Schwuler Szenetreff im Netz

Von Susanne Billig |
Das Internet hat die schwule Szene erobert - <papaya:link href="http://www.gayromeo.de" text="www.gayromeo.de" title="www.gayromeo.de" target="_self" /> heißt das beliebteste Portal. Abend für Abend sind zehntausende von Männern hier online, knüpfen Kontakte und organisieren ihr Sozialleben.
"Man ist ja schwul, ne, also viele hier, nehme ich mal an. Und wenn nicht, überlegen Se’s sich noch mal, macht Spaß. Und wenn man dann so schwul ist, dann hat man so DNA-Stränge, so gaaaanz, ganz kleine. Und die rufen immer: Gib mir jeden Tag einen neuen Mann! Gib mir www.gayromeo.de!"

Bars, Diskos, Clubs und Saunen waren gestern – heute ist gayromeo.de. Das Internetportal für schwule Männer, online seit 2002, wird in der Szene mittlerweile - halb lachend, halb kopfschüttelnd – als "schwules Einwohnermeldeamt" bezeichnet. Kaum ein schwuler Mann, der sich hier nicht präsentiert: So sehe ich aus, das sind meine Hobbys, so toll soll mein Traumprinz sein – oder ganz pragmatisch: Komm vorbei, dann haben wir Sex.

Einer, der die Entwicklung kritisch sieht, ist der Kabarettist Frank Sandmann. In seiner Bühnenshow "Gayromeo ist schuld" nimmt er das Internetportal und seine eifrigen Nutzer aufs Korn.

"Da sind dann wirklich erwachsene Männer, und manche kennt man ja dann auch schon aus dem analogen Leben, die wirklich gut formal gebildet sind, und die schreiben dann so Zeug da rein in die messages, also wirklich totalen Unsinn, so 'Hey! Hi! Wie geht’s, wie steht’s? Ha, ha! Lol. Grins. Frechgrins. Geilfind.' Und solche Sachen, ja, wo ich mir denke: Du bist zweiundvierzig! Du hat ’n Hochschulabschluss! Wie, wie konnte es dazu kommen? Also – furchtbar."

Über 400.000 Männern gefällt das - sie haben sich bei gayromeo registriert. In Frankfurt, München, Hamburg oder Berlin sind am Wochenende tausende von Usern gleichzeitig online. Das lesbische Pendant "Lesarion" kann da nicht annähernd mithalten – die schnelle, anonyme Kontaktanbahnung war schon immer eine eher männliche Domäne.

So flächendeckend hat gayromeo das schwule Leben in Deutschland erobert, dass sich mittlerweile professionelle Szene-Berater um das Thema kümmern. Der Psychologe Arnd Bächler von der Berliner Schwulenberatung etwa, dem vor einigen Jahren ein trauernder Klient erstmals von dem Internet-Portal erzählte. Der Mann litt unter Trennungsschmerzen – doch seinen Lover hatte er nie persönlich getroffen. Es war eine Internet-Liebe gewesen: online verknallt und online verlassen.

"Ich sehe es als ein Zeichen von gesellschaftlichem Fortschritt, dass die Schwulen sich heute trauen, so öffentlich, mit Gesicht und mit vielen privaten Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Angst ist nicht mehr da. Also, die große Falle ist natürlich, wenn man in der virtuellen Welt stecken bleibt, sich nicht traut, mit den Leuten sich in der realen Welt zu treffen, dann vereinsamt man."

Ratgeberseiten geben vor allem jungen Schwulen Tipps zum "Safer Dating": erstmal im Café treffen, Freunden erzählen, wo man hingegangen ist, und sich ganz klar darüber werden, was man eigentlich erleben möchte. Bühnenkünstler Frank Sandmann wollte manches nicht erleben:

"Da gab’s einen, der nannte sich Risiko, der wär dann gekommen, aber ich hätte mir vorher die Augen zukleben müssen, und dann hätte er mich stundenlang misshandeln, quälen und solche Sachen hätte der dann mit mir machen wollen, und wär dann aber ungesehen gegangen. Da hab ich gedacht, nee, also: Ich will jetzt nicht der Hauptdarsteller in RTL II Mysteriöse Mordfälle werden oder Autopsie oder so."

Gayromeo hat das schwule Leben in Deutschland gründlich verändert. Telefonieren ist out – auf der Visitenkarte steht das gayromeo-Profil. In den Großstädten sind die Kneipen leerer geworden. Das Internet verspricht unendliche Möglichkeiten.

"Männer kennen zu lernen, für die Liebe, für Sex, für Freundschaft, man kann dort Wohnung suchen, man kann ’n Job suchen, man kann sich Hilfe holen. Viele Schwule haben ja nicht so ein gutes Selbstbewusstsein, und wenn man eben von PC zu PC Kontakt aufnimmt, ist es leichter, als sich in der Disco anzusprechen mit der Angst, gleich ’n Korb zu kriegen - und die Leute sind dann auch mutiger."

Wer wenig Zeit hat oder wenig Geld, wer schüchtern ist oder in der Provinz lebt, hat, so meint der Psychologe, vom Internet-Boom große Vorteile. Doch er warnt auch vor dem Suchtpotenzial - viele schwule Männer verbringen täglich mehrere Stunden im Portal. Das Glück aber winkt nur denen, die mit dem Medium weise umzugehen wissen:

"Wenn man da genau schreibt, was man sucht und wer man ist und was man will, wenn man ehrliche Bilder drin hat, nicht welche, die zehn Jahre alt sind, ich denk, je ehrlicher man ist, umso größer sind die Erfolgschancen, genau das zu finden – jemand zum mit dem Hund Gassi gehen, oder die große Liebe oder eben Sex."