Mit iPad zur Oma
Vorbild für Deutschland? In Schweden haben drei Jugendliche ein Konzept entwickelt, das den Austausch zwischen jungen und alten Menschen fördern soll. Sie vermitteln Jugendliche an Altenheime. Nicht immer läuft alles rund.
Ronja, 17 Jahre alt, steht am Eingang des Altersheims Kalkstensgatan, etwa eine Autostunde südlich von Göteborg. Die junge Frau verteilt Handzettel an fünf weitere Jugendliche, mit denen sie heute gemeinsam durch vier Altenheime tingeln wird. Auf den Zetteln stehen Infos über einen schwedischen Schauspieler, der schon ein gutes Jahrhundert vor ihnen geboren ist. Ronja:
"Unser Thema ist heute 'Edvard Persson'. Kennt ihr den? Nein? Also er ist Schauspieler und wurde 1888 geboren. Ihr braucht den nicht zu kennen. Jedenfalls hat der total viele Filme gemacht und eine Menge Lieder. Ich habe ´ne Spotify-Liste gemacht, da könnt ihr euch anmelden."
Nach dieser kurzen Besprechung verteilen sich die Jugendlichen auf zwei Gruppen. Ronja besucht mit zwei weiteren Mädchen drei ältere Damen im ersten Stock. Wenig später begrüßen Maike, 85 Jahre alt und ihre Heimgenossinnen die jungen Frauen im Essraum. Sie scheinen sie wiederzuerkennen. Nur woher, ist ihnen nicht ganz klar: Die drei Damen leiden an fortgeschrittener Demenz.
Youtube, Spotify und Google
Die Jugendlichen packen iPads und Smartphones aus. Ronja sucht auf Youtube nach Filmen, Larissa meldet sich bei Spotify an. Dann spielen sie den Heimbewohnerinnen Lieder vor und erzählen, was sie über den Schauspieler Edvard Persson "gegoogelt" haben. Dass er in mehr als 40 Filmen mitgespielt hat, zum Beispiel.
Ronjas Idee scheint zu funktionieren: Maike erkennt die Lieder des Sängers aus den 30er-Jahren - offenbar rufen sie Erinnerungen wach.
Die anderen beiden alten Damen sitzen regungslos daneben, sagen die meiste Zeit nichts. Eine von ihnen steht nach einer Weile auf und geht wortlos weg.
Ihre Betreuerin Charlotte bringt die alte Dame in ihr Zimmer zurück. Sowas passiere häufiger beklagt sie:
"Im Grunde ist das ja eine gute Idee, aber die alten Menschen hier wollen oft gar nicht dabei sein, wenn die Jugendlichen kommen. Sie haben das Gefühl, dass umgekehrt sie die Jugendlichen unterhalten müssen und deshalb wollen viele lieber ihre Ruhe haben. Das ist mein Eindruck."
Schminknachmittage und Spaziergänge
Auch Schminknachmittage, Spaziergänge und andere Außer-Haus-Aktivitäten stehen auf dem Programm von Ungomsorg, des 2007 als Freizeitinitiative gestarteten Projekts. Doch für die Betreuerinnen sind solche Aktivitäten keine wirkliche Entlastung, erklärt Charlottes Kollegin Viveka:
"Es wäre besser, wenn jeweils ein Mädchen eine Person besucht und ihr Gesellschaft leistet. Aber das ist nicht erlaubt. Auch auf Spaziergänge müssen wir mitkommen. Das ist also nicht wirklich eine Hilfe für uns, denn das können wir genauso gut selber machen."
Doch das Projekt hat Erfolg. Inzwischen können die drei Jungunternehmer davon leben: Sie beschäftigen 500 Jugendliche, die jedes Wochenende 45 Altersheime in ganz Schweden besuchen.
Als Teamleiterin verdient Ronja etwas mehr Geld als die anderen: Umgerechnet etwa 12 Euro pro Stunde. Später einmal in einem Altenheim zu arbeiten, kann sie sich aber nicht vorstellen:
"Das ist nichts für mich, aber das liegt eher daran, dass ich andere Träume in meinem Leben habe. Ich habe nichts gegen die Arbeit im Altersheim an sich, aber ich glaube, ich habe einfach nicht dieses Fürsorgeding in mir."
"Wir lieben sie und wollen, dass sie so weitermachen"
Lenny, der einzige Junge, der heute dabei ist, will lieber Automechaniker werden. Die Arbeit mit den alten Menschen sei aber cool, mache Spaß und man lerne viel darüber, wie die Menschen früher gelebt haben.
Von Kerstin, 95 Jahre alt, und Disa, 87, erfahren die jungen Mädchen heute, wie man vor 60 Jahren Männer kennengelernt hat. Als sie im ersten Stock ihres Alterswohnsitzes ankommen, werden sie von den alten Damen freudig begrüßt. Kerstin:
"Die Mädchen sind wunderbar, sie versuchen immer, herzukommen wenn es geht. Tüchtig sind sie. Wir lieben sie und wollen, dass sie so weitermachen. Oder was meinst du, Disa?"
Ronja holt ihr iPhone aus der Tasche und beginnt, ihren Vortrag über Edvard Persson abzuspulen. Die Lieder des schwedischen Schauspielers rufen auch bei Disa und Kerstin Erinnerungen wach.
Kerstin erinnert sich an ihre ersten Tanzabende und schwelgt in Erinnerungen an das schöne Kleid, das sie oft getragen hat, welches ihr dann aber gestohlen wurde. Ronja hört interessiert zu und möchte wissen, wie die beiden als junge Frauen Tanzen gelernt haben.
Dann spielen die Mädchen den Rentnerinnen ihre Musik vor. Kerstin und Disa gucken etwas irritiert, behaupten jedoch, ihnen gefalle die Musik. Nach einer halben Stunde Besuchszeit verabschiedet sich Kerstin vorzeitig und geht in ihr Zimmer zurück. Sie wolle ihren Mann - 97 Jahre alt - nicht länger allein lassen.
Dann ist auch für Ronja und ihre Mitstreiterinnen der Arbeitstag vorbei. Vier Altersheime haben sie heute abgeklappert. Und sie werden auch am nächsten Samstag wiederkommen und die Heimbewohner eine Stunde lang aus ihrem Trott holen.