Schwieriges Exil

Von Nicole De Bock |
Einen Tag nach einer Radio-Hetzrede Hitlers gegen die Künstler der Moderne verließ der Maler Max Beckmann am 19. Juli 1937 Deutschland - um nie mehr zurückzukehren. Für ein Jahrzehnt lebten er und seine Ehefrau in Amsterdam. Erstmals dokumentiert mit rund 80 Gemälden sowie vielen Zeichnungen und Zeitzeugnissen das Van Gogh Museum in der niederländischen Metropole die äußerst produktiven Exil-Jahre des Künstlers.
Die Amsterdamer Rokinstraße, zwischen dem bekannten Theater Tuchinsky und dem Königlichen Palast auf dem Damm: Hier in die Nr. 85 in den oberen Etagen eines schmucken alten Häuschen, war ein Künstler eingezogen, der deutsche Maler Max Beckmann.

"Oberhalb von der Tür ist es eingraviert: Er wohnte hier zwischen 1937 und 1947."

Die Geschäftsführerin der Kneipe, unter Beckmanns ehemaliger Wohnung.

"Das war sein Haus. Beckmann hat da die ganze Zeit mit seiner Frau gewohnt, bis er nach Amerika gegangen ist. Er hatte hier ein großes, lichtdurchflutetes Atelier. Jetzt wird die Etage privat bewohnt."

1937, einen Tag nach Hitlers Rede im Radio über angeblich entartete Kunst, hatte Beckmann Hals über Kopf sein Heimatland verlassen und war nach Amsterdam aufgebrochen. Eine Schwester seiner zweiten Frau Mathilde von Kaulbach wohnte hier bereits. Eigentlich wollte Beckmann später nach Paris ziehen; Amsterdam sah er als reinen Übergang. Der Zweite Weltkrieg machte aber einen Strich durch die Rechnung: Der Maler blieb schließlich 10 Jahre in Amsterdam.

"Was sehr wichtig ist denke ich, dass in dieser holländische Periode er, man kann sagen, ein Drittel von seinem Oeuvre hier in Holland gemacht hat. So das ist riesig, er war sehr produktiv hier in Holland. Das spürt man auch, die Gemälde sind sehr kräftig, man kann sehen, dass er sehr konzentriert war, auf was er sagen wollte, mit seinen Gemälden, mit seiner Kunst."

Benno Tempel, Kurator der großen Beckmann-Ausstellung in Amsterdam. Etwa 50 Gemälde und noch mal soviel Arbeiten auf Papier füllen jetzt drei Stockwerke des Van Gogh Museums. Wo liegt der Berührungspunkt zwischen dem niederländischen Maler Vincent van Gogh und Max Beckmann?

"Die Farbe und der Pinselstrich sind sehr wichtig für die beide. Aber was, denke ich, noch wichtiger ist, ist was Beckmann über van Gogh gesagt hat: Van Gogh hat so viel Vereinfachung in die Kunst hinein gelegt, das van Gogh ein Anfangpunkt ist für moderne Maler und man musste wieder die Kunst komplexer machen. Van Gogh war der Anfangspunkt, nicht um weiter zu gucken, aber um zurückzugucken. So, Van Gogh, und dann ging er zurück nach Breughel oder Hieronymus Bosch oder Grünewald, zurück bis ins Mittelalter."

Beckmann schafft das neokonservative Gegenmodell zur radikalen Abstraktion anderer Maler seiner Zeit. Nie wird er gegenstandslos malen! Vielmehr will er die Errungenschaften der klassischen Kunst wie Raum, Farbe oder Symbolik weiter treiben.

"Es gibt hier Porträts von einer Frau, von seiner Frau, eine Frau die sehr hübsch aussieht, oft in einem blauen Anzug , ja das ist etwas was natürlich auch im Mittelalter sehr oft war: die wichtige Frau hat ein blauer Anzug, denk mal an Maria."

In den ersten Werken, die in Amsterdam entstehen, nimmt Beckmann direkten Bezug auf seinen Exilzustand und auf das sogenannte Dritte Reich. 1938 organisiert "de kunstzaal Van Lier" die einzige Einzelausstellung Max Beckmanns in den Niederlanden. Es wurde kein einziges Werk verkauft, die Kritiker schrieben "er wäre ein überschätzter deutscher Expressionist"! Jahre später noch notiert er in seinem Tagebuch:

"18. Dez. 1942
Unbändiger Lebenswille, gemischt mit Zorn und Resignation toben durcheinander."

Benno Tempel: "Ich denke, dass das holländische Publikum Beckmann überhaupt nicht verstand. In Holland gab es überhaupt wenig moderne Kunst. Picasso konnte man hier gar nicht sehen, Matisse konnte man hier fast gar nicht sehen. So, nicht nur Beckmann wurde nicht akzeptiert, aber Moderne Kunst war überhaupt en Bisschen weltfremd in Holland."
Beckmann hatte bereits in Deutschland angefangen Triptychen zu malen. In Amsterdam entstanden fünf seiner neun wichtigen symbolgeladenen Dreiteiler. Vier davon sind in der Ausstellung zu sehen, so auch das Triptychon "Karneval" aus dem Jahre 1943.

"Eigentlich ist das eine moderne Variante auf ein klassisches Thema aus der Kunst: Adam und Eva und wie sie durch die Engel aus dem Paradies vertrieben wurden."

Adam ist jetzt Beckmann und Eva ist Mathilde, seine zweite Frau. Vertrieben werden sie von einem furchterregenden Engel mit Schwert, weg aus Berlin ins Amsterdamer Exil ...

Abends besuchte Beckmann zur Entspannung und wohl auch als Inspirationsquelle Amsterdamer Kneipen, Kabaretts und Varietés. In dem Werk "Damenkappella" malt er eine Musikappelle, die nur aus Frauen besteht, Männer sind hier die Zuhörer. Die Komposition ist voll mit Figuren, Details und sehr vielen Farben. Dieses Stilmittel, die Leinwand vollkommen in Beschlag zu nehmen, bringt er in Amsterdam zur vollen Entfaltung.

Neben Szenen aus dem Varietéleben in Amsterdam bannt Beckmann auch typisch niederländische Landschaften auf die Leinwand. Auffällig sind die starken schwarzen Konturen, mit denen er seine Figurenreichen Werke versieht. Die Farben zwischen den Konturen leuchten umso mehr auf! In der Amsterdamer Ausstellung kann man auch etliche Selbstporträts bewundern, unter anderem das Selbstbildnis mit schwarzem Anzug.

Nach bester Rembrandt oder Tizian-Manier macht Beckmann hier eine Handbewegung, die aber eher abweisend ist; auch mit seinen Augen nimmt er nicht wirklich Kontakt mit dem Zuschauer auf.

"Ich finde das eine sehr schöne Bildsprache von was er eigentlich in fast all seinen Gemälden macht, nämlich, es nicht einfach machen für uns. Er fordert uns heraus unsere Zeit zu nutzen, um ihn zu durchgründen. Er ignoriert uns fast und das ist ein Gefühl, das man morgen noch spürt und übermorgen; in zwei Wochen spürt man noch immer das Gefühl. Und das ist denke ich sehr großartig von Beckmann, dass er eine Kunst geschaffen hat, die man nicht mehr vergisst."


Service:
Die Schau "Max Beckmann in Amsterdam 1937-1947" ist bis zum 19. August 2007 im Van Gogh Museum in Amsterdam zu sehen. Erweitert wird die Ausstellung noch vom 13. September bis 6. Januar 2008 in der
Pinakothek der Moderne in München gezeigt.