Zankapfel Kupfer
Kupfer wird im Landbau gegen Pilzbefall verwendet. Doch das Schwermetall reichert sich im Boden an und schadet dort Organismen. Die EU will in den kommenden Jahren über die Praxis entscheiden. Dafür untersuchen nun Wissenschaftler, wann Kupfer zur Umweltgefahr wird.
"Wir waren von 2010 bis 2014 jedes Jahr im Oktober und im April in den Weinbaugebieten und haben dort die Regenwürmer eingesammelt. Haben dann entsprechende Untersuchungen gemacht auch mit dem Boden, damit wir wissen wie viel Kupfer ist im Boden, Gesamtkupfergehalt, verfügbares Kupfer. Diese Dinge haben wir uns da angeschaut und haben dann festgestellt dass wir ganz gut Regenwürmer finden."
Das war zunächst überraschend, erklärt Bernd Hommel und schließt die Tür zur Regenwurmzucht am Julius-Kühn-Institut in Berlin auf. Im Laborversuch mit den Zuchttieren hatten die Experten für ökologische Chemie zuvor das Gegenteil gesehen: Ist zu viel Kupfer im Boden, stellen Regenwürmer ihre Vermehrung ein oder wandern einfach weg.
"Wichtig ist für uns im Feld die Biomasse, wie viel Gramm Regenwurm haben wir pro Quadratmeter. Weil, das ist eine wichtige Größe, um zu sagen, wir haben ausreichend Regenwürmer, damit ihre Funktion - Zersetzung der organischen Substanz - mit erfüllt wird."
Der Regenwurm ist eine Art Teststäbchen der Wissenschaft für die Giftigkeit von Kupfer und anderen Pflanzenschutzmitteln im Boden. Finden sich kaum oder keine Würmer, ist die Natur gefährdet. Besonders ältere Weinanbaugebiete weisen eine hohe Kupferbelastung der Böden auf.
Problem Bodenfruchtbarkeit
Der Grund dafür ist die sogenannte Bordeaux-Brühe, eine rot-braune Mischung aus Kupfer, Kalk und Wasser. Das Mittel wird seit mehr als einem Jahrhundert gegen Pilzbefall im Weinanbau eingesetzt. Erfunden haben es – wie der Name vermuten lässt - die Franzosen im Jahr 1885, und seither wird die Bordeauxbrühe sowohl von konventionellen wie auch von Biobauern auf die Rebstöcke gebracht, erzählt der Chemiker und Kupferexperte Thomas Strumpf:
"Man hat damals 50 Kilogramm Kupfer pro Hektar und Jahr genommen und inzwischen haben wir Aufwandsmengen im Weinbau, die liegen zwischen zwei und drei Kilogramm pro Hektar und Jahr. Aber das Problem ist, da Kupfer ja auch ein Element ist, es wird im Boden nicht abgebaut. Es kommt zu einer Anreicherung im Boden über einen längeren Zeitraum."
Gesundheitliche Probleme gibt es dadurch für den Menschen nicht, die Trauben weisen nach der Gärung keinen erhöhten Kupfergehalt auf, haben die Wissenschaftler festgestellt. Und gesunde Menschen können auch kaum mehr Kupfer aufnehmen, als sie für ihren Körper benötigen. Ähnlich, wie bei Vitamin C wird zu viel Kupfer einfach ausgeschieden.
Das Problem ist die Fruchtbarkeit der Böden, sie leidet unter einem hohen Kupfergehalt. Das Schwermetall mit antibakterieller Wirkung hält nämlich nicht nur den Pilz vom Wein, oder Apfel fern, es stoppt auch die Entwicklung von Mikroorganismen.
"Es ist bekannt und das haben wir auch nachgewiesen, dass das Kupfer mit der Zeit fester in den Boden eingebunden wird. Es ist dann nicht mehr für die Bodenorganismen verfügbar."
Kritische Situation für Biolandbau
Viel Kupfer im Boden, aber ohne Wirkung. Für die Wissenschaftler ist dies ein interessantes Ergebnis. Es erklärt nämlich, warum sich die Ergebnisse aus Labor- und Feldstudien so grundsätzlich unterscheiden. Eine weitere Hypothese lautet:
"In den Weinbergen, wo Kupfer ja schon seit vielen Jahrzehnten drin ist, müssen wir natürlich auch unterstellen, dass bestimmte Anpassungsvorgänge geschehen sind, dass die Regenwürmer viele Jahrzehnte Zeit hatten, sich diesem System zu stellen, sich anzupassen"
Die Ergebnisse sind für die aktuelle Diskussion über den Einsatz von Kupfer als Anti-Pilzmittel wichtig. Denn das Kupfer-Problem ist gewissermaßen historisch. Ohne die Erfindung der Bordeau-Brühe gäbe es außerdem die meisten großen Weinanbaugebiete heute gar nicht. Denn auch im konventionellen Weinanbau wird Kupfer verwendet.
Kritisch ist die Situation derzeit für den biologischen Landbau, denn hier ist Kupfer das einzige Mittel gegen Pilzbefall, weil keine synthetisch hergestellten Fungizide benutzt werden dürfen. Doch – und das ist das Paradoxe an der Situation - Bernd Hommel sagt:
"Würde Kupfer das erste Mal als Pflanzenschutzmittel auf der Tagesordnung stehen, würde es niemals eine Zulassung bekommen."
Kupfer ist ein Schwermetall, das verträgt sich nicht besonders gut mit Bioanbau und ökologischem Gewissen. Doch da es bislang keine Alternativen gibt, hat die EU nun die Frist für die Verwendung von Kupfer bis Februar 2018 verlängert. Aktuell gilt von Regierungsseite die Kupferminimierungsstrategie: je weniger, desto besser.