Lebensretterin trainiert für Olympia
Als Yusra Mardini und ihre Familie aus Syrien flohen, gerieten sie in Seenot. Kurzerhand sprang Mardini ins Wasser und zog das sinkende Boot an die griechische Küste. Nun lebt und trainiert die junge Syrerin in Berlin - und träumt von Olympia.
Neun Uhr morgens in der Schwimmhalle des Olympiastützpunktes Berlin. Mit gleichmäßigen, langen Armbewegungen pflügt die junge Frau durchs Wasser. Kraul ist ihre Disziplin.
"Im Wasser gibt es keine Unterschiede. Es zählt nicht, ob du nun Flüchtling bist, Syrer oder Deutscher. Es gibt nur das Wasser, dich und deinen Wettkampfgegner."
Yusra Mardini schwimmt, seit sie ein Kind ist. Sie war in der syrischen Nationalmannschaft. Bei der Kurzbahn-Weltmeisterschaft 2012 in Istanbul stellte sie einen syrischen Landesrekord auf. Das war ein Jahr, nachdem die Proteste gegen Präsident Assad begonnen hatten, aus denen sich später der Bürgerkrieg entwickelte. Dabei verschlechterte sich auch die Lage der Familie Mardini. Nachdem ihr Haus bei Kämpfen komplett zerstört wurde, verließen sie letzten Sommer ihre Heimat.
"Nicht den Kopf hängen lassen"
Erst flüchteten sie nach Beirut, dann in die Türkei. Dort bestiegen sie mit 20 anderen Menschen ein winziges Boot. Als der Motor ausfiel, sprangen Yusra und ihre Schwester ins Wasser, zogen es drei Stunden durch das Meer bis nach Lesbos. Die Flucht hat sie abgehärtet, sagt die 18-Jährige.
"Wenn du ein Problem hast in deinem Leben, musst du nicht den Kopf hängen lassen und weinen wie ein Baby. Es ist schwer, es war wirklich hart, für jeden von uns, und ich verurteile niemanden, wenn er weint. Aber manchmal musst du einfach weitermachen, denn die Probleme können dich auch weiterbringen. So wie es mir passiert ist. Die Probleme, die ich hatte, sind der Grund dafür, dass ich überhaupt hier bin, dass ich stärker bin - und dass ich mein Ziel erreichen will."
Ein Traum geht in Erfüllung
Dass sie nun in Berlin trainiert, ist reiner Zufall. In der Flüchtlingsunterkunft sagte sie einem Dolmetscher, dass sie gerne schwimmen würde. Der brachte sie zu den Wasserfreunden Spandau 04.
Mardini ist derzeit vor allem eine Symbolfigur für das olympische Projekt. Denn ob sie es in das Flüchtlingsteam des Internationalen Olympischen Komitees schafft, ist nicht klar. Sven Spannekrebs, Mardinis Trainer, sieht das gelassen:
"Was den Leistungsstand betrifft und die Leistungsentwicklung, hat sie sich seit September bis heute sehr, sehr gut entwickelt und ist auch schon viele Bestzeiten geschwommen, ist auch schon schneller geschwommen als zwei syrische Rekorde. Ob die anerkannt werden, wissen wir nicht. Was die Qualifikation für Rio betrifft, muss ich sagen: Unsere Ausrichtung war immer erst Tokio. Das ist der realistische, sportliche Weg, der erreichbar ist. Das, was jetzt mit Rio läuft, ist alles im Sinne des ‘Refugee Olympic Athlete Team‘, und da wird eine Entscheidung im Juni getroffen werden."
Für Yusra würde ein Traum in Erfüllung gehen. Dafür verbringt sie täglich vier bis fünf Stunden im Wasser. Ihrer Vorbildfunktion ist sie sich dabei durchaus bewusst.
"Es fühlt sich großartig an, so viele Leute inspirieren zu können, und sich seinen Traum zu verwirklichen. Einen Traum, den ich seit meinem zehnten Lebensjahr habe. Und ich denke, jeder ist nun gespannt und will sehen, was ich draus mache. Und ich bin es auch!"