllers Leute wieder Verkehrskontrollen durchführen: Zwischen Todtmoos und Präg, da, wo es besonders häufig scheppert. 20 Motorradfahrer kamen zwischen 2015 und 2017 im Landkreis Lörrach ums Leben, gut 300 wurden schwer verletzt.
Müller: "Der Hauptfokus bei uns liegt einfach auf den Unfallzahlen. Man muss das unterscheiden zwischen der Lärm-Problematik und der Sicherheits-Problematik. Und da ist einfach unser Fokus auf dem Punkt, dass wir die Unfälle verhindern wollen. Unfälle kann man verhindern, indem ich die Geschwindigkeit reduziere. Natürlich: Wenn ich Geschwindigkeit runter nehme, wird der Lärm auch weniger."
Vielen Lärmgeplagten Anwohnern reicht das nicht. Sie wollen Lärm-Kontrollen.
Müller: "Die Krux ist, dass wir im Standgas messen müssen. Und eine Kontrolle quasi während der Fahrt unmöglich ist. In der Regel sind die Fahrzeuge im Standgas, so wie es der Gesetzgeber vorschreibt, gesetzeskonform."
Tourismusunternehmen: "Wir wehren uns gegen Rowdies"
Die Ansage von Thorsten Rudolph, dem Geschäftsführer der Hochschwarzwald-Tourismus GmbH, lautet: "Wir wollen nicht Quantität, sondern wir wollen Qualität."
Rudolph sitzt in seinem Büro in Hinterzarten, ein Luftkurort am Fuße des Feldbergs. Draußen plätschert der Zartenbach. Drinnen geht Marilyn Monroe auf Tuchfühlung mit einer pinken Schwarzwälder Kuckucksuhr. Rudolph macht einen zufriedenen Eindruck. Kein Wunder: Vier Millionen Übernachtungen zählte die Gegend zwischen Feldberg und Titisee letztes Jahr, plus 5,5 Millionen Tages-Ausflügler. Wanderer, Familien, Mountainbiker - alle herzlich willkommen.
Rudolph: "Motorradfahrer selbstverständlich auch. Wobei wir da ne ganz klare Positionierung haben. Wir wehren uns massiv gegen Rowdies, die mit ihren Motorrädern in Tagesfahrten glauben: Das sind hier Rennstrecken. Wo man bei Ortseinfahrt und Ortsausfahrt voll den Motor aufdreht und dann die Bevölkerung belästigt."
Vor ein paar Jahren warben Rudolph und seine Leute noch gezielt um Motorradfahrer. Die Zeiten sind vorbei. Stattdessen fordert auch er: Lärm-Obergrenzen. Und schärfere Gesetze für die Krawallmacher.
Rudolph: "Wenn ein Motorradfahrer hier Urlaub macht: Drei, vier, fünf Tage, übernachtet und hier gemütlich einkehrt: Das ist das, was ich mir vorstelle. So macht man bei uns Urlaub."
Im Hochschwarzwald. Theoretisch. Praktisch nur bedingt.
Hubert Meier ist genervt. Da hat er für viel Geld sein altes Schwarzwald-Haus in Präg auf Vordermann gebracht – und dann das.
Meier: "Die suchen natürlich auch die gewählten Strecken. Und suchen auch den nötigen Kick."
Autor: "Also, das jetzt zum Beispiel: War das für sie laut?"
Meier: "Das war jetzt noch Ok. Das is ja auch noch keine Menge. Aber teilweise rasen da tausend Motorräder durch am Tag. Am Wochenende. (...) Man kann am Wochenende gar nicht raussitzen."
Auch Meier ist Mitglied einer Bürgerinitiative. Auch er: Schwer aktiv. Schwer aktiv gewesen. Er stöhnt leise. Steinebrunner, der Ortsvorsteher, ist zwar auf seiner Seite, doch der Rest, meckert er, der Landrat, die Landesregierung, lassen ihn im Stich.
Meier: "Man hat halt keine Unterstützung von politischer Seite her. Man muss es halt dulden. Mittlerweile hat man die Lust verloren, dagegen zu kämpfen."
Missmutig schaut er zum Himmel: Ein, zwei Wölkchen, ansonsten eitel Sonnenschein.
Meier: "Im Prinzip muss man im Ort froh sein um jede Regentropfen. Dann ist der Lärm viel geringer."