Nicht nur Solarenergie lässt sich mit schwimmenden Kraftwerken erzeugen, auch Windenergie könnte über schwimmende Anlagen auf dem Meer kostengünstiger erzeugt werden, da die Kosten für die Fundamente wegfallen. Ein Prototyp wird gerade bei Bremerhaven getestet: Den Beitrag über das schwimmende Doppelwindrad Nezzy von Dirk Asendorpf können Sie hier nachhören:
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Sonnenkraftwerke auf dem Baggersee
06:29 Minuten
50 Gigawatt Strom jährlich könnten mit schwimmender Fotovoltaik auf deutschen Seen erzeugt werden, schätzt das Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme. In den Niederlanden gibt es die schwimmenden Kraftwerke bereits. Warum nicht auch bei uns?
Auf dem See nahe dem niederländischen Oosterwolde glitzert es silbrig-grau in der Mittagssonne. Von Weitem ist das riesige Floß auf dem Wasser kaum zu erkennen. Allein die regelmäßige Struktur der Solarzellen macht deutlich: auf diesem See schwimmt ein Sonnenkraftwerk.
"Was wir jetzt hier sehen, diese zwei Megawatt, das sind ungefähr 1,5 Hektar, was man umgerechnet mit ein bis zwei Fußballfeldern vergleichen könnte", sagt Projektmanager Toni Weigl. Er steht vor einem großen Foto in der Münchner Firmenzentrale des Solarpark-Entwicklers "Baywa r.e." und erklärt die Anlage auf dem Baggersee, die sie hier geplant haben. Auffällig ist eine Kabelkonstruktion, die sich von dem Floß ans nahe Ufer schlängelt.
"Diese Schlange, die Sie da sehen, das ist das Kabel, was an Land geht, das ist ein Mittelspannungskabel, was natürlich die Energie dann von der schwimmenden Solaranlage an Land bringt, um sie ins Netz einzuspeisen."
Und zwar als Ökostrom. Eigentlich unterscheide sich so eine schwimmende Solaranlage, in der Fachsprache "Floating PV" genannt, kaum von einer Solaranlage an Land:
"Wobei man auf einem schwimmenden Solarpark einfach nur sehr robuste Plastikschwimmkörper hat, die auf dem Wasser angebracht und dann mit Leinen an Land verankert werden – und darauf die gleiche Struktur gebaut wird wie bei den Freiflächenanlagen."
Also Solaranlagen, wir sie von Feldern und Dachflächen kennen. Doch schon länger fragten sich die Fachleute, wie viel Platz es eigentlich dort noch gibt – für die Solarpaneele.
Energiewende auf Bagger- und Tagebauseen
"Der wesentliche Treiber für die Entwicklung der schwimmenden Fotovoltaik ist die Flächenknappheit – und natürlich verbunden mit der Verfügbarkeit von großen Binnengewässerflächen", erklärt Harry Wirth. Er leitet die Forschung beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg.
Er und sein Team haben sich damit auseinandergesetzt, welches Material verbaut werden muss, damit die Fotovoltaik-Anlage der Feuchtigkeit und dem teils starken Wind auf den Seen standhält. Und sie haben das Potenzial erforscht, das schwimmende Solarenergie in Deutschland hat. Ihr Fazit: Das Konzept ergibt Sinn.
"Da werden Module untergebracht auf Flächen, die schon eine andere Nutzung haben oder hatten. Paradebeispiel sind eben Tagebauseen. Die haben schon einmal der Stromgewinnung gedient. Mit Fotovoltaik, schwimmend auf der Oberfläche, werden sie das weiterhin tun – nur diesmal nachhaltig."
Zudem sei gerade bei den Tagebauseen der Anschluss ans große Stromnetz oft ganz in der Nähe.
"Gerade wenn es um Braunkohletagebau geht, haben wir häufig einen Netzanschlusspunkt in der Nähe, weil die Braunkohle ja vorher in Kraftwerken verfeuert wurde."
Insofern ließen sich auch Stromleitungen sparen – und damit Geld und Stress mit den Anwohner:innen. Technisch, so hat das Fraunhofer Institut errechnet, könnten 50 Gigawatt auf deutschen Seen erzeugt werden. Das wäre etwa eine Verdoppelung der Leistung der jetzt schon vorhandenen Fotovoltaik-Flächen. Bei BayWa r.e. rechnet man mit 20 Gigawatt, die machbar wären.
"Das ist auch für uns ganz wichtig, dass wir keinen Konflikt mit den Anwohnern erzeugen", betont Toni Weigl. "Deswegen haben wir irgendwelche Seen, die entweder Schifffahrt oder Badestellen oder Camping haben oder in irgendwelchen touristischen Gebieten sind, kategorisch ausgeschlossen. Aber immerhin bleibt noch ein Potenzial von 20 Gigawatt übrig."
Konflikte mit dem Naturschutz?
Ob es einen Konflikt mit dem Naturschutz gibt, erforscht die Wissenschaft gerade noch. Harry Wirth vom Fraunhofer-Institut in Freiburg:
"Es ist klar, dass eine solche Anlage nur eine Teilverschattung machen soll, also natürlich nicht den Gewässerteil vollständig verschattet, es ist auch eine berechtigte Hoffnung, dass die Fotovoltaik dazu beiträgt, die im Sommer doch zum Teil kritisch hohen Wassertemperaturen möglicherweise etwas abzusenken. Auch das muss noch zum Teil erforscht werden."
Die Hoffnung ist: Wenn ein Teil der Wasserfläche mit den schwimmenden Solarflößen bedeckt ist, bleibt das Wasser kühler und es verdunstet auch weniger. Für Wasserspeicher-Seen in südlichen Ländern mit ihren heißen Sommern wäre das besonders wichtig. Je weniger Wasser dort verloren geht, desto mehr bleibt für Mensch und Natur übrig.
Deutschland: Kompetenz ja, besondere Förderung nein
Bliebe noch eine Frage: Wie kommt es, dass ein bayerischer Entwickler von Solaranlagen in den Niederlanden mehrere Seen mit Solarfeldern bestückt, es aber in Deutschland noch so gut wie keine Anlagen gibt? Das liegt zum einen daran, dass die Baywa die Projekte über eine niederländische Tochtergesellschaft vor Ort entwickelt. Ein anderer wichtiger Grund: Die schwimmende Solarenergie wird dort speziell gefördert – in Deutschland nicht. Da die Installation auf dem Wasser teurer ist, bräuchte man eine etwas höhere Förderung. Doch im deutschen Fördergesetz EEG gibt es keine besondere Behandlung für schwimmende Solaranlagen, bemängelt Stefanie Wimmer, die Geschäftsführerin der Solarprojekte bei Baywa.
"In der normalen Ausschreibung macht es im Moment noch keinen Sinn, weil wir eben konkurrieren müssen mit dem großen Bruder der Freifläche, die einfach noch günstiger ist."
Mit Zusatzförderung wie in den Niederlanden lohnen sich schwimmende Solaranlagen. Warum das nicht auch in Deutschland möglich ist? Auf Anfrage teilt das Wirtschaftsministerium in Berlin schriftlich mit, man habe Bedenken, ob eine solche Sonderregelung im Beihilferecht zulässig sei. Bei den Entwickler:innen in Freiburg und München hofft man auf ein Umdenken.