Sascha Mamczak, Jahrgang 1970, beschäftigt sich seit vielen Jahren als Autor und Lektor mit gesellschaftlichen Zukunftsthemen und ihrer Verbindung zum fantastischen Genre. Er studierte Politische Wissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Öffentliches Recht in München und Edinburgh. Er hat die Bücher "Die Zukunft – Eine Einführung" sowie "Es ist dein Planet – Ideen gegen den Irrsinn" veröffentlicht.
Warum uns Zombies lieber sind als der Klimawandel
Ein Virus, das Menschen in Zombies verwandelt, oder Außerirdische, die die Menschheit vernichten: Sie gehören zu den üblichen Science-Fiction-Schauermärchen. Anscheinend lieben wir Untergangsszenarien. Aber was ist, wenn die Katastrophe wirklich realistisch erscheint?
In Sachen Apokalypse, so scheint es, gibt es nichts Neues unter der Sonne. Was einst als populäres Sub-Genre des fantastischen Erzählens, als religiöse Unheilsprophetie begann und im Neuen Testament kanonisiert wurde, ist zweitausend Jahre später immer noch so angesagt wie eh und je – nur eben als ein anderes Sub-Genre des fantastischen Erzählens: als Science-Fiction.
Die Lust an der absurden Apokalypse
Tatsächlich sind apokalyptische Science-Fiction-Stoffe zurzeit so populär, dass der Handlungskern "Globale Katastrophe" in Spielfilmen und Fernsehserien inzwischen ebenso routiniert aufbereitet wird wie, sagen wir, "Liebeskummer in Cornwall". Offenbar gehört die regelmäßige Dosis Weltuntergang gerade zu unserem kulturellen Grundbedürfnis.
Warum das so ist, wird gemeinhin so erklärt: Die Lust an der Apokalypse spiegelt, vor allem in den westlichen Gesellschaften, eine depressive, von allerlei Krisen wundgescheuerte Gemütslage wieder, die uns anfällig macht für Erzählungen vom Weltende und dem darauf folgenden zivilisatorischen Neustart. Die unterschwellige Sehnsucht nach dem Untergang – also lediglich ein Krisenphänomen? Wenden wir uns wieder fröhlicheren Themen zu, sobald die augenblickliche Phase der Zukunftsdepression vorbei ist?
Realistische Bedrohungen sind Kassengift
Nun, ich meine, mit dieser Erklärung machen wir es uns zu einfach. Denn wenn man genauer hinsieht, ist es nicht die Apokalypse an sich, die derzeit so populär ist. Erfolgreich sind Untergangsgeschichten, die das Label "Science-Fiction" als "absurd-lächerlich" auslegen. Wenn etwa ein Virus die Mehrzahl der Erdbewohner in eine Horde Zombies verwandelt, lassen wir uns das gerne gefallen. Und wenn Außerirdische die Menschheit zu vernichten drohen, sorgt das auch für reichlich Nervenkitzel. Beides findet ein riesiges Publikum, weil es unrealistische Fantastereien sind. Unbehaglich wird uns aber, wenn uns die Apokalypse in der Science-Fiction psychologisch nahekommt.
Gutes Beispiel: die Klimakatastrophe. Abgesehen von Roland Emmerichs Spektakel "The Day After Tomorrow", das nun auch schon wieder vierzehn Jahre her ist, haben es kein Film und kein Roman geschafft, mit dieser Art von Zivilisationsende ein großes Publikum zu erreichen. Tatsächlich gilt das Thema "Klima" bei Filmproduzenten und Verlegern schon lange als Kassengift und wird konsequent gemieden. Zahlreiche Flops in den letzten Jahren haben sie darin bestätigt. Diese apokalyptische Vision gehört also offenbar nicht zu unserem kulturellen Grundbedürfnis.
Von Zombies lassen wir uns gerne niedermetzeln
Denn: Diese Apokalypse ist zwar fantastisch in dem Sinne, dass sie unsere Vorstellungskraft sprengt, aber sie ist keine Fantasterei. Sie ereignet sich auch nicht so, wie die Unterhaltungsindustrie sonst ihre Apokalypsen zu inszenieren pflegt, als singuläres Großereignis, sondern als Abfolge ganz kleiner Ereignisse. Und vor allem: An dieser Apokalypse sind wir alle mehr oder weniger direkt beteiligt – zum Beispiel jetzt in diesem Moment, wenn Sie in einem Auto sitzen, das mit Verbrennungsmotor fährt. Aber mit dieser Apokalypse, mit der wir etwas zu tun haben, wollen wir nichts zu tun haben.
Insofern gibt es in Sachen Apokalypse doch etwas Neues unter der Sonne: Wenn die zivilisatorische Katastrophe eng mit der Art und Weise verbunden ist, wie sich unsere Zivilisation ökonomisch und damit auch kulturell definiert, weisen wir das fantastische Erzählen in seine Schranken. Da darf es auf keinen Fall das Hier und Jetzt meinen. Aber von einer Horde Zombies lassen wir uns gerne niedermetzeln. Was haben die Zombies schon mit uns zu tun?