Markus Stromiedel: "Zone 5"
Droemer, München 2015
464 Seiten, 14,99 Euro
"Blade Runner" in Köln
Im Jahr 2060 ist Köln in fünf Zonen eingeteilt. Markus Stromiedel erzählt in seinem Thriller die Geschichte einer illegalen Zonenübertretung. Eine düstere Robin-Hood-Geschichte, äußerst visuell geschildert.
Europa ist totalitärer Staat geworden. Der EU-Präsident hat die Parlamentarier nach Hause geschickt oder verhaften lassen und regiert nun mit der Rückendeckung einiger multinationaler Konzerne. Und weil eine Hand die andere wäscht, hat der Herr Präsident die in fünf Zonen geteilte Stadt Köln an einen Wirtschaftskonzern verschenkt. Hier darf die Medical Ind Corporation tun und lassen was sie will. Willkommen im Jahr 2060. Willkommen in "Zone 5".
Als begeisterter Europäer würde man Markus Stromiedel gern vorwerfen, einen anti-europäischen Roman geschrieben zu haben. Aber das wäre falsch. Stromiedel will unterhalten, Zukunft durchspielen, Fragen stellen.
"Können wir es uns erlauben, in unserem Widerstand gegen die Ungerechtigkeit der Welt moralisch zu sein, oder müssen wir nicht vielmehr die gleichen Mittel und die gleiche Skrupellosigkeit anlegen wie unsere Gegner?"
Für Stromiedel ist das die Frage, die seinem Buch zugrunde liegt.
Das Problem: Menschen lesen keine Unterhaltungsliteratur, weil sie sich für Fragestellungen und Thesen interessieren. Menschen interessieren sich für Menschen: Literatur ist ein eher zweitrangiges Transportsystem für Ideen, wie der US-Kritiker John Freeman jüngst bei einem Besuch in Berlin feststellte. Und deswegen erzählt Stromiedel, geboren 1964, die Geschichte der jungen Alex, einer Bewohnerin der armen Zone 4. Um der krebskranken Schwester ein Medikament zu besorgen, dringt die junge Frau illegal in die Zonen 1 und 2 ein, die Zonen der Reichen und Privilegierten.
Breitenwirksame Unterhaltung statt Kunst
Natürlich wird Alex geschnappt. Und natürlich findet sich ein Robin-Hood-artiger Zone-1-Jung-Anwalt, der sich ihres aussichtslosen Falls annimmt. Denn: Auf Zonenübertritt steht die Todesstrafe. Das Ergebnis ist eine Mischung aus Suzanne Collins'"Die Tribute von Panem" und Martin Walkers "Germany 2064".
Stromiedel ist ein Ex-Journalist der heute neben Romanen vor allem Drehbücher schreibt. Den Stil des TV-Handwerkers spürt man auch in "Zone 5". Stromiedel arbeitet sehr visuell. Springt der Plot, zeichnet Stromiedel atmosphärische Schnittbilder. Steht eine Figur auf dem Domplatz, landet am Horizont ein Flugzeug – an Bord ein Auftragskiller des bösartigen Pharmakonzerns.
Der Mann heißt Huskin. Er jagt und tötet virtuell und irdisch. Er trägt Hemden mit Manschettenknöpfen und hat Prinzipien. Und: Man wünscht sich, Stromiedel hätte Huskin mehr Roman gewidmet. Es wäre ein böseres Buch geworden. Vielleicht auch ein besseres.
"Zone 5" ist ein Thriller. Für Stromiedel heißt das: breitenwirksame Unterhaltung statt Kunst. Der Breitenwirksamkeit opfert der Autor das authentisch Zwischenmenschliche. Anklänge einer Romanze werden bieder dahingehaucht. Im Gegenzug bleibt der Text jugendfrei. Dem Unterhaltungswunsch opfert Stromiedel das komplexe Innenleben seiner Figuren. Dafür gibt es Action, technische Spielzeuge und ein Köln, in dem sich Philipp K. Dicks "Blade Runner" wie Zuhause gefühlt hätte.
Und genau hier liegt Stromiedels Stärke. Immer wieder will man als Leser zurückkehren, in dieses dunkle, kaputte Köln, während man die Heizung aufdreht, sich auf dem Sofa zurücklehnt und hofft, dass wir das mit der Wohlstandsverteilung und TTIP schon irgendwie in den Griff bekommen.