Ann Leckie: Die Maschinen
Deutsch von Bernhard Kempen
Heyne Verlag, 544 Seiten, München 2015, 14,99 Euro
Nur echte Männer sind in Zukunft erwünscht
Science-Fiction wird weiblicher, bunter, komplexer: Für konservative Scifi-Fans Grund genug, eine Protestkampagne gegen Frauen und Minderheiten zu starten. Auch Ann Leckies Gender-Utopie "Die Maschinen" weckt Hass und Ablehnung.
2014 gewann Ann Leckie fast alle wichtigen Science-Fiction-Preise, für "Die Maschinen", einen Debütroman über Technik und Geschlecht. Die Heldin, Erzählerin des Bestsellers, heißt Breq und war über tausend Jahre lang das Betriebssystem, digitale Bewusstsein eines Raumschiffs - geschlechtslose Software, die sich in Hunderte Soldatenkörper einspeist und jeden Moment aus 20 oder 2000 Blickwinkeln zugleich erlebt. Als man ihr Schiff zerstört, muss Breq in einem einzelnen, letzten Menschenkörper weiterleben.
Breq ist Soldatin, Truppentransporter und Waffe: Teil einer Eroberungsstreitmacht des Radch-Imperiums. Für die Menschen dort spielt Geschlecht keine große Rolle. Alle Liebes- und Familienkonstellationen sind gleichberechtigt. Jede Person wird mit "Bürgerin" angesprochen - und als weiblich gelesen.
"Die Maschinen" und seine beiden Fortsetzungen "Die Mission" und "Das Imperium" sind harmlose, gemächliche, oft überraschend menschliche, warmherzige Weltraum-Schmöker… mit zwei originellen, sympathischen Erzähl-Kniffen: Breq erlebt viele Dinge gleichzeitig, aus mehreren Perspektiven. Und fast alle Figuren werden durchgängig, über 1500 Seiten hinweg, als Frau verstanden, beschrieben, angesprochen - Action-Romane, verfasst im generischen Femininum. Eine Gender-Utopie.
Wutbürger und Gegenschlag
Der Hugo Award, einer der wichtigsten US-Preise für fantastische Literatur, wird auf der Fan-Messe WorldCon verliehen: Jeder, der sich registriert, darf Nominierungen vorschlagen, in aktuell 14 Kategorien. Schon 2013 schlossen sich Fans zusammen, um einen Roman durch Stimmabsprachen in die Endauswahl zu bringen. Seit 2014 aber, Ann Leckies großem Jahr, wurde daraus ein Kulturkampf:
Science Fiction wird weiblicher. Science Fiction wird bunter, komplexer, inklusiver, offen politischer - und oft auch akademischer, literarischer. Aus Protest wählten die Gruppen "Sad Puppies" und "Angry Puppies" Bücher auf die Hugo-Shortlist, die ihren älteren Idealen entsprechen: leicht lesbar, knallig, unterhaltsam, meist von Männern (nur) für Männer geschrieben, keine Texte von Minderheiten, Außenseitern und keine "message fics", die gesellschaftliche Probleme ansprechen. Abenteuer-, Militär- und Pulp-Unterhaltung von unter anderem stolz offen homophoben Autoren wie Orson Scott Card.
2015 entschied die Jury, in mehreren Kategorien keinen Preis zu vergeben. Bis Juni, zum Hugo Award 2016, streiten Science-Fiction-Leser weiter über Zielgruppen, vermeintliche Political Correctness, "zu akademische" Romane und eine kleine, laute Minderheit, die gegen Vielfalt demonstriert.
Konservativ genug?
Band 2 und 3 von Leckies Trilogie sind deutlich schwächer: Zwar debattieren ihre Figuren immer wieder Kolonialismus und Identität, Religion, Kulturimperialismus und modernen Sklavenhandel - gesellschaftskritische Themen in der großen feministisch-anthropologischen Tradition von Scifi-Autorinnen wie Octavia Butler, Ursula K. LeGuin.
Doch über Gender wird bei Leckie zunehmend oberflächlich gesprochen, und zur Frage, wie ein Kunstwesen mit mehreren Körpern liebt und urteilt, bleibt nach über 1500 Seiten kaum Profundes: Mit jedem Kapitel wird mehr gewankt, gerannt, gestottert, geseufzt - Figuren und Langeweile wie in einer 20 Jahre alten, müden Episode von "Star Trek: Voyager".
Leckies Bücher gelten als erfolgreichstes Beispiel einer weltoffenen, zeitgemäßen Scifi-Literatur, die Frauen wie Männer zum Nachdenken bringen will. Leider aber sind diese Bücher kein besonders gutes Beispiel: Leckies Welt wirkt oberflächlich frisch, komplex - doch als Erzählerin genügen ihr zunehmend simple Konflikte, aller simpelste Lösungen. So hausbacken, dass Band 3 der Trilogie von den "Sad Puppy"-Konservativen nicht bekämpft wird - sondern empfohlen, als altmodische, behaglich simple, "nicht-akademische" Science-Fiction.
Leckie selbst hofft, dass die Hugo-Nominierungsregeln für 2017 geändert werden, um weitere Kampagnen zu verhindern.