Schwedisches Melodram

Von Jörg Taszman |
In Schweden sahen insgesamt zwei Millionen Zuschauer einen einheimischen Film, in dem das Singen im Chor ein ganz befreiendes Erlebnis darstellt. "Wie im Himmel" heißt dieses Melodrama, das auch für einen Oscar nominiert wurde und ab Donnerstag in den deutschen Kinos zu sehen ist.
Der Star-Dirigent Daniel ist nach einem Herzinfarkt in genau das schwedische Dorf zurückgekehrt, wo er als Kind nur gehänselt wurde. Daniel übernimmt den örtlichen Chor und von nun an wird Singen im Dorf zur Leidenschaft und das weckt Begehrlichkeiten, setzt Neid und Missgunst frei. Besonders dem örtlichen Pastor ist Daniel suspekt. Immer wieder versucht er Daniel zu diskreditieren oder in seiner Arbeit zu behindern. Und weil sich mit Lena eine sehr junge Frau in Daniel verliebt, macht er sich angreifbar. Ein Film für die Seele, der auch in Schweden unerwartete Emotionen freisetzte, wie Regisseur Kay Pollak erklärt.

Kay Pollak: "Vielleicht ist es eine Geschichte, in der Menschen einfach aufhören, Opfer zu sein. Wir sind alle so erzogen und geschult uns als Opfer zu sehen. Wir finden immer Gründe und andere Menschen dafür, warum wir unglücklich sind. Damit lehnen wir die Verantwortung für das eigene Leben ab. Wenn Daniel ins Dorf kommt und mit dem Chor probt, dann beginnen alle langsam diese Opferrolle abzustreifen. In Skandinavien und im gesamten Westen sind wir so auf diese Rolle vorbereitet. Wir können und dürfen nicht glücklich sein. "

18 Jahre lang hatte Kay Pollak keinen Film mehr gedreht. Sein letzter Film "Love me" lief 1986 im Wettbewerb der Berlinale und erlangte wenig später eine traurige Berühmtheit. Es war dieser Film, den der damalige Premierminister Olof Palme sah, bevor man ihn nach der Premiere ermordete. Pollak war schockiert, nahm zunächst eine Auszeit vom Filmemachen und lernte dann seine spätere Frau kennen. Das veränderte sein Leben im mehrerer Hinsicht.

Kay Pollak: "Ich traf meine Frau vor genau 18 Jahren und das war eine ganz große, fantastische Sache. Ich war damals 48 Jahre alt und es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich diese drei Worte sagte: ich liebe Dich, ohne zu zögern. Das war riesig. Ich weinte, sie weinte. Sie war Journalistin, sie sang in einem Chor und ich sah die Proben. Dann wurde mir schlagartig klar, das ist es. Das ist eine großartige Metapher für die Menschheit und eine Person versucht alle zusammen zu bekommen in einer Harmonie. "

Es dauerte dann aber doch noch einige Jahre, in der Zwischenzeit kamen drei Kinder zur Welt und Kay Pollak nahm sich einfach Zeit mit seinem Comeback als Filmemacher und reiste durch Schweden und hielt Seminare ab. Der heute 67-jährige Filmemacher ist ein überaus herzlicher, großer stämmiger Mann, der mit viel Leidenschaft und Wärme über seinen Film, sein Leben, seine Familie und seine Kinder redet. Mit "Wie im Himmel" kam es ihm vor allem darauf an, dass man sich von seinen Schuldkomplexen und -gefühlen befreit. Deshalb greift er im Film den Pastor und die Kirche frontal an. Der Pastor Stig erinnert an fataler Weise an den bigotten und asketischen Bischoff Vergerus in "Fanny und Alexander" von Ingmar Bergman. Warum zeichnet Kay Pollak ein so negatives Bild von dem Kirchenmann?

Kay Pollak: "Wir haben in unserem Land ein Problem mit Pastoren wie ihm. Das ist nicht typisch für Schweden, sondern für ganz Skandinavien und auch ihr Land, Deutschland. Wir haben eine Kirche, die uns die Schuld eingeimpft hat. Wenn ich bete, muss ich sagen, ich bin ein Sünder, ich bin arm und in Sünde geboren. Das sind für Menschen sehr tragische Gedanken. So fühlt man sich immer schuldig und dann kann man nie glücklich sein, sich nicht lieben. Wer sich nicht liebt, kann keinen anderen lieben. So bin ich traurig und wütend auf die Kirche. "

"Wie im Himmel" ist humanistisches Kino, das liebevoll den Alltag ganz einfacher Menschen auf dem Dorf zeigt. Fast jeder der im Chor singt, kann sich durch die Musik von einem Trauma befreien. Ein Höhepunkt ist es wenn Daniel für Gabriella ein Lied schreibt, die oft von ihrem gewalttätigen Mann Conny geschlagen wird, aber nur langsam den Mut findet, zu sich selbst zu stehen.

Am Ende triumphieren dann das Gemeinschaftsgefühl, die Liebe und die Musik. Auch ein gewisser Hang zu skandinavischer Tragik kann dem Melodrama nicht abgesprochen werden. Und so ist "Wie im Himmel" der erste ideale Herbstfilm der Saison, bei dem es einem als Zuschauer einfach ein wenig wärmer ums Herz wird.